Schwäbische Zeitung (Biberach)
Corona-Regeln werden in Süddeutschland nicht verschärft
Bayern und Baden-Württemberg behalten Status bei – Vier Bundesländer fordern Ende der Isolationspflicht
(dpa) - Trotz deutlich steigender Infektionszahlen will Baden-Württemberg seine Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie nicht verschärfen. Das Kabinett beschloss am Dienstag in Stuttgart eine neue Corona-Verordnung, nach der die derzeit im Land geltenden Regelungen ab Oktober weitgehend beibehalten und lediglich an das neue Infektionsschutzgesetz des Bundes angepasst werden. Demnach wird es im Südwesten vorerst keine Maskenpflicht in Restaurants und Geschäften geben. Auch in Bayern bleibt einenhalb Wochen nach Start des Oktoberfests trotz massiv steigender Infektionszahlen vorerst alles beim Alten. Die bisher bestehenden Maßnahmen – darunter die Maskenpflicht im öffentlichen Personenverkehr sowie in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen – blieben bestehen, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach einer Sitzung des Kabinetts. Er appellierte an die Bevölkerung, ihren Impfstatus aktuell zu halten.
Südwest-Landesgesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) hatte vor Kurzem weitere Regeln in Aussicht gestellt, sollte sich die Infektionslage im Herbst und Winter erheblich verschlechtern. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 273,6 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner, in der Vorwoche noch bei 187,1.
In Deutschland gelten im Herbst und Winter wieder bestimmte Maskenund Testpflichten gegen Corona. Dies sehen neue Regeln des Bundes
zum Umgang mit der Pandemie vor. Bundesweit gilt eine Maskenpflicht in Fernzügen, Kliniken und Arztpraxen. Die Länder können auch in Restaurants und anderen Innenräumen wieder das Tragen von Masken vorgeben. Lockdowns, Betriebsoder Schulschließungen soll es nicht mehr geben.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart, die Bundesregierung habe das nun in die Hand genommen. „Für strategische Fragen ist sie jetzt selber zuständig“, so der Regierungschef. Man sei im Übergang von der Pandemie zur Endemie – in dem Maße gehe die Verantwortung an die Bürger zurück. Man werde sehen, wie sich die Lage entwickle. Ähnlich argumentierte Lucha hinsichtlich der Isolationspflicht für Corona-Infizierte:
„Wir sollten nach und nach in den Modus kommen, eine Corona-Infektion wie eine andere Infektionskrankheit zu behandeln, bei der gilt: Wer krank ist, bleibt zu Hause.“Man müsse auf mehr Eigenverantwortung setzen und den Menschen nicht mehr fünf Tage Absonderungspflicht vorschreiben.
Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein forderten Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag in einem gemeinsamen Schreiben auf, dafür zu sorgen, dass das RobertKoch-Institut (RKI) die Regeln zur Isolation nun schnell ändert. Der Brief liegt der Deutschen PresseAgentur vor.
Die vier Länder erwarten von Lauterbach, dass er spätestens bis zum 10. Oktober tätig wird. Sie verweisen in ihrem Brief auf Österreich, wo die Absonderungspflicht seit dem 1. August durch eine sogenannte „Verkehrsbeschränkung“ersetzt worden ist. Dort müssen Infizierte zehn Tage lang an den meisten Orten eine FFP2-Maske tragen, sie dürfen jedoch keine Pflegeheime und Kliniken besuchen. Sie können aber an ihren Arbeitsplatz. „Das Ende der Isolationspflicht hat in Österreich zu keinem relevanten Anstieg der gemeldeten Fälle geführt“, schreiben die vier Gesundheitsminister in ihrem Brief.
Sie argumentieren, ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland sei immunisiert, entweder durch Impfungen oder durch Infektionen. Auch die Kliniken seien in der Lage, mit Corona umzugehen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte, er habe den Bund schon vor Monaten zum Handeln aufgefordert. „Jetzt muss Lauterbach endlich aktiv werden.“Den CSU-Politiker treibt genauso wie seinen hessischen Kollegen Kai Klose (Grüne) die Sorge um, dass es sonst Probleme bei der sogenannten kritischen Infrastruktur geben könnte, wenn etwa Pflegekräfte und Polizisten ausfallen würden.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Dienstagmorgen mit 334,9 angegeben. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 5 Uhr wiedergeben. Am Vortag hatte der Wert der CoronaNeuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche bei 293,6 gelegen.