Schwäbische Zeitung (Biberach)
Überall angekommen
Torhüter Müller brauchte weder in Stuttgart noch bei Ex-Club Freiburg Eingewöhnungszeit
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STUTTGART - Wenn Fußballer auf ihre alten Clubs treffen, wird es oft emotional. Dann ist da der Respekt vor der alten Liebe, der den Torjägern regelmäßig das ausufernde Jubeln verleidet oder die Sprechchöre der gegnerischen Fans, die ihre alten Helden feiern. Und dann gibt es die Variante, dass es auf der Gefühlsebene eher weniger bewegend ist, aber gerade die Umstände die besten Geschichten schreiben. So auch in diesem Fall, der schon kurios begann. Denn kaum war das neue Kapitel im Sportlerleben von Florian Müller beim VfB Stuttgart gestartet, reiste der Torhüter schon zu den besonderen Olympischen Spielen in Pandemie-Zeiten nach Tokio. Kaum zurück begann die Bundesliga für Müller und die Schwaben mit einem seltenen 5:1 und einem heftigen 0:4. Aufregend genug? Mitnichten. Denn nun kommt es am Samstag (15.30 Uhr/ Sky) zum brisanten Wiedersehen mit seinem Ex-Verein und -Kollegen – in Gestalt des SC Freiburg.
Noch vor einem guten halben Jahr war Müller einer der Sieggaranten der Badener im Prestigeduell gewesen, als er einen Elfmeter des mittlerweile abgewanderten Stuttgarters Nicolás González parierte und entscheidend zum 2:1 der Freiburger beitrug. Nun soll der Südschlager, wenn es nach Müller geht, andersherum ausgehen. Es ist zudem nicht unwahrscheinlich, dass gerade dem Torhüter dabei wieder eine entscheidende Rolle zukommen könnte.
Doch gibt es von Seiten Müllers keinerlei Blick im Zorn zurück, eher das Gegenteil. Denn auch im Breisgau war Müller in der vergangenen Saison die Nummer eins. Zu Beginn der Bundesligarunde war der 1,90 Meter große Torhüter von Mainz nach Freiburg ausgeliehen worden, da er bei seinem Stammverein nicht an Konkurrent Robin Zentner vorbeigekommen war. In Freiburg vertrat er dann Problemlos den verletzten Mark Flekken. Der Inbegriff einer Win-win-Situation: Vakanz im Breisgau gestopft und gleichzeitig als Erstligatorhüter etabliert – und das alles mit Spaß bei der Arbeit. „Es geht ihm sehr gut, es gefällt ihm sehr gut bei uns“, hatte Streich damals über den Torhüter gesagt und dessen angenehme Art gelobt.
In Stuttgart soll Müller nun das gelingen, was ihm auch unter Streich glückte: Auf einer Schlüsselposition soll sich der 23-Jährige im Team trotz kurzer Eingewöhnung auf Anhieb zurechtfinden und konstant gute Leistungen bringen. Nicht weniger erwarten die VfB-Verantwortlichen von ihm und nicht weniger erwartet er von sich selbst. Die ersten Eindrücke sind positiv. Schließlich sei dem Torhüter das 0:4 bei RB Leipzig am Freitag nicht anzukreiden, erklärte VfB-Sportdirektor Sven Mislintat: „Ich habe eine sehr, sehr gute Leistung gesehen“, meinte der 48-Jährige: „Gerade in der ersten Halbzeit hat er uns geholfen, die schwere Druckphase zu überstehen.“Jedoch war nach dem famosen Auftakt gegen Fürth der Vizemeister schlicht ein zu starker Gegner.
Das Duell mit den Freiburgern dürfte nun ausgeglichener verlaufen. Dabei dürfte es zumindest nicht von
Nachteil sein, dass Müller die eine oder andere Vorliebe seiner Ex-Mitspieler um Freistoßspezialist Vincenzo Grifo kennengelernt hat und diese für sich nutzen könnte.
Starke Auftritte helfen zudem dabei, das Umfeld ruhig zu halten. Denn bei den Stuttgartern trägt Müller die Last, den Schweizer Gregor Kobel ersetzen zu müssen, der in der überzeugenden ersten Saison nach der Erstliga-Rückkehr einer der Erfolgsgaranten war. „Als uns klar war, dass uns mit Greg ein wichtiger Leistungsträger verlässt, hatten wir sofort die Ersatzlösung im Kopf“, hatte Mislintat bei der Vorstellung von Müller gesagt und gleichzeitig Zweifel ab- und etwas Druck aufgebaut.
Zweifel, dass Müller beim VfB die Nummer 1 wird und für den nicht immer fehlerfreien Fabian Bredlow wieder nur die Reservistenrolle bleibt, bestanden also zu keinem Zeitpunkt. Daran änderte auch nichts, dass Müller die Saison-Vorbereitung für die Olympischen Spiele und das enttäuschende VorrundenAus mit der deutschen Mannschaft sausenließ. Der VfB war eher stolz auf die Nominierung. Mislintat schwärmte trotz des baldigen Abflugs vom Wasen direkt von einem „herausragenden Torwart und Typen“und „genau von dem, was wir uns versprochen haben“. Bisher scheint diese Rechnung für beide Seiten aufzugehen.
Denn ebenso wie Kobel nun die Champions-League-Auftritte mit Borussia Dortmund stuft Müller seinen Wechel zum VfB als nächste Stufe seiner Karriere ein. „Es war ein guter und logischer Schritt“, hatte er nach seinem Wechsel für rund fünf Millionen Euro aus Mainz gesagt. Am Samstag könnte er nun für die erste Saison-Niederlage der Badener sorgen – und für sich und den VfB für einen weiteren Schritt nach oben.