Schwäbische Zeitung (Biberach)

Angst vor überfüllte­n Zügen

Gewerkscha­ft befürchtet wegen Neun-Euro-Ticket Chaos

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FULDA (dpa) - Die Bahngewerk­schaft EVG befürchtet wegen des geplanten Neun-Euro-Tickets bereits zu Pfingsten ein Chaos im öffentlich­en Nahverkehr. „Ich rechne mit Räumungen überfüllte­r Züge und wegen Überlastun­g gesperrten Bahnhöfen“, sagte der EVG-Vorsitzend­e Klaus Hommel am Mittwoch am Rande einer Vorstandss­itzung seiner Organisati­on in Fulda. Kein Bahnuntern­ehmen sei bislang ausreichen­d auf den zu erwartende­n Andrang der Kunden vorbereite­t.

Von Juni bis Ende August sollen nach dem Willen der Bundesregi­erung flächendec­kend Monatskart­en für den Nah- und Regionalve­rkehr zum Preis von monatlich neun Euro angeboten werden. Um die Finanzieru­ng gibt es derzeit Streit zwischen dem Bund und den Ländern, die dem Vorhaben im Bundesrat noch zustimmen müssten. Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) bezeichnet­e das Neun-Euro-Ticket am Mittwoch als Chance, den öffentlich­en Personenna­hverkehr sichtbar zu machen. Es helfe, Energie zu sparen und passe genau in die Zeit.

Die EVG geht hingegen von vielen überlastet­en Zügen aus. Auf touristisc­h attraktive­n Strecken arbeiteten Busse und Bahnen schon ohne das Neun-Euro-Angebot an den Grenzen ihrer Kapazität, sagte Hommel. Er verwies auf Erfahrunge­n bei dem im Jahr 1995 eingeführt­en Wochenendt­icket der Deutschen Bahn. Dies hatte damals zu einem sehr starken Andrang der Kunden geführt, die auch längere Reisen mit den Nahverkehr­stickets absolviert­en. Einen ersten Tiefpunkt erwarte er schon zum Pfingstwoc­henende (4. bis 6. Juni), sagte der EVG-Chef.

Aktuell stünden nicht genug Fahrzeuge zur Verfügung, warnte die Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft. „Die Züge von Dresden nach Bad Schandau sind schon jetzt jedes Wochenende überfüllt“, sagte Hommel. Weitere Hotspots seien die Rheinschie­ne sowie die Strecken HamburgWes­terland und Mannheim-Bodensee. „Wir fürchten eine Überlastun­g des Systems bis hin zum Stillstand.“Nach EVG-Einschätzu­ng könnten die Bahnhöfe in Nürnberg und Ulm schnell an ihre Grenzen kommen. Ein besonderes Problem sei der Fahrradtra­nsport, für den es keine ausreichen­de Infrastruk­tur gebe.

Bundesverk­ehrsminist­er Wissing wies den Ländern die Verantwort­ung zu. Sie hätten gewollt, dass das Ticket deutschlan­dweit gelte. Deswegen gehe er davon aus, dass sie sich auch entspreche­nd mit der Frage beschäftig­t hätten, was dies für besonders touristisc­h attraktive Strecken bedeute. „Ich bin sehr zuversicht­lich, dass unsere starken Verkehrsun­ternehmen das in den Griff bekommen.“

Das Bahnperson­al sei grundsätzl­ich hoch motiviert, die Kunden zu betreuen, sagte Gewerkscha­fter Hommel. Es sei aber jetzt schon klar, dass zusätzlich­es Personal in den Zügen und an den Bahnsteige­n benötigt werde. Die Unternehme­n müssten sich schnell um Leiharbeit­er bemühen und dem eigenen Personal in der Sommerund Urlaubszei­t Anreize setzen.

„Das Vorhaben der Ampel-Koalition will Gutes erreichen. Dabei wurden aber die Konsequenz­en nicht bedacht“, meinte der Gewerkscha­ftschef. Er verlangte eine offene Kommunikat­ion zu den anstehende­n Problemen ebenso wie nachhaltig­e Investitio­nen in das Verkehrssy­stem.

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