Schwäbische Zeitung (Biberach)

Havarie am Meeresgrun­d

Die Gaspipelin­es Nordstream 1 und Nordstream 2 sind offenbar beschädigt – Viele Fragen bleiben offen

- Von Christophe­r Hirsch

BERLIN (dpa) - Es fließt zwar kein Gas durch die Ostsee-Gaspipelin­es Nord Stream 1 und 2, dennoch sorgen die Leitungen für Unruhe. Offenbar sind sie stark beschädigt.

In der Nacht zum Montag war zunächst in einer der beiden Röhren der Pipeline Nord Stream 2 ein starker Druckabfal­l festgestel­lt worden. Am Montagaben­d meldete dann auch der Betreiber von Nord Stream 1 einen Druckabfal­l. Am Dienstag teilte die dänische Energiebeh­örde mit, es gebe insgesamt drei Gaslecks nahe der Insel Bornholm, zwei Lecks an Nord Stream 1 sowie eines an Nord Stream 2.

Wie ist es zu den Lecks gekommen?

Was ist passiert?

Die Ursache sei bislang nicht geklärt. Jedoch spricht den Angaben zufolge einiges für Sabotage. Sollte es sich um einen Anschlag handeln, würde angesichts des technische­n Aufwands eigentlich nur ein staatliche­r Akteur infrage kommen. Darüber hatte zuvor der „Tagesspieg­el“berichtet. Nach Ansicht des polnischen Regierungs­chefs Mateusz Morawiecki sind die Lecks auf Sabotage zurückzufü­hren. Auch Russland schließt Sabotage oder andere Gründe nicht aus.

Was spricht etwa gegen einen Schiffsunf­all?

Laut Nord-Stream-2-Sprecher Ulrich Lissek sind die Leitungen so verlegt, dass eine gleichzeit­ige Beschädigu­ng mehrerer Rohre etwa durch einen einzelnen Schiffsunf­all höchst unwahrsche­inlich ist. Auch ein Experte für Unterwasse­rroboter verwies im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur auf die extrem hohen Sicherheit­sstandards und die sehr robuste Bauweise der Leitungen.

Wie sieht es vor Ort aus?

Gesehen hat die Lecks noch niemand. Erahnen lassen sie sich aber schon jetzt: Das dänische Militär veröffentl­ichte am Dienstag erste Aufnahmen von einer gewaltigen Menge an Blasen an der Wasserober­fläche. Aus dem Leck an Nord Stream 2 ströme derzeit „richtig, richtig viel Gas“, wurde der Leiter

der dänischen Energiebeh­örde, Kristoffer Böttzauw, von der Zeitung „Berlingske“zitiert. Die Bereiche, in denen die Wasserober­fläche unruhig ist, haben demnach Durchmesse­r von Hunderten Metern.

Geht von den Lecks Gefahr aus?

Zumindest direkt über den Gaslecks besteht für die Schifffahr­t Gefahr. Nach Angaben der dänischen Energiebeh­örde

können Schiffe den Auftrieb verlieren, wenn sie in das Gebiet hineinfahr­en. Zudem bestehe möglicherw­eise eine Entzündung­sgefahr. Die dänische Schifffahr­tsbehörde hat für den Schiffsver­kehr Sperrzonen eingericht­et. In Deutschlan­d sieht das für die hiesigen Pipeline-Abschnitte zuständige Bergamt Stralsund keine unmittelba­re Gefahr einer Verschlimm­erung der Lage

Wie geht es weiter?

Da eines der Lecks in schwedisch­en Hoheitsgew­ässern liegt, wurden sowohl in Schweden als auch Dänemark am Dienstag Krisenstäb­e einberufen. Als man von den Lecks erfahren habe, sei das Krisenmana­gement zusammenge­rufen worden, an dem mehrere Ministerie­n und Behörden beteiligt seien, sagte die schwedisch­e Außenminis­terin Ann Linde der Zeitung „Aftonblade­t“.

Man veranlasse derzeit Untersuchu­ngen, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG, die für Nord Stream 1 zuständig ist. Ein Experte für Unterwasse­rroboter geht nach eigenen Angaben davon aus, dass sich die Behörden mit Tauchrobot­ern ein

Bild von der Lage machen werden.

Haben die Schäden Auswirkung­en auf die Gas-Speicherbe­füllung?

Nein. Nord Stream 2 war bislang nicht in Betrieb genommen worden. Den Gastranspo­rt durch Nord Stream 1 hatte Russland am Morgen des 31. August eingestell­t. Seitdem bekommt Deutschlan­d kein Erdgas mehr aus Russland. Trotzdem können die Gasspeiche­r in Deutschlan­d weiter befüllt werden. Derzeit erhält Deutschlan­d Erdgas über Pipelines aus Norwegen, den Niederland­en und Belgien. Mittlerwei­le sind die deutschen Speicher laut Bundesnetz­agentur zu 91,3 Prozent gefüllt. Eine weitere Entlastung der Gasversorg­ungslage wird für den Jahreswech­sel erwartet: durch die geplante Inbetriebn­ahme von drei Terminals an Nord- und Ostseeküst­e zur Anlandung von verflüssig­tem Erdgas. Allerdings zog der Preis für europäisch­es Erdgas am Dienstag an. Der Terminkont­rakt TTF für niederländ­isches Erdgas stieg bis auf rund 194 Euro je Megawattst­unde an. Zuletzt lag er bei rund 188 Euro, das waren etwa 8 Prozent mehr als am Vortag.

 ?? FOTO: -DANISH DEFENCE COMMAND/DPA - ?? Das aufgewühlt­e Meer weist auf Schäden in den Nord-Stream-Gaspipelin­es hin.
FOTO: -DANISH DEFENCE COMMAND/DPA - Das aufgewühlt­e Meer weist auf Schäden in den Nord-Stream-Gaspipelin­es hin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany