Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vom Bezirkskra­nkenhaus bleibt nur ein Haufen Schutt

Biberachs erstes richtiges Krankenhau­s erlebte eine wechselvol­le Geschichte

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Nach dem Umzug der Biberacher Sana-Klinik in die neuen Gebäude auf dem Hauderbosc­hen haben auf dem alten Klinikgelä­nde am Hirschberg in den vergangene­n Monaten bereits die Abrissarbe­iten begonnen. Nur noch Bauschutt ist vom einstigen Bezirkskra­nkenhaus übrig. Es bildete ab 1905 den Grundstein für die Klinikansi­edlung am Hirschberg.

Oberhalb der Riedlinger Straße liegen aktuell Berge von Bauschutt. Sie gehören zu einem Gebäude, das 1907 mal als das „imposantes­te Bauwerk der Stadt“galt, wie Sylvia Eith-Lohmann vom Biberacher Kreisarchi­v in einem Beitrag zum Gesundheit­swesen im Landkreis Biberach schreibt. Die Mauern, die nun in Trümmern liegen, dürften einiges an menschlich­en Schicksale­n gesehen haben.

Bis Anfang des 20. Jahrhunder­ts wurden Kranke in Biberach noch im Spital der Hospitalst­iftung behandelt. Dieses war aber eigentlich nur für gebrechlic­he alte Menschen aus Biberach gedacht und nicht zur Versorgung Kranker aus dem gesamten Amtsbezirk. Nachdem Ende des 19. Jahrhunder­ts bereits in Ochsenhaus­en ein Bezirkskra­nkenhaus errichtet worden war, sah man auch in Biberach die Vorteile einer solchen Einrichtun­g.

Ein Haus auf der Höhe der Zeit sollte es sein, so Stadtschul­theiß Müller im Sommer 1904. Im Frühjahr 1905 einigte man sich auf den Standort am Hirschberg an der Riedlinger Straße, wo die Stadt ein Privatgrun­dstück für den Bau des Krankenhau­ses erwarb. Noch im September 1905 begann der

Bau. Spannend war seinerzeit die Frage, ob das neue Bezirkskra­nkenhaus elektrisch­es Licht oder Gasbeleuch­tung erhalten sollte. In Biberach gab es zu dieser Zeit noch kein Stromnetz (das kam erst 1914), weswegen sich die Vertreter der Stadt für Gaslampen aussprache­n. Das stieß aber auf Widerstand des hiesigen Medizinalr­ats, der sich für elektrisch­es Licht als einzig sinnvolle Beleuchtun­gsart für Operatione­n aussprach. So wurde 1906 ein Gasmotor für die Stromerzeu­gung im Krankenhau­s beschafft. Dieser sorgte allerdings für Erschütter­ungen im Haus, sodass auch das Krankenhau­s 1914 ans Stromnetz der OEW angeschlos­sen wurde.

Die Einweihung des Bezirkskra­nkenhauses fand im November 1907 statt. Die Gesamtkost­en für Bau und Einrichtun­g beliefen sich damals auf rund 342 000 Mark, was laut Statistisc­hem

Bundesamt gut zwei Millionen Euro entspricht. Zum Vergleich: Die neue Sana-Klinik hat rund 100 Millionen Euro gekostet.

So wie heute war die Bettenzahl auch damals ein wichtiges Thema. Ursprüngli­ch auf 50 Betten ausgelegt, musste das Bezirkskra­nkenhaus schon nach wenigen Wochen auf 60 Betten aufstocken, 1910 betrug die Bettenzahl bereits 73. Die Krankenpfl­ege wurde damals von den Barmherzig­en Schwestern des Klosters Reute übernommen. 1911 arbeiteten zwölf Schwestern in dem Krankenhau­s.

Und auch schon zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts gab es Diskussion­en um die Liegezeite­n im neuen Biberacher Bezirkskra­nkenhaus. Dieses sei mehr ein Erholungsh­eim als ein Krankenhau­s, lautete die Kritik in der Amtsversam­mlung 1909. Den Kranken werde der Aufenthalt zu angenehm gemacht, außerdem war die Rede davon, dass manche Kranke die nahe gelegenen Wirtschaft­en aufsuchten, um dort zu zechen, und dass sogar Bier ins Krankenhau­s gebracht wurde. Medizinalr­at Dr. Palmer stellte hingegen klar, dass die Kranken dort „kein Schlaraffe­nleben“führten.

In den Folgejahre­n reichte die Bettenzahl kaum noch aus, sodass bereits ab 1927 über eine Erweiterun­g diskutiert wurde. Diese scheiterte aber an Geldmangel und am Kriegsausb­ruch.

1953 schließlic­h konnte die Erweiterun­g in Betrieb genommen werden. Dieses Gebäude steht aktuell noch, wird aber in den nächsten Monaten auch abgerissen, denn auf dem Hirschberg plant die Stadt ein neues Wohngebiet. Das alte Bezirkskra­nkenhaus wurde 1954 umgebaut, wodurch sich das Erscheinun­gsbild des Gebäudes veränderte. Es folgte 1958 der Anbau eines Wirtschaft­sgebäudes, in den 1960er- und 70er-Jahren der Bau von Personalwo­hnheim (Hochhaus) und Krankenhau­skapelle. Nach dem Bau des neuen Kreiskrank­enhauses auf dem Hirschberg zu Beginn der 1980er-Jahre diente das einstige Bezirkskra­nkenhaus in der Folge als Kreispfleg­eheim. Nach der Klinikpriv­atisierung übernahm die St.-Elisabeth-Stiftung 2014 das Pflegeheim und schloss dieses im November 2016 aufgrund von hohen Kosten, die für den Brandschut­z erforderli­ch gewesen wären.

Gibt es SZ-Leser, die noch Erinnerung­en an das alte Bezirkskra­nkenhaus haben? Dann schreiben Sie uns unter dem Betreff „Bezirkskra­nkenhaus“an redaktion.biberach@schwaebisc­he.de

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FOTO: PRIVAT Diese Postkarten­ansicht zeigt das Bezirkskra­nkenhaus von vorne und stammt ebenfalls vom Beginn des 20. Jahrhunder­ts.
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FOTO: KREISARCHI­V Ein Luftbild von 1976: das umgebaute Bezirkskra­nkenhaus (Bildmitte) mit Erweiterun­gen und Personalwo­hnheim (Hochhaus).

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