Schwäbische Zeitung (Biberach)
Was beim Enterben zu beachten ist
Wie sich das Finanzvermächtnis vor Streit und Steuerlasten schützen lässt
- 7588 Milliarden Euro, das ist laut Bundesbank die Summe des privaten Geldvermögens der Deutschen. Das heißt, wenn der Wert des Bargelds unter sämtlichen Kopfkissen, Versicherungsansprüche, Sparkonten, Aktienfonds und ähnliches zusammengerechnet wird, ergab das Ende März 2022 diese gigantische Summe. Hinzu kommen bei vielen Menschen, vor allem der älteren Generationen, noch in ähnlich hohem Maße Sachvermögen insbesondere Immobilien. Ohne Frage, dieses enorme Vermögen ist nicht annähernd gleich verteilt. Aber trotzdem haben es weite Teile der Bevölkerung geschafft, sich mit ihrem Lebenswerk etwas aufzubauen, was weit entfernt von den sprichwörtlichen „Peanuts“ist. Mit dem Älterwerden stellt sich jetzt immer drängender die Frage, wer einmal Nutznießer dieses Reichtums werden soll. Gibt es kein Testament, stehen in erster Linie Kinder und Ehepartner ganz vorne in der Erbfolge. Aber nicht immer sind es die, die gesetzlich begünstigt werden, die wirklich würdig sind. Was lässt sich da machen?
„Es ist wichtig rechtzeitig über diese Themen nachzudenken, da in solch einem Fall die unterschiedlichen Optionen sowohl juristisch, steuerlich und von der operativen Umsetzbarkeit zu prüfen sind“, rät Michael Blanz, Vorstand und Partner beim Allgäuer Vermögensverwalter ALPS Family Office AG. Denn gerade, wenn nicht die gesetzlich vorgesehenen Erben an erster Stelle stehen sollen, gilt es einiges zu beachten. Nach deutschem Recht steht ihnen ein Pflichtteil zu. Bekommt jemand weniger als die Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlichen Erbregelung zustünde, kann geklagt
werden. Wenn die eigene Vermögensnachfolge nicht in einem Hauen und Stechen vor Gericht enden soll, macht es Sinn, den letzten Willen vorausschauend und am besten mit fachkundiger Unterstützung zu planen. Das gilt ganz besonders, wenn jemand außerhalb der engsten Verwandtschaft großzügig bedacht werden soll. „Zu beachten ist in diesem Fall auch, ob die steuerlichen Folgen sinnvoll sind“, erklärt ALPS-Finanzexperte Michael Blanz. Denn während zum Beispiel für eigene Kinder großzügige Freibeträge von 400 000 Euro bei Schenkungen und Erbschaften gelten, sind bei einem guten Freund oder einer Freundin lediglich 20 000 Euro steuerfrei übertragbar. „Darüber geht ein beträchtlicher Teil an das Finanzamt“, warnt Blanz.
„In der Regel sind es Kinder, die nicht den Vorstellungen des Erblassers als Vermögensnachfolger genügen“, sagt Mathias Dopfer von der
Vermögensverwalter Mathias Dopfer
AnCeKa Vermögensbetreuungs AG aus Memmingen. Ein vollständiges Enterben der Nachkommen ist aber nur in Ausnahmefällen möglich, etwa bei verurteilten schweren Straftätern oder wenn das Leben des Erblassers nachweislich von der Person bedroht wurde. „Soll ein gesetzlich Erbberechtigter möglichst keine Rolle mehr spielen, macht es im Normalfall meiner Erfahrung nach Sinn, trotz aller Probleme nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen“, erklärt Erbschafts- und Stiftungsplaner Mathias Dopfer. Zum Beispiel gegen eine Abschlagszahlung einen Erbverzicht auszuhandeln oder testamentarische Regelungen so zu treffen, dass die Anteile bewusst ein Stück über den Pflichtteilsansprüchen liegen.
Das sorgt für Klarheit und beugt juristischen Auseinandersetzungen vor, die sonst nicht nur viel Ärger für die Hinterbliebenen bedeuten, sondern am Ende auch viel Geld kosten können. „Wer seine Vermögensstruktur frühzeitig anpasst und die alle zehn Jahre auflebenden Schenkungssteuerfreibeträge nutzt, kann zusätzlich zu einem Testament die Dinge im eigenen Sinne vorausschauend gestalten“, erklärt AnCeKa-Vermögensverwalter
Dopfer. Denn neben steuerlichen Aspekten ist es auch wichtig, für sich selbst zu klären, auf welche Werte zum Beispiel für die Altersvorsorge verzichtet werden kann. Vermögen wie Immobilien oder Wertpapierdepots können etwa per Nießbrauch schon heute übertragen werden, während sich der Schenkende ein Wohnrecht oder die Erträge lebenslang vorbehält. Außerdem gilt es in Zeiten relativ hoher Inflationsraten zu prüfen, ob Erspartes für nachfolgende Genrationen wirklich wertstabil genug angelegt ist.
Ein Vermögen etwa auf einem Sparbuch für die Enkelkinder in 20 Jahren zu sammeln, macht bei Zinserträgen, die derzeit deutlich unterhalb der Kaufkraftverluste liegen, nur wenig Sinn. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass die Sicherstellung des letzten Willens nicht bis zum Schluss aufgeschoben werden sollte. Am besten werden mit Weitblick, schon Jahrzehnte vor dem eigenen Ableben, die richtigen Weichen gestellt. Da in der Regel keiner weiß, wann es so weit ist, gilt auch hier das „Carpe diem“-Motto des Dichters Horaz, besser den Tag zu nutzen und nichts auf morgen zu verschieben.
„Es macht im Normalfall meiner Erfahrung nach Sinn, trotz aller Probleme nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen.“