Schwäbische Zeitung (Biberach)
Eine lange Reise zu sich selbst
Der Schweizer Oliver Hösli erzählt in „Mit Aprikosen“von einer Reise nach Kirgistan
Unter Schweizer Autoren findet sich eine bemerkenswerte Zahl von Reisenden: Ulrich Bräker, der arme Mann im Toggenburg, Lina Bögeli, die in zehn Jahren um die Welt reiste,
Robert Walser, der
Spaziergänger,
Wanderer und
Marschierer oder der Berner Philosoph Peter Bieri, der – unter seinem
Künstlernamen
Pascal Mercier – mit dem „Nachtzug nach Lissabon“einen Welterfolg erzielt hat.
In dem gerade in der Edition Monhardt erschienenen Debüt-Roman „Mit Aprikosen“von Oliver Hösli trifft man nun auf einen Erzähler, der von der Schweiz nach Kirgistan reist. Am großen Salzsee Issyk-Kul begegnet er einer einheimischen Studentin und verliebt sich. Hösli, 1987 geboren, hat in Neuchatel Ethnologie studiert und an der Universität im kirgisischen Bischkek ein Praktikum absolviert. Er lebt heute mit seiner Familie in Kirgistan.
Zu Beginn des Buches ist viel die Rede von Natur und Umwelt und von der Idee eines genügsamen und selbstbestimmten Lebens. Man möchte den Erzähler für einen Vertreter jener Generation halten, deren Weltbild gerade mit dem Begriff der Zeitenwende demoliert wird. Der Roman findet eine autonome und poetische Sprachform und erweist sich als ein sorgfältig konstruiertes Buch. Die Schilderungen der Ferne sind frei von Folklore und Reiseliteratur-Kitsch.
In den folgenden Kapiteln ist der Held des Buches wechselweise zwischen Kirgistan und der Schweiz unterwegs, wo er – wie sein Autor – zeitweilig in einer Notunterkunft für Asylsuchende beschäftigt ist. In diesem Wechsel von Ferne und Heimat, der mehrfach gespiegelt und reflektiert wird, verortet Hösli dann sein zentrales Thema von Ethik und Identität auf überraschende Weise.
Oliver Hösli: Mit Aprikosen, Edition Monhardt, 140 Seiten, 25 Euro.