Schwäbische Zeitung (Biberach)
Scholz weist Vorwürfe in Sachen Geldwäsche zurück
SPD-Kanzlerkandidat sagt vor dem Finanzausschuss persönlich aus
BERLIN - Die Hauptperson schlich sich durch die Hintertür in den Sitzungssaal E 400 im Bundestag. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte den wartenden Journalisten vor Beginn einer Sondersitzung des Finanzausschusses offenkundig entgehen. Dabei hatten weder Union noch Opposition wohl mit einem persönlichen Auftritt des Ministers gerechnet. Als Scholz schon da war, drohte die CDU-Abgeordnete Antje Tillmann noch mit einer Zwangsvorführung des Kanzlerkandidaten, in dem Sitzungsinhalte als „geheim“deklariert werden könnten. Das hätte eine alternativ geplante virtuelle Anhörung des Kanzlerkandidaten unmöglich gemacht. Doch letztlich sagte er Wahlkampfauftritte in Tübingen und Nürtingen ab und stand den Bundestagsabgeordneten persönlich Rede und Antwort.
Worum geht es?
Der Anti-Geldwäsche-Einheit FIU, die zum Zoll und damit zum Einflussbereich des Finanzministeriums gehört, wird schlechte Arbeit vorgeworfen. Sie soll Bankmeldungen über Millionenüberweisungen nach Afrika nicht oder zu spät an die Staatsanwaltschaft weitergleitet haben, weshalb der Verdacht der Terrorfinanzierung nicht nachverfolgt werden konnte. Auf der Suche nach den Verantwortlichen ließ die Staatsanwaltschaft Osnabrück auch das Bundesfinanzministerium durchsuchen, obwohl dort keine Beschuldigten sitzen. Pikant am Vorgehen der
Staatsanwaltschaft ist, dass der Chef der zuständigen Staatsanwaltschaft ebenso wie die zuständige Justizministerin in Niedersachsen der CDU angehören. Der SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe mutmaßt, dass die Union die Staatsanwaltschaft für ihren Wahlkampf missbrauche. Die Partei bestreitet diesen Vorwurf. Die FIU hat schon im Fall des Pleitekonzerns Wirecard versagt. Von 34 Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit Wirecard blieben nach Angaben des CSU-Abgeordneten Hans Michelbach 32 unbearbeitet. „Die Geldwäschebekämpfung ist ein Skandal.“
Brachte die Sondersitzung neue Erkenntnisse?
Es sei deutlich geworden, wie viele Baustellen es bei der Geldwäsche gebe, sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. Scholz betonte zwar erneut, wie wichtig ihm die Bekämpfung sei. Er habe das Personal der FIU von 160 auf 500 Mitarbeiter aufgestockt. Aber offenbar arbeiteten sie schlecht. Zwar haben sich die Verdachtsmeldungen bei der FIU von 2017 bis 2020 auf 144 000 mehr als verdoppelt. Aber die Zahl der Meldungen an die Staatsanwaltschaft sackte ab, zitierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“aus einer Studie.
In der polizeilichen Kriminalstatistik tauchten weiterhin nur etwa zehn Fälle pro Jahr auf. Scholz musste zugeben, dass er in den dreieinhalb Jahren im Amt kein einziges Mal mit dem Chef der FIU gesprochen, geschweige denn dass er die Behörde in Köln besucht hätte. Das Problem der Geldwäsche sei in den letzten Jahren unterschätzt worden, und dafür sei der Minister an erster Stelle verantwortlich, kritisierte der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk. Scholz zog sich immer auf die Position zurück, für operative Fragen bei der FIU sei er nicht zuständig.
Schützenhilfe bekam SPD-Kanzlerkandidat Scholz vom SPD-Abgeordneten Jens Zimmermann. Er schob Scholz Vorgänger Wolfgang Schäuble die Schuld in die Schuhe, der die FIU einst eingerichtet und ihr dabei keine größeren Ressourcen zugebilligt hat. „Er hat einen Scherbenhaufen hinterlassen“, sagt Zimmermann.
Gibt es neue Erkenntnisse zu Wirecard und zum Cum-Ex-Skandal? Auch in diesen Fällen hätten Aufsichtsbehörden, für die Scholz zuständig ist, ihren Job nicht gemacht, kritisierte die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hatte ihn im Triell am Sonntag aufgefordert, ein bisher geheim gehaltenes Sitzungsprotokoll der Finanzbehörden offenzulegen, was jedoch nicht geschah.
Noch immer beruft sich Scholz bei Gesprächen mit dem Chef der Warburg-Bank in seiner Zeit als Erster Bürgermeister in Hamburg auf Erinnerungslücken. Dabei geht es um Millionen-Steuernachforderungen, die der Bank zunächst erlassen wurden.