Schwäbische Zeitung (Biberach)
Laura Ludwig und Patrick Hausding tragen die Fahne
Duo führt deutsches Team bei Eröffnungsfeier an – Votum von Olympiastartern und Öffentlichkeit entschied
TOKIO (SID/dpa) - Laura Ludwig musterte Patrick Hausding von oben bis unten und grinste. „Du musst die Fahne tragen, du hast den größeren Bizeps“, scherzte die Beachvolleyball-Olympiasiegerin von Rio und deutete auf ihren Sitznachbarn. Sie hoffe, sagte Ludwig, „Patrick ist der Gentleman und übernimmt die schwere Arbeit“.
Die Beach-Queen und der Rekordspringer schreiben Olympiageschichte: Ludwig und Hausding führen die deutsche Mannschaft bei den Sommerspielen als FahnenträgerDuo ins Stadion. Zu zweit, aber mit nur einer Flagge. Wer von den beiden die Fahne bei der Eröffnungsfeier am Freitag (13 Uhr MESZ/ZDF und Eurosport) tatsächlich in den Händen halten wird, dürfte spontan entschieden werden. „Sie darf nur nicht kaputtgehen oder runterfallen“, sagte Hausding, der wie Ludwig zum vierten Mal an den Sommerspielen teilnimmt. „Und wir dürfen nicht über unsere Füße stolpern.“
Das Duo, das ein Zeichen für Gleichberechtigung setzen soll, war von mehr als 200 deutschen Olympiateilnehmern und 185 000 Fans in einer Onlineabstimmung ermittelt worden. Die 35-jährige Ludwig, die 2016 mit Kira Walkenhorst Gold gewann und in Tokio mit ihrer neuen Partnerin Maggie Kozuch am Start ist, setzte sich mit 30,94 Prozent der Stimmen klar vor Turnerin Elisabeth Seitz (20,83) und Dressurreiterin Isabell Werth (18,39) durch. Hausding (22,65 Prozent) gewann mit sieben Hundertstelprozent Vorsprung vor Turner Andreas Toba (22,58). „Das ist schon verdammt knapp“, sagte der Berliner, der in Tokio nach Silber 2008 und Bronze 2016 seine dritte Olympiamedaille anpeilt.
Auf die ganz große Sause müssen Ludwig und Hausding am Freitag aber verzichten. Anders als Tischtennisstar Timo Boll noch vor fünf Jahren in Rio werden die beiden – pandemiebedingt – lediglich den Fans vor den Fernsehgeräten zuwinken können. Die 68 000 Plätze im Kasumigaoka National Stadium werden – abgesehen von rund 950 Ehrengästen auf der VIP-Tribüne – weitgehend leer sein. „Mit Zuschauern wäre es natürlich um einiges grandioser“, sagte Ludwig. Doch man gehe „als Team gemeinsam“ins Stadion: „Das ist das A und O und wird uns beflügeln, um Medaillen für Deutschland zu holen.“
Sonderlich groß dürfte die deutsche Delegation allerdings nicht werden. Einige Mannschaften – die Handballer, die Reiter und die Segler – haben ihre Teilnahme schon komplett abgesagt. Jedem Sportler steht ein Besuch der Eröffnungsfeier frei.
„Von uns wird es diesmal keine Empfehlung geben“, sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann. Allen teilnehmenden Sportlern indes werde die medizinische Abteilung des „Team D“eine Empfehlung zum „early departure“geben – sprich: ihnen zu einem Kurzbesuch raten.
Die australischen Fußballerinnen halten eine Aborigines-Fahne in die Höhe, US-Star Megan Rapinoe & Co. knien nieder – und die deutsche Hockey-Spielführerin darf ihre Regenbogenbinde nun doch auch während der Spiele tragen. Zwei Wochen nach dem Ende der auch von politischen Gesten geprägten Fußball-EM deutet sich für Olympia Ähnliches an: Mündige Athletinnen und Athleten positionieren sich. Sport und Politik sind längst kein unvereinbares Gegensatzpaar mehr.
Am Donnerstag lenkte das Internationale Olympische Komitee gleich in zwei Fällen ein. Nike Lorenz darf auch beim Spiel und nicht nur beim AufSpiele
Denn, so Alfons Hörmann: „Jede Minute im Stadion erhöht das Risiko.“
Der Vorfreude von Laura Ludwig und Patrick Hausding kann das nichts anhaben. Dabei hatte die 35-Jährige, nach ihrem Triumph vor fünf Jahren am Strand der Copacabana nicht nur für Hörmann „eines der olympischen Gesichter im ,Team D‘“,
wärmen oder nach Abpfiff die bunte Binde tragen. „Wir freuen uns, dass wir damit einen gemeinsamen Weg gefunden haben, der es dem Hockeyteam ermöglicht, ein gesellschaftspolitisches Statement abzugeben“, sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann. „Es fühlt sich unglaublich gut an, meinen Mitspielerinnen den Raum auf dem Spielfeld verschafft zu haben, den sie sich verdienen. Jeder einzelne Charakterzug von uns hat jetzt offiziell seinen Platz. Love always wins“, sagte Lorenz.
Zudem werden Bilder von knienden Sportlern künftig auch auf den SocialMedia-Kanälen der Olympischen
oder des IOC gezeigt. Zum Auftakt des Fußballturniers waren die Spielerinnen aus Großbritannien,
Chile, den USA, Schweden und Neuseeland für einen Moment mit dem Knie auf den Rasen gegangen, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu protestieren. Neuseelands Gegner Australien stellte sich Arm in Arm auf und hielt die Flagge der Aborigines in die Kameras. Die Fahne mit dem schwarz-roten Hintergrund und dem gelben Kreis gilt als wichtiges Symbol der Ureinwohner Australiens.
Auch das deutsche Team schaut über den sportlichen Tellerrand hinaus. „Es müssen ja nicht alle Athletinnen und Athleten machen, aber diejenigen, die
zunächst Schlimmes befürchtet. Als sich der Teamleiter „top secret“sofort mit ihr treffen wollte, „habe ich gedacht, ich hatte Kontakt zu einem Corona-Fall“. Der zweite Gedanke sei dann „positiv, sehr positiv“gewesen.
„Es ist eine absolute Ehre, das mit Patrick zusammen machen zu dürfen“, sagte die Hamburgerin. Sie sei sich für die Regenbogenflagge oder andere Botschaften, die für friedliches Zusammenleben, Respekt und Toleranz stehen, aussprechen wollen, die sollten doch hier eigentlich die beste Bühne dafür haben“, sagte Athletensprecher Max Hartung. Explizit ermuntert der Fechter seine Kolleginnen und Kollegen zu klaren Statements. Möglich sind die, weil das IOC die Regel 50 der olympischen Charta gelockert hat, die politische Gesten und Aussagen auf dem Spielfeld und bei Medaillenzeremonien verbietet. Kniefall oder erhobene Faust sind nun vor Beginn eines Wettbewerbs möglich, auf den Siegerpodien aber weiter untersagt. (dpa)
„begeistert und stolz“. Hausding wurde ins Mannschaftsbüro gebeten, „gemeinsam mit Laura, dann wurde die Tür zugemacht“. Eigentlich hätte er trainieren sollen, berichtete der Rekord-Europameister am Donnerstag, „aber der Bundestrainer hat gesagt: ,Da musst du hin.‘ Es hat sich gelohnt.“