Schwäbische Zeitung (Biberach)
Abtauchen ins Urmeer
Im Urwelt-Museum Bodman am Untersee sind seltene Fossilien zu entdecken
Wsie● enn noch einmal die Augen öffnen könnten, der stattliche Plesiosaurier etwa oder das kleine Meereskrokodil, was würden sie wohl denken? Staunen würden sie vermutlich, und das nicht schlecht: Das ganze schöne Urmeer, ihre Heimat – alles weg! Und mit ihm all die alten Mitbewohner, von den Ammoniten und Fischen bis zu den Delfinen der Urzeit, den Ichthyosauriern – keiner mehr am Leben. Was kann denn nur passiert sein?
Stattdessen plätschert da draußen noch etwas Wasser in einer Pfütze, die sie Bodensee nennen. Und drumherum wuseln merkwürdige Lebewesen auf zwei Beinen, die statt Schuppen bunte Shorts tragen und entweder lustige Drahtgestelle mit Rädern steuern oder mit allerlei Gerätschaften im Wasser herumpaddeln. Kaum ist man mal 180 Millionen Jährchen abgetaucht, schon steht die ganze Welt Kopf!
Wahrscheinlich würden die Geschöpfe aus jenen unvorstellbar weit entfernten Zeiten erschöpft die Augen wieder schließen und auf ihren Schieferplatten lieber von damals träumen, von der guten alten JuraZeit. Und das Staunen würden sie den Besuchern überlassen, die heute zwischen den Vitrinen im UrweltMuseum Bodman umhergehen und sich die seltenen, teils meterlangen Fossilien anschauen, die so meisterhaft präpariert sind.
Erst im vergangenen Sommer ist das kleine Museum am Bodensee eröffnet worden, mitten in der Pandemie. Am Anfang sei es schwierig gewesen, aber „so langsam spricht es sich herum“, sagt Birgit Hunger, die die Ausstellung betreut.
Würden nicht überall Schilder mahnen „Bitte nicht berühren“, wären wohl nicht nur die kleinen Museumsgäste
versucht, die wie Kunstwerke aus der Urzeit wirkenden Exponate anzufassen. Vielleicht nur ein bisschen an dieser Flosse oder jenem Schnabel. Aber das würde die aufwendige Arbeit des Präparators, die ebenfalls dokumentiert ist, vermutlich beschädigen. Um ein Bild davon zu bekommen, wie die skelettierten Tiere einst wohl ausgesehen haben, hängen große Bildschirme zwischen den Vitrinen. Für Kinder gibt es außerdem im Erdgeschoss ein Sandbett, in dem ein Dinosaurier ausgegraben werden kann, und ein Minikino mit Informationsfilmen.
Neben den großen Ausstellungsstücken, unter anderem ein seltener Steneosaurier, der knapp fünf Meter
lang ist und Seelilien, die ebenfalls fast eine ganze Wand bedecken, gibt es auch kleinere, filigrane Exponate, wie etwa die hübschen, schneckenförmigen Ammoniten, die nicht minder beeindruckend sind.
Alle Stücke stammen aus dem Urwelt-Museum in Holzmaden, wo die Familie Hauff bereits seit Generationen die Fossilien, die am Fuße der Schwäbischen Alb bis heute nahe der Erdoberfläche gefunden und präpariert werden, der Öffentlichkeit zugänglich macht. Am Bodensee selbst wäre es wohl schwierig, derartige Stücke zu finden, erklärt Birgit Hunger, da die Tiere aus der Jura-Zeit hier Tausende Meter unter der Erdoberfläche ruhen.
Wer nicht ganz so weit in die Vergangenheit zurückreisen will, ist im Urwelt-Museum, das nicht weit vom Ufer umgeben von Wohnhäusern steht, dennoch an der richtigen Adresse. Denn die paläontologische Ausstellung ist im renovierten alten Schlosstorkel der gräflichen Familie von und zu Bodman untergebracht. Das mächtige Gebäude war errichtet worden, um der riesigen alten Baumkelter aus dem 17. Jahrhundert Schutz zu geben, die noch heute das Erdgeschoss dominiert. Weitere Relikte aus dem Weinbau wie Fässer und Bottiche beweisen, dass der fruchtbare Landstrich am Untersee schon immer ein gesegnetes Stückchen Erde war, auch ohne Urmeer.