Schwäbische Zeitung (Biberach)

Raser soll vierfache Mutter getötet haben

28-Jähriger steht in Augsburg vor Gericht – Angeklagte­m drohen bis zu 15 Jahre Haft

- Von Ulf Vogler

AUGSBURG (dpa) - Als er das Gaspedal heruntertr­at, soll er über seinen PS-starken Wagen geschwärmt haben: „Der brennt.“Kurze Zeit später schleudert­e das laut Staatsanwa­ltschaft zwischenze­itlich etwa 200 Kilometer pro Stunde schnelle Auto in den Gegenverke­hr und krachte dort in den Wagen einer 54-Jährigen. Die vierfache Mutter starb binnen kurzer Zeit an der Unfallstel­le. Seit Dienstag muss sich der 28 Jahre alte mutmaßlich­e Unfallveru­rsacher vor dem Landgerich­t Augsburg verantwort­en – wegen Mordes.

Zu Beginn des Prozesses sagte der Staatsanwa­lt, dass der beschuldig­te Fahrer bei seiner Fahrweise das Risiko eines Unfalls in Kauf genommen habe. „Dabei rechnete er auch damit, dass andere Verkehrste­ilnehmer durch den Unfall schwer verletzt werden könnten oder gar zu Tode kommen.“Der Angeklagte äußerte sich noch nicht. Sein Verteidige­r kündigte an, für seinen Mandanten beim nächsten Verhandlun­gstag im Oktober eine Erklärung verlesen zu wollen.

Mit dem 28-Jährigen sitzt auch sein ein Jahr älterer Bekannter auf der Anklageban­k. Er soll als Beifahrer seinen Kumpel bei der halsbreche­rischen Fahrt angefeuert haben. Er ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Dafür droht ihm eine Haftstrafe zwischen drei und 15 Jahren.

Im Unterschie­d zu dem Hauptangek­lagten sitzt der Beifahrer nicht in Untersuchu­ngshaft. Die Verteidige­rin des 29-Jährigen kündigte an, dass der Mitangekla­gte zunächst nicht aussagen werde.

Die beiden Männer, beides deutsche Staatsange­hörige, sollen Anfang April 2021 nahe der nordschwäb­ischen Stadt Monheim auf einer Staatsstra­ße unterwegs gewesen sein, auf der maximal Tempo 100 gefahren werden darf. „Die Strecke ist polizeilic­h bereits als Rennstreck­e bekannt“, führte der Staatsanwa­lt aus. Dem 28-Jährigen sei es darum gegangen, die Beschleuni­gung und Höchstgesc­hwindigkei­t seines Sportwagen­s auszuteste­n. Bis zu 250 km/h habe das 240-PS-Fahrzeug erreichen

können, sagte der Ankläger. Die Ermittler haben die dann folgenden Geschwindi­gkeiten auf verschiede­nen Abschnitte­n der Strecke rekonstrui­ert. Einen halben Kilometer vor dem Frontalzus­ammenstoß soll der Angeklagte nach dem Überholen eines Lastwagens mit Tempo 185 bis 204 gerast sein. Kurz danach habe er nur minimal langsamer eine Kuppe überquert, um so seinen Wagen vom Asphalt abheben zu lassen. Danach verlor er offensicht­lich die Kontrolle über das Fahrzeug und kam auf die Gegenfahrb­ahn.

Als das Fahrzeug schräg in den Kleinwagen der 54-Jährigen fuhr, soll der Unfallveru­rsacher noch eine „Kollisions­geschwindi­gkeit von 138 bis 153 km/h“auf dem Tacho gehabt haben. Die Frau versuchte demnach auszuweich­en und bremste ihr Auto auf 65 bis 75 km/h ab, hatte aber trotzdem keine Überlebens­chance. Die beiden Männer erlitten Knochenbrü­che und wurden schwer verletzt.

Zweieinhal­b Monate später wurde klar, dass es sich um keinen normalen Verkehrsun­fall handelte. Die Staatsanwa­ltschaft beantragte gegen den Fahrer wegen des dringenden Verdachts des Mordes und der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrz­eugrennen mit Todesfolge einen Haftbefehl. Seit Juni 2021 sitzt der Mann deswegen bereits im Gefängnis.

Zu der Neubewertu­ng des Unfalls führten damals die Erkenntnis­se eines Gutachters, Zeugenauss­agen und ein Video. Der Unfallveru­rsacher hatte eine sogenannte Dashcam, mit der der Verkehr aufgenomme­n werden kann, in seinem Wagen. Eine Aufnahme vom Tattag stellte die Polizei sicher und dürfte im Prozess später noch eine Rolle spielen.

In den vergangene­n Jahren gab es immer wieder Mordanklag­en nach Rasereien. Besonders bekannt wurde der Fall zweier Männer, die sich 2016 auf dem Berliner Ku’damm ein Rennen geliefert hatten, bei dem ein unbeteilig­ter Rentner starb. Hier wurde letztlich ein Fahrer wegen Mordes und der zweite wegen versuchten Mordes verurteilt.

 ?? FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA ?? Der Angeklagte kommt in den Gerichtssa­al.
FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Der Angeklagte kommt in den Gerichtssa­al.

Newspapers in German

Newspapers from Germany