Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der Mann der tausend Karrieren
Der frühere Adidas-Besitzer Bernard Tapie stirbt mit 78 Jahren
PARIS - Er hatte zuletzt eine hohe, heisere Stimme. Mit eingefallenem Gesicht und grauen Haaren unterschied sich Bernard Tapie deutlich von dem dynamischen jungen Unternehmer mit der dunklen Haartolle, der in den 1980er-Jahren von den Medien zum „Mann des Jahres“gekürt worden war. Doch auch vom Krebs gezeichnet, meldete der Geschäftsmann sich weiter zu Wort. „Ich mache aus dem Tod kein absolutes Drama“, sagte er in einem seiner letzten TV-Interviews. Am Sonntag starb Tapie im Alter von 78 Jahren.
1943 als Sohn eines Arbeiters und einer Krankenpflegerin in einer ärmlichen Pariser Vorstadt geboren, liest sich die Biografie des Selfmademan wie ein Roman. Er war nicht nur Manager, sondern auch Sänger, Fernsehschauspieler, Theaterdarsteller. „Er hatte tausend Leben“, wie Präsident Emmanuel Macron in seinem Nachruf schreibt. Tapies erstes Geschäft war ein Fernsehladen, gefolgt von einer Box für Herzkranke, die damit im Falle eines Anfalls einen Krankenwagen rufen konnte. Doch schon mit diesem Projekt „Coeur Assistance“begannen die juristischen Probleme, die der Geschäftsmann bis zum Schluss nicht mehr los wurde. Auch wenn er gerne an dem Mythos strickte, dass stets andere an seinen Problemen schuld waren, so war Tapie doch die Verkörperung der kriminellen Schlitzohrigkeit. In den 1970erJahren übernahm er zu einem Spottpreis das Schloss des zentralafrikanischen Diktators Jean-Bédel Bokassa, dem er einredete, dass seine Güter ohnehin bald von der Justiz beschlagnahmt würden. Das Abenteuer
endete für den Unternehmer mit einer Geldstrafe von 100 000 Francs.
In den 1980er-Jahren kaufte Tapie dann für einen symbolischen Franc renommierte Firmen auf, die vor dem Bankrott standen. „So wurde das Imperium Tapie geboren, aus fast Nichts, aus einem verrückten Wagemut heraus, aus Tatendrang und einer Lust nach Abenteuern, die er fast alle gewann“, schwärmt Macron. Es war auch die Zeit, in der der Geschäftsmann, der zweimal verheiratet war und vier Kinder hatte, in den Radrennsport einstieg und Bernard Hinault sponserte. 1986 kaufte er für einen Franc den Fußballverein Olympique Marseille, der damals auf der Verliererstraße war. Tapie holte mehrere renommierte Spieler wie Eric Cantona in die Hafenstadt und brachte damit Olympique Marseille viermal den Meistertitel und 1993 die Champions League – als bisher einziger französischer Verein. „Durch Olympique Marseille verkörperte er einmal mehr das Frankreich, das gewinnt“, kommentierte die Zeitung „Le Monde“. Doch die Erfolge kamen nicht ganz sauber zustande: Wegen einer Schmiergeldaffäre wurde Tapie zu acht Monaten Haft verurteilt.
Parallel zu seinem sportlichen Engagement begann Tapie auch eine Karriere als Politiker. Der sozialistische Präsident François Mitterrand überzeugte ihn, 1988 in Marseille als Parlamentskandidat anzutreten. Ausgerechnet in der Hafenstadt, aus der auch der rechtsextreme JeanMarie Le Pen eine Bastion machen wollte. Die Auseinandersetzung mit Le Pens Front National wurde für Tapie ein weiterer, lebenslanger Kampf. Er holte nicht nur seinen Wahlkreis, sondern wies den FNChef auch in einem Fernsehduell in die Schranken.
1992 stieg Tapie in die Regierung ein und wurde für ein paar Monate Städtebauminister. Den Sportartikelhersteller Adidas, an dem er 1990 die Mehrheitsanteile gekauft hatte, verkaufte er 1993 wieder. Bei dem Verkauf über die Großbank Crédit Lyonnais sah er sich aber so stark benachteiligt, dass er Entschädigung verlangte. Die fiel 2008 durch einen Schiedsspruch mit mehr als 400 Millionen Euro so großzügig aus, dass er sich eine Villa in Saint-Tropez, eine Yacht und ein Flugzeug anschaffte. Als die Entschädigung 2017 wieder einkassiert wurde, mussten Yacht und Flugzeug verkauft werden. 2019 endete die Justizsaga mit einem Freispruch Tapies von den Vorwürfen des Betrugs und der Veruntreuung. Der Unternehmer hatte zu diesem Zeitpunkt schon Krebs, doch er erschien zu jedem Gerichtstermin. Sein legendärer Kampfgeist blieb bis zuletzt ungebrochen.