Schwäbische Zeitung (Biberach)
Impfdurchbrüche bei Johnson & Johnson
Gründe sind das Eine-Dosis-Impfschema, das Alter der Geimpften und die Delta-Variante
BERLIN/PARIS (dpa) - Geimpft und trotzdem an Corona erkrankt? Das ist zwar selten, aber es kommt vor. Auffällig hoch ist die Zahl sogenannter Impfdurchbrüche beim Impfstoff von Johnson & Johnson – nicht nur hierzulande, sondern etwa auch in Frankreich. Dem aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge wurden bislang 39 228 wahrscheinliche Impfdurchbrüche festgestellt – relativ betrachtet am häufigsten nach einer Impfung mit dem Johnson-&-Johnson-Vakzin. Immer lauter wird die Kritik: Ist das Mittel, vor allem auch gegen die dominante DeltaVariante, weniger wirksam?
Bislang erkrankten in 6106 Fällen Menschen trotz vollständigem Impfschutz durch das Johnson-&-Johnson-Präparat. Laut RKI haben bislang gut drei Millionen Menschen eine Johnson-&-Johnson-Impfung bekommen. Auf eine Million Geimpfte kämen demnach grob überschlagen 2000 Impfdurchbrüche. Allerdings ist bei dieser Art von Rechnung zu bedenken, dass noch nicht bei allen Geimpften die zwei Wochen vergangenen sind, nach denen von einem vollständigen Impfschutz ausgegangen wird. Zudem ist nicht berücksichtigt, wie lange die Impfung im Einzelfall schon zurückliegt.
Zum Vergleich: Bei Menschen, die als zweite Dosis den am häufigsten in Deutschland verwendeten Impfstoff – Biontech/Pfizer – erhalten haben, wären es den RKI-Zahlen zufolge rund 675 Durchbrüche pro eine Million vollständig Geimpfte. Bei Astrazeneca sind es rund 830, bei der Zweitdosis von Moderna rund 400.
Einen wahrscheinlichen Impfdurchbruch definiert das RKI als Corona-Infektion mit klinischer Symptomatik trotz vollständigem Impfschutz.
Das Vakzin von Johnson & Johnson ist der einzige bisher in der EU zugelassene Corona-Impfstoff, bei dem es laut EU-Arzneimittelbehörde EMA nur eine Dosis braucht. Bei allen anderen Vakzinen sind zwei Spritzen nötig. Johnson & Johnson ist deshalb in den vergangenen Monaten verstärkt für Menschen genutzt worden, die nur schwer für eine zweite Impfung zu erreichen sind; etwa bei Einsätzen mobiler Impfteams, um Wohnungslose oder Menschen in sozialen Brennpunktvierteln zu immunisieren. In Deutschland ist das Vakzin von der Ständigen Impfkommission (Stiko) nur für Menschen über 60 empfohlen.
Die Impfdurchbrüche erklärt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie: „Delta ist ansteckender als Alpha und etwa doppelt so ansteckend wie das Ursprungsvirus. Zusätzlich umgeht Delta den Immunschutz der Impfungen etwas. Daher sehen wir mit Delta auch mehr Durchbruchsinfektionen.“Dass der Impfstoff von Johnson & Johnson hier im Vergleich mit den anderen Präparaten schlechter abschneide, liege vor allem an der Schutzwirkung des Impfstoffs selbst, sagt Watzl.
Nach der Impfung mit dem Mittel brauche es länger als nach den mRNA-Impfungen, bis sich ausreichend Antikörper gebildet hätten. „Teilweise steigen die Spiegel mehr als einen Monat nach der Impfung noch an.“Man gelte jedoch 14 Tage nach der Impfung als vollständig immunisiert und eine Infektion würde als Durchbruchsinfektion gewertet. „Zu dem Zeitpunkt ist man aber noch nicht vollständig durch die Johnson&-Johnson-Impfung geschützt. Und die Antikörperspiegel liegen deutlich unterhalb derer, die durch die anderen Impfstoffe erzeugt werden“, erklärt Watzl.
Reicht die Einmaldosis von Johnson & Johnson also nicht aus? Es sei alles andere als überraschend, dass bei einem solchen Impfstoff eine einmalige Dosis nur einen zeitlich limitierten Schutz auslöse, meint StikoMitglied Christian Bogdan.
Die Impfdurchbrüche seien zum einen auf das Eine-Dosis-Impfschema zurückzuführen – und nur für dieses habe Johnson & Johnson bislang eine Zulassung, so Bogdan. Zum anderen entwickelten die über 60-Jährigen, bei denen das Vakzin in Deutschland aufgrund seines Nebenwirkungsprofils primär angewendet werde, wiederum nach Impfungen im Vergleich zu jungen Menschen eine geringere und weniger lang anhaltende Immunantwort. Als dritter Faktor komme dann aber auch noch die hochinfektiöse Delta-Variante hinzu, sagt Bogdan.
Mit Blick auf die aufkeimende Diskussion, ob folglich eine zweite Impfdosis empfohlen oder vorgeschrieben werden müsste, erklärt Christian Bogdan, dass Johnson & Johnson aktuelle Studien zur Impfung mit dem Vakzin in einem Zwei-Dosen-Schema durchführe. Publizierte Ergebnisse in begutachteten Fachjournalen lägen aber noch nicht vor.
Dennoch: Immunologe Watzl stellt klar, dass der Johnson-&-Johnson-Impfstoff vor einer schweren Corona-Erkrankung sehr wohl schützt. Laut seinen Worten allerdings haben die Gesundheitsminister in Deutschland eine Empfehlung herausgegeben, dass alle mit dem Impfstoff von Johnson-&-Johnson (und auch Astrazeneca) geimpften Menschen nach sechs Monaten mit einem mRNAImpfstoff geimpft werden. „Immunologisch macht das absolut Sinn, da wir bereits wissen, dass so eine Kreuzimpfung wunderbar funktioniert und einen sehr guten Schutz gibt“, so Watzl. Offiziell angeboten werden diese Auffrischungsimpfungen aber noch nicht.