Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie die Bürger den Ausbau des Busnetzes finanzieren sollen
Landesregierung bereitet neue Abgabe vor – SPD kritisiert Pläne als sozial ungerecht
RAVENSBURG - Das Land BadenWürttemberg will den öffentlichen Nahverkehr massiv ausbauen. Bis 2030 soll sich die Passagierzahl verdoppeln, schon ab 2026 jedes Dorf von 5 bis 24 Uhr mindestens stündlich erreichbar sein. Nur: Zuständig ist das Land allein für die Bahnen. Der Busverkehr wird von den Landkreisen und Städten organisiert. Um Busse häufiger fahren lassen zu können, sollen die Kommunen daher eine neue Geldquelle bekommen, den Mobilitätspass. Zahlen sollen die Bürger – wer genau mit wie viel zur Kasse gebeten wird, ist noch unklar.
Wie der Pass genau aussehen soll, wollte deshalb der Singener SPDLandtagsabgeordnete Hans-Peter Storz vom Verkehrsministerium wissen. Der Antwort des Ministeriums, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, zufolge soll im kommenden Jahr ein entsprechendes Gesetz kommen, ab 2023 könnte der Mobilitätspass dann in die Praxis umgesetzt werden – in der Regel wohl von den Landkreisen, wie es in dem Schreiben des Ministeriums weiter heißt. Denkbar seien aber auch Zusammenschlüsse mehrerer Kreise oder eine Einführung durch größere Gemeinden in Eigenregie.
Je nach Modell zahlt entweder jeder Bürger, jeder Autohalter oder aber jeder Autonutzer eine monatliche Gebühr und bekommt dafür eine Gutschrift in gleicher Höhe, die er für den Kauf einer Zeitkarte einsetzen kann. Die Kommunen sollen so zusätzliches Geld für mehr Busse, neue Linien und häufigere Verbindungen erhalten. Ob sie einen Mobilitätspass einführen und welches Modell sie wählen, entscheiden sie selbst.
SPD-Verkehrsexperte Storz stört sich an diesem Finanzierungsmodell. „Wenn das Land fordert, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, dann muss es auch für die Kosten aufkommen.“Geld sei genug da, „das Land hat ein dickes Polster“. Die SPD sei nicht grundsätzlich gegen den Mobilitätspass, hätte sich aber eine einkommensabhängige Staffelung gewünscht. „Mobilität darf nicht zur sozialen Frage werden“, so Storz. Dass das Land die Kosten für ein eigenes politisches Vorhaben auf andere abwälze, hatte schon im Frühjahr FDPFraktionschef
Hans-Ulrich Rülke kritisiert und gewarnt: „Damit kommt zwangsläufig eine Kostenlawine auf die Kreise und Kommunen zu.“
Die Vertreter von Städten, Gemeinden und Landkreisen glauben ohnehin nicht, dass die Mobilitätsgarantie von 5 bis 24 Uhr mit dem Geld aus dem Mobilitätspass umsetzbar ist. „Die politische Zielsetzung des Landes in Sachen Mobilitätsgarantie und die diesbezüglichen Bedienstandards müssen auch von Landesseite finanziert werden“, betont Gemeindetagspräsident Steffen Jäger. Der Mobilitätspass könne nur optional sein, das Geld daraus nur für Angebote dienen, die noch über die Mobilitätsgarantie hinausgehen.
Der Biberacher CDU-Abgeordnete Thomas Dörflinger verspricht den
Kommunen Hilfe. Die Mobilitätsgarantie koste sehr viel Geld. „Bei der Finanzierung dieser großen Aufgabe darf das Land die kommunale Seite nicht im Regen stehen lassen.“Seine Fraktion werde darauf achten, dass deren Vertreter in die weiteren Gespräche eingebunden würden.
Wie teuer der Pass für die Bürger wird, steht noch nicht fest. Das Verkehrsministerium verweist aber auf eine Studie, die im November vergangenen Jahres vorgestellt wurde. Als Modellkommunen hatten Stuttgart, Tübingen, Bad Säckingen und Heidelberg/Mannheim verschiedene Optionen durchgerechnet. Tübingen hatte beispielsweise ausrechnen lassen, wie ein Nulltarif im Nahverkehr für alle finanziert werden könnte. Ergebnis: Die Abgabe würde dann 17 Euro je Einwohner betragen beziehungsweise 57 Euro je Autohalter. Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) zeigte sich danach überzeugt, dass ein Mobilitätspass „große Verbesserungen“ermöglichen könne, wenn er auf eine möglichst breite Basis gestellt wird.
Auf die Einführung dieses Finanzierungsmodells wollte der Tübinger OB aber nicht warten. Da das Instrument noch nicht verfügbar sei, werde man zunächst die Parkgebühren erhöhen, kündigte Palmer bei der Vorstellung der Studie an. Das ist inzwischen geschehen: Im Juli hat Tübingen die Gebühren für das Anwohnerparken drastisch angehoben – große Autos wie SUVs zahlen künftig das zwölffache des bisherigen Preises.