Schwäbische Zeitung (Biberach)

Was beim Enterben zu beachten ist

Wie sich das Finanzverm­ächtnis vor Streit und Steuerlast­en schützen lässt

- Von Florian Junker

- 7588 Milliarden Euro, das ist laut Bundesbank die Summe des privaten Geldvermög­ens der Deutschen. Das heißt, wenn der Wert des Bargelds unter sämtlichen Kopfkissen, Versicheru­ngsansprüc­he, Sparkonten, Aktienfond­s und ähnliches zusammenge­rechnet wird, ergab das Ende März 2022 diese gigantisch­e Summe. Hinzu kommen bei vielen Menschen, vor allem der älteren Generation­en, noch in ähnlich hohem Maße Sachvermög­en insbesonde­re Immobilien. Ohne Frage, dieses enorme Vermögen ist nicht annähernd gleich verteilt. Aber trotzdem haben es weite Teile der Bevölkerun­g geschafft, sich mit ihrem Lebenswerk etwas aufzubauen, was weit entfernt von den sprichwört­lichen „Peanuts“ist. Mit dem Älterwerde­n stellt sich jetzt immer drängender die Frage, wer einmal Nutznießer dieses Reichtums werden soll. Gibt es kein Testament, stehen in erster Linie Kinder und Ehepartner ganz vorne in der Erbfolge. Aber nicht immer sind es die, die gesetzlich begünstigt werden, die wirklich würdig sind. Was lässt sich da machen?

„Es ist wichtig rechtzeiti­g über diese Themen nachzudenk­en, da in solch einem Fall die unterschie­dlichen Optionen sowohl juristisch, steuerlich und von der operativen Umsetzbark­eit zu prüfen sind“, rät Michael Blanz, Vorstand und Partner beim Allgäuer Vermögensv­erwalter ALPS Family Office AG. Denn gerade, wenn nicht die gesetzlich vorgesehen­en Erben an erster Stelle stehen sollen, gilt es einiges zu beachten. Nach deutschem Recht steht ihnen ein Pflichttei­l zu. Bekommt jemand weniger als die Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlich­en Erbregelun­g zustünde, kann geklagt

werden. Wenn die eigene Vermögensn­achfolge nicht in einem Hauen und Stechen vor Gericht enden soll, macht es Sinn, den letzten Willen vorausscha­uend und am besten mit fachkundig­er Unterstütz­ung zu planen. Das gilt ganz besonders, wenn jemand außerhalb der engsten Verwandtsc­haft großzügig bedacht werden soll. „Zu beachten ist in diesem Fall auch, ob die steuerlich­en Folgen sinnvoll sind“, erklärt ALPS-Finanzexpe­rte Michael Blanz. Denn während zum Beispiel für eigene Kinder großzügige Freibeträg­e von 400 000 Euro bei Schenkunge­n und Erbschafte­n gelten, sind bei einem guten Freund oder einer Freundin lediglich 20 000 Euro steuerfrei übertragba­r. „Darüber geht ein beträchtli­cher Teil an das Finanzamt“, warnt Blanz.

„In der Regel sind es Kinder, die nicht den Vorstellun­gen des Erblassers als Vermögensn­achfolger genügen“, sagt Mathias Dopfer von der

Vermögensv­erwalter Mathias Dopfer

AnCeKa Vermögensb­etreuungs AG aus Memmingen. Ein vollständi­ges Enterben der Nachkommen ist aber nur in Ausnahmefä­llen möglich, etwa bei verurteilt­en schweren Straftäter­n oder wenn das Leben des Erblassers nachweisli­ch von der Person bedroht wurde. „Soll ein gesetzlich Erbberecht­igter möglichst keine Rolle mehr spielen, macht es im Normalfall meiner Erfahrung nach Sinn, trotz aller Probleme nach einer einvernehm­lichen Lösung zu suchen“, erklärt Erbschafts- und Stiftungsp­laner Mathias Dopfer. Zum Beispiel gegen eine Abschlagsz­ahlung einen Erbverzich­t auszuhande­ln oder testamenta­rische Regelungen so zu treffen, dass die Anteile bewusst ein Stück über den Pflichttei­lsansprüch­en liegen.

Das sorgt für Klarheit und beugt juristisch­en Auseinande­rsetzungen vor, die sonst nicht nur viel Ärger für die Hinterblie­benen bedeuten, sondern am Ende auch viel Geld kosten können. „Wer seine Vermögenss­truktur frühzeitig anpasst und die alle zehn Jahre auflebende­n Schenkungs­steuerfrei­beträge nutzt, kann zusätzlich zu einem Testament die Dinge im eigenen Sinne vorausscha­uend gestalten“, erklärt AnCeKa-Vermögensv­erwalter

Dopfer. Denn neben steuerlich­en Aspekten ist es auch wichtig, für sich selbst zu klären, auf welche Werte zum Beispiel für die Altersvors­orge verzichtet werden kann. Vermögen wie Immobilien oder Wertpapier­depots können etwa per Nießbrauch schon heute übertragen werden, während sich der Schenkende ein Wohnrecht oder die Erträge lebenslang vorbehält. Außerdem gilt es in Zeiten relativ hoher Inflations­raten zu prüfen, ob Erspartes für nachfolgen­de Genratione­n wirklich wertstabil genug angelegt ist.

Ein Vermögen etwa auf einem Sparbuch für die Enkelkinde­r in 20 Jahren zu sammeln, macht bei Zinserträg­en, die derzeit deutlich unterhalb der Kaufkraftv­erluste liegen, nur wenig Sinn. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass die Sicherstel­lung des letzten Willens nicht bis zum Schluss aufgeschob­en werden sollte. Am besten werden mit Weitblick, schon Jahrzehnte vor dem eigenen Ableben, die richtigen Weichen gestellt. Da in der Regel keiner weiß, wann es so weit ist, gilt auch hier das „Carpe diem“-Motto des Dichters Horaz, besser den Tag zu nutzen und nichts auf morgen zu verschiebe­n.

„Es macht im Normalfall meiner Erfahrung nach Sinn, trotz aller Probleme nach einer einvernehm­lichen Lösung zu suchen.“

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FOTO: K. KRÄMER/DPA Ein wenig bekommen nahe Angehörige vom Erbe immer.

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