Schwäbische Zeitung (Biberach)
Werbung mit der Bretterbutze
Berliner Künstlerkollektiv mit badischen Wurzeln bewegt mit Videos zu „korrekter Aussprache“das Netz
Liebe Leserinnen und Leser, aus technischen Gründen werden die Zahlen des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Vortag (Stand 7.30 Uhr) veröffentlicht. Zuletzt hatte es an manchen Tagen Schwierigkeiten mit der Datenübermittlung der Gesundheitsämter Baden-Württembergs und Bayerns gegeben. Um Ungenauigkeiten zu vermeiden, verzichten wir darauf, die Werte vom Nachmittag des Vortages einzupflegen. Generell ist nach Wochenenden bei der Interpretation zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Ämter an allen Tagen Daten an das RKI übermittelt haben. Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab.
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FREIBURG/STUTTGART (dpa) - Für Charlotte Hübsch ist klar: Es heißt „Bretterbutze“. „An zwei Stellen geklebt und verknotet hält die Bretterbutze trotzdem wie geschmiert“, beschreibt sie. Auf dem Bildschirm erscheint parallel dazu ein anderes Wort: Butterbrezel. Darunter steht als eine Art Serientitel „Korrekte Aussprache – BaWü-Edition“. Gehalten im offiziellen Design BadenWürttembergs.
Die Clips, die das Landesmarketing seit einigen Wochen im Internet streut, stammen vom Künstlerkollektiv Luksan Wunder. Charlotte Hübsch ist die Sprecherin der Videos, mit denen die Wahlberliner schon 2015 angefangen haben – damals ohne Fokus auf Baden-Württemberg. „Wir wollten eine Gegenwelt entwerfen für Leute, die auf Partys falsch ,Prosetscho‘ bestellen“, sagt sie. Sie könnten dann die Videos googeln und beweisen, dass ihre Aussprache doch stimmt. „Sodass den Leuten recht gegeben wird, die auf der falschen Seite stehen.“
Das Ganze ist mit einem dicken Augenzwinkern zu verstehen. Viele feiern die Clips auch. „Es gibt die, die noch einen draufsetzen“, erzählt Charlotte Hübsch. Andere fänden die Videos einfach nur blöd. Oder schrieben wahlweise sachlich oder empört etwa bei Wörtern aus Fremdsprachen die richtige Aussprache in die Kommentare – mit Verweis darauf, sie seien Muttersprachler oder hätten jahrelang im Ausland gelebt.
Nun gibt es also auch die „BaWüEdition“mit Wörtern für Erfindungen aus dem Südwesten. Unter den Clips verweisen Nutzer auf den heimischen Dialekt bei Butterbrezel und Maultasche: „Budderbrezl“und „Mauldäschle“.
Infolge des Flüchtlingszustroms habe es auch Kritik gegeben, dass Leute, die Deutsch lernen und wirklich korrekte Aussprache hören wollen, in die Irre geleitet würden, sagt Charlotte Hübsch. „Aber was ist der Worst Case? Jemand spricht ein Wort falsch aus.“Zudem sei es ein guter Hinweis, dass man sich nicht auf das erstbeste Video verlassen sollte, das man im Netz findet. „Und Quellen prüfen!“
Ralf Knöbl vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim findet die Parodien super. Teils würden typische Ausspracheprobleme angetippt wie die Aussprache von Y als Ü oder I, was etwa bei Libyen oft schiefgehe. Falsche Aussprache bei Fremdwörtern wie Prosecco oder
Gnocchi gebe es auch in der Sprechrealität. Ähnlich sei es bei der zweisilbigen Aussprache von A und O in Kakao – das sei tatsächlich eine übliche Aussprache von Dialektsprechern und -sprecherinnen im rheinfränkischen Raum. „Trotzdem sehe ich die Gefahr nicht, dass falsche Aussprachen dadurch verfestigt oder gar erlernt werden“, sagt der Mitautor des Aussprachedudens. „In
● den allermeisten Fällen ist die Aussprache deutlich stilisiert und als Parodie markiert.“
Hunderte Videos hat Luksan Wunder inzwischen produziert – und macht dabei im Grunde vor nichts Halt: ob Weine, Schauspielerinnen oder die Bibel, Käsesorten, EM-Kader oder Automarken. Mal klingt die Verfremdung wie ein anderes Wort, so wird etwa die Maultasche
zur „Manteltasche“. Dann wieder hört man völlig andere Begriffe wie „Klapapaprolle“– französisch angehaucht mit stummem End-E. Gemeint ist die Klopapierrolle. Auch Auftragsarbeiten wie jetzt für das baden-württembergische Landesmarketing seien schon dabei gewesen, sagt Charlotte Hübsch – etwa für ein Kunstmagazin oder für Unternehmen.
Die Clips seien sehr erfolgreich und hätten teilweise mehr als eine Millionen Klicks, erläutert ein Sprecher des Staatsministeriums in Stuttgart, weshalb das Landesmarketing auf den Zug aufgesprungen ist. Grundlage für die 15 bisher produzierten Videos der „BaWü-Edition“seien Erfindungen aus dem Südwesten. „Aus der Menge an kulinarischen, technischen und alltäglichen Erfindungen aus dem Land der Tüftler und Denker hat Luksan Wunder sich diejenigen Begriffe ausgewählt, die sich am besten für den Mechanismus ihrer Clips eignen.“Die Auswahl reicht von Spätzlepresse und Hochdruckreiniger über Flädle und Wibele bis zu Schwarzwälder
Kirschtorte und Kuckucksuhr. Hier ist der Südwest-Bezug noch eingängig. Für Wörter wie Spaghettieis oder Relativitätstheorie muss man schon etwas mehr Hintergrundwissen haben – etwa dass die Eiskreation aus Mannheim stammt und Albert Einstein einst in Ulm geboren wurde.
Schon oft habe sie gedacht, das Format müsse langsam mal auslaufen, sagt Charlotte Hübsch, die aus der Freiburger Ecke stammt und in Stuttgart Linguistik und Germanistik studiert hat. Mit den Jahren sei das Schreiben der Texte schwieriger geworden, „weil sich ein Witz irgendwann ausgewitzt hat“. Hohes Potenzial hätten Wörter aus anderen Sprachen, mit vielen Konsonanten und Buchstabenkombinationen, die man gut vertauschen kann. „Da haben wir fast alles durch, glaube ich“, sagt die Sprecherin. „Aber ich habe keine Sorge, dass wir nicht immer noch was finden.“
Beispiel-Clips finden Sie zu Butterbrezel und Co. unter schwäbische.de/bw-brezel