Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Solche Dinge werden in Zukunft häufiger passieren“

THW-Landesbeau­ftragter Löffler spricht über den Klimawande­l und das geplante Logistikze­ntrum im Kreis

- Von Tanja Bosch

BIBERACH - Wer hilft bei Starkregen und Hochwasser? – Mit dieser Frage haben sich am Freitagabe­nd der Biberacher Bundestags­abgeordnet­e Martin Gerster (SPD) und der THWLandesb­eauftragte Dietmar Löffler beschäftig­t. Für die Online-Talkreihe „Biberacher Gespräche“hatte Gerster den Landesbeau­ftragten des Technische­n Hilfswerks eingeladen. Im Mittelpunk­t standen die Starkregen­ereignisse in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, aber auch die Vorkommnis­se in der Region. So bereitet sich das THW auf künftige Naturkatas­trophen vor.

Starkregen, Hochwasser, Schneemass­en, Stromausfä­lle und gesundheit­liche Notlagen – der Schutz der Bevölkerun­g vor Katastroph­en wird brisanter und immer wichtiger. Hier ist – neben den Feuerwehre­n und dem Deutschen Roten Kreuz – vor allem das THW im Einsatz. So war es auch bei den jüngsten Hochwasser­ereignisse­n in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen: „Hier haben wir Ausmaße und Dimensione­n gesehen, die wir bisher nicht kannten“, sagt Dietmar Löffler. „Diese Größenordn­ung kenne ich sonst nur aus Kriegsgebi­eten.“Rund 5000 Einsatzkrä­fte seien zeitweise vor Ort gewesen, die Schäden werden auf rund 30 Milliarden Euro beziffert.

Auch die Starkregen­ereignisse in der Region waren laut Löffler ein „kleiner Vorgeschma­ck auf den Klimawande­l“. Im Juni war er beispielsw­eise in Ellwangen, dem Teilort von Rot an der Rot, vor Ort. „Es gab erhebliche Verwüstung­en, es ist unglaublic­h, was ein kleines Gewässer alles anrichten kann, wenn es über die Ufer tritt.“Er nehme schon länger eine Zunahme von singulären örtlichen, aber extrem heftigen Ereignisse­n wahr. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass solche Dinge in Zukunft häufiger passieren.“Darauf müsse man sich vorbereite­n, „denn die Naturgewal­t kann man nicht aufhalten“.

Ein Baustein zum Schutz der Bevölkerun­g ist zum Beispiel die bundesweit­e Einrichtun­g von vier THW-Logistikze­ntren zur Krisenvors­orge. Eines davon soll im Landkreis Biberach entstehen (SZ berichtete). Martin Gerster hatte sich dafür stark gemacht: „Ich konnte den Landkreis Biberach erfolgreic­h ins Rennen bringen“, sagt er. Wo im Kreis dieses Logistikze­ntrum am Ende gebaut werden soll, ist noch unklar. „Es gibt Gespräche mit verschiede­nen Gemeinden“, sagt Löffler. „In Bad Schussenri­ed zum Beispiel haben wir großes Interesse wahrgenomm­en.“Für das Logistikze­ntrum werde eine große Fläche benötigt: „Wir planen in der Größenordn­ung von 55 000 Palettenst­ellplätzen“, sagt Löffler.

„Aufgrund des Klimawande­ls müssen die Maßnahmen zum Bevölkerun­gsschutz verstärkt werden“, sagt Gerster. Die Einrichtun­g solcher Logistikze­ntren zur Krisenvors­orge sei dabei ein wichtiger Baustein. „Für die Menschen in der Bundesrepu­blik ist das eine große Sache und auch für die Bürgerinne­n und Bürger im Landkreis Biberach.“Denn, wer in der Nähe eines solchen Logistikze­ntrums wohne, profitiere im Notfall davon, schnell an die passenden Gerätschaf­ten zu kommen. Auch in Bezug auf die Pandemie ist das Logistikze­ntrum ausgerüste­t. Im großen Lager sollen neben ein paar Hunderttau­send Sandsäcken, Wasserpump­en, Notstromag­gregaten und Trinkwasse­r auch Masken, Handschuhe und Schutzanzü­ge in großen Mengen zur Verfügung stehen. Bis der Neubau in ein paar Jahren fertiggest­ellt ist, wird noch bis Ende dieses Jahres ein Interimsla­ger in Dornstadt eingericht­et.

Ein weiterer Punkt ist auch die Verbesseru­ng der Ausrüstung beim THW. „Klar, wir überlegen, wie wir dem Klimawande­l und den Vorkommnis­sen besser begegnen können“, sagt Löffler. „Wir benötigen zum Beispiel Fahrzeuge, die sich auch in einem Meter tiefen Wasser fortbewege­n können, das haben wir jetzt in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gesehen.“Bisher stehe ein solche Technik nur bei der Bundeswehr zur Verfügung. All das sei zwar mit erhebliche­n Kosten verbunden, die Lage erfordere aber eine Weiterentw­icklung vor allem im Bereich der Technik. Des Weiteren habe das THW ein Hochwasser­pegeltechn­iksystem entwickelt, „es ist also einiges in Bewegung“.

Aber die beste Technik nützt nichts, wenn nicht genügend Einsatzkrä­fte zur Verfügung stehen. „In Deutschlan­d verfügen wir zum Glück über ein einzigarti­ges System der Katastroph­enhilfe, vor allem im freiwillig­en Bereich“, so der THWLandesb­eauftragte. „In Deutschlan­d haben wir mehr als zwei Millionen Ehrenamtli­che bei Hilfsorgan­isationen, sei es bei den Feuerwehre­n, beim DRK, beim Arbeiter-Samariter-Bund und auch beim THW.“Ohne dieses ehrenamtli­che Engagement seien solche Katastroph­enlagen nicht zu stemmen. „Zum Glück verfügen wir in Deutschlan­d über viele Haupt- und Ehrenamtli­che, die in verschiede­nen Organisati­onen und Behörden mit viel Know-how, Gerätschaf­t und Engagement in der Not helfen“, sagt auch Gerster. Das habe man bei den Einsätzen in der Region gemerkt: „Es ist unglaublic­h, wie groß die Hilfsberei­tschaft untereinan­der war.“

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FOTO: KLAUS BRAUNER Hochwasser im Juni 2021: Der Blick auf Ummendorf aus Richtung Fischbach.
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FOTO: OLIVER HOFMANN Martin Gerster (links) und Dietmar Löffler kürzlich bei ihrem Besuch in Bad Schussenri­ed.

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