Schwäbische Zeitung (Biberach)
Freiburgs Missbrauchsgutachten erst im Herbst
Viele andere katholische Bistümer sind bereits weiter mit der Aufarbeitung
FREIBURG (dpa) - Ein lange erwartetes Gutachten der Freiburger Erzdiözese zu Fällen sexuellen Missbrauchs soll voraussichtlich am 25. Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Damit werde „ein erster und wesentlicher Schritt gegangen sein, um möglichst große Klarheit in diese dunklen Seiten der Geschichte der Erzdiözese zu bringen“, teilte der kommissarische Vorsitzende der Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese, Magnus Striet, mit.
Die Erzdiözese hatte schon einmal externe Fachleute eingesetzt, die anhand von Personalakten nach sexuellem Missbrauch forschten. Von Anfang 1946 bis Ende 2015 wurden so 190 Beschuldigte entdeckt, die meisten von ihnen Priester – und mindestens 442 Betroffene. Im Zuge der Diskussion hatte Erzbischof Stephan Burger seinem Vorgänger und früheren Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, vor ein paar Jahren Vorwürfe gemacht: Zollitsch habe als Personalreferent der Erzdiözese und später als Erzbischof Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen begangen, die er als heutiger Erzbischof nicht rechtfertigen könne.
Das Datum der Veröffentlichung des neuen Gutachtens liegt deutlich nach dem 102. Deutschen Katholikentag, bei dem es Ende Mai in Stuttgart auch darum gehen soll, wie eine externe Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche gelingen kann.
Die Freiburger Kommission will unmittelbar nach der Übergabe des Gutachtens Empfehlungen für die Erzdiözese erarbeiten, um über schon eingeleitete Maßnahmen hinaus systemisch bedingte Ursachen für Missbrauch zu beseitigen.
Erst seit Juli 2021 gibt es in der Erzdiözese einen Betroffenenbeirat für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Die katholische Kirche in Deutschland arbeitet seit Jahren Missbrauchsfälle auf. 2010 waren in einer ersten großen Welle zahlreiche Vergehen an Kindern und Jugendlichen ans Licht gekommen.
Andere Diözesen sind bei der Aufarbeitung weiter als die Freiburger. Das Erzbistum München und Freising etwa hatte im Januar ein aufsehenerregendes Gutachten vorgestellt, in dem es auch um den späteren Papst Benedikt XVI. ging. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wiederum hatte 2020 eine Krise im größten deutschen Bistum ausgelöst, als er entschied, ein Gutachten zum Umgang von Verantwortlichen mit Missbrauchsvorwürfen nicht zu veröffentlichen und dafür rechtliche Gründe angeführt hatte.
In Rottenburg-Stuttgart hat Bischof Gebhard Fürst, im Unterschied vor rund 20 Jahren, die Kommission sexueller Missbrauch berufen. Sie soll Verdachtsfälle untersuchen und aufklären. „2012 hat die Diözese in Ergänzung dazu, gleichfalls als erste in Deutschland, eine eigene Stabsstelle Prävention eingerichtet, die seitdem Tausende von kirchlichen Mitarbeitenden entsprechend geschult hat“, teilte ein Sprecher mit. An der Gründung eines Betroffenenbeirats werde gearbeitet.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Missbrauchsfälle und dem Umgang damit treten immer wieder Christen aus der Kirche aus. Die Erzdiözese Freiburg beispielsweise zählte Ende 2020 noch rund 1,76 Millionen Mitglieder – in etwa die Hälfte der Katholikinnen und Katholiken in Baden-Württemberg. Das war im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 35 827. Aktuellere Zahlen werden erst im Sommer erwartet.