Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ehinger Chefarzt wehrt sich gegen Vorwürfe
Michael Jamour will die Einsperr-Vorwürfe nicht auf seiner Abteilung sitzen lassen
EHINGEN (meni) - Schwere Vorwürfe hat ein Mann vor wenigen Wochen gegen das Alb-Donau-Klinikum erhoben. Dort würden Patienten der Station 1B eingesperrt und diesen somit der Besuch in der Cafeteria oder der Kapelle verwehrt. Der SZ-Bericht hat Wellen geschlagen: Nicht nur der Chefarzt des geriatrischen Rehabilitationszentrums geht nun nochmals konkret auf die Vorwürfe ein, auch eine ehemalige Patientin hat sich zu Wort gemeldet.
Nicht nur einmal hat in den vergangenen Tagen die Munderkingerin in der Redaktion angerufen. Sie war bereits mehrmals Patientin des geriatrischen Rehabilitationszentrums und verdankt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort viel, sagt sie. Überhaupt gar nicht könne sie verstehen, wie es zu den Anschuldigungen des Lesers gekommen sein könnte. „Ohne die Menschen dort wäre ich nicht mehr so schnell auf die Beine gekommen“, macht die ältere Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, klar. „Zu keiner Zeit war ich dort eingesperrt“, ergänzt die Frau, die sich auch dank des Angebots in Ehingen nach wie vor selbst versorgen könne.
Der Mann, der sich an die Zeitung gewandt hatte, mutmaßt, dass die Order von höherer Stelle gekommen sein muss, die Mitarbeiter der Station hat er in seiner E-Mail ausdrücklich außen vor gelassen. Auf den Verdacht geht Chefarzt Michael Jamour in einem langen Brief ein, den er an die Redaktion geschickt hat.
Er trägt seit fast 20 Jahren als Chefarzt der Einrichtung Verantwortung. „Ich fühle mich davon angesprochen und möchte daher zu diesen haltlosen Vorwürfen Stellung beziehen.“Er bedauert, dass sich der Mann nicht direkt an die Verantwortlichen der Klinik gewandt hat. „Weder die Stationsleitung, die Oberärzte, der Chefarzt noch der
Qualitätsmanagementbeauftragte wurden mit diesen Vorwürfen konfrontiert“, schreibt Michael Jamour. Stattdessen gleich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu suchen, sei eine unredliche und destruktive Form der Auseinandersetzung, die er schon im Interesse seines Teams nicht billigen könne, wirft er dem Mann, der die Anschuldigungen erhoben hat, sehr deutlich vor.
Denn: In der Woche vor Erscheinen des Artikels in der Schwäbischen Zeitung habe sich auf der Station 1B eine Situation ergeben, die aus Gründen des Infektionsschutzes und der Patientensicherheit sowie im Auftrag des Gesundheitsamtes die Verantwortlichen dazu bewogen hat, fünf Rehabilitanden vorübergehend zu isolieren. Der Grund: Sie hatten Kontakt zu einer an Corona erkrankten Person, erläutert der Chefarzt einen möglichen weiteren Hintergrund.
Mindestens fünf Tage mussten die fünf betroffenen Patienten isoliert werden, erst durch einen negativen PCR-Test konnte Entwarnung gegeben werden. „Können Sie ermessen, wie sich die Mitarbeiter der Einrichtung fühlen, wenn sie alles Notwendige tun, um vulnerable Menschen vor einer möglichen und potenziellen Infektionsausbreitung zu schützen und sich gleichzeitig mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, sie würden ihre Patienten einsperren?“, ergänzt der Chefarzt.
Nur durch Vorsichtsmaßnahmen dieser Art sei es in den vergangenen Monaten gelungen, die Reha-Klinik frei von Covid-19 zu halten. Denn niemandem sei gedient, wenn die Abteilung aufgrund eines Ausbruchs stillgelegt werden müsste. Am allerwenigsten den Rehabilitanden, die zum Pflegefall würden. „Manchmal ist es eine Gratwanderung, um zwischen Gemeinwohl und Individualrecht abzuwägen“, betont Jamour.