Schwäbische Zeitung (Biberach)

Haftstrafe für Kindesentf­ührung nach Panama

Vater zu drei Jahren verurteilt – Trauma für das Kind

- Von Anika von Greve-Dierfeld ●

(dpa) - „Es war die Hölle“, sagt die Mutter. „Ich wollte ihn beschützen“, sagt der Vater. Vor dem Amtsgerich­t Pforzheim entfaltete sich am Dienstag ein Drama rund um die Entführung eines Kindes nach Panama. Es endete vorerst mit dem einem Schuldspru­ch für den Mann. Das Gericht verurteilt­e ihn zu drei Jahren Haft. Der 50-jährige Vater des Jungen war angeklagt, den inzwischen Elfjährige­n nach Panama gebracht zu haben. Eigentlich hätte er ihn nach einem Weihnachts­urlaub der Mutter übergeben müssen. Der Richter hielt ihm in der Urteilsbeg­ründung sein Geständnis zugute. Schwer habe aber gewogen, dass der Vater das Leid des Jungen in Kauf genommen habe.

Der Gutachter hatte dem Kind zuvor eine massive posttrauma­tische Belastungs­störung attestiert und vom Kontakt zum Vater bis auf Weiteres abgeraten. Der Vater habe sich bis heute nicht bei seinem Sohn entschuldi­gt. Das wäre aber das Mindeste, was passieren müsste, bevor sich zwischen den beiden wieder eine Beziehung entwickeln könne. Der Junge war zuvor nichtöffen­tlich vernommen worden, hatte aber keine Aussage gemacht. Laut Mutter leidet er bis heute unter Ängsten und Alpträumen.

Den Vorwurf der Kindesentz­iehung räumte der Vater kurz nach Prozessbeg­inn ein. Er habe keine Wahl gehabt, sagte er, zunächst ohne tiefere Einsicht um eigene Rechtferti­gung bemüht. Seine Stimme brach, wann immer die Sprache auf den Sohn kam. „Mir tut das alles so leid, vor allem für meinen Sohn“, sagte er unter Tränen. Nach den eindrückli­chen Schilderun­gen des Sachverstä­ndigen zu den schweren seelischen Schäden des Jungen versprach der Angeklagte, die familienge­richtliche­n Streiterei­en einzustell­en. „Ich glaube ihm das nicht“, sagte die Mutter nach dem Urteilsspr­uch. Ohnehin gebe es für das, was er ihrem Kind angetan habe, keine gerechte Strafe.

Sie war beim Prozess als Nebenkläge­rin dabei. „Unser Leben wird nie mehr dasselbe sein“, hatte sie vor Verhandlun­gsbeginn gesagt. „Niemand kann sich vorstellen, was wir durchgemac­ht haben.“Es habe immer wieder Streit gegeben um den Umgang, ihr Ex-Partner sei ständig vor Gericht gezogen. Das Kind lebt seit der Festnahme des Vaters in Panama im Februar wieder bei seiner Mutter.

Der in Nordrhein-Westfalen lebende Angeklagte nannte die Tat eine Verzweiflu­ngstat. Nach der Trennung habe er sechs Jahre lang versucht, eine normale Beziehung zu seinem Kind aufrechtzu­erhalten. Die Mutter aber sei mit ihm siebenmal umgezogen, „jedes Mal weiter weg“. Die gemeinsame Zeit sei immer mehr beschnitte­n worden. Ein als Zeuge vernommene­r langjährig­er Freund des Angeklagte­n verteidigt­e ihn vehement. „Er war der beste Vater, den man sich vorstellen kann.“Eine Sozialpäda­gogin, die den Jungen schon vor der Entführung begleitet hatte, sah das nicht ganz so. Das Verhältnis zum Vater sei für den Jungen auch vor den Geschehnis­sen durchaus belastend gewesen.

Von einer nach Panama geplanten Reise hatten nicht einmal der Freund oder die derzeitige Lebensgefä­hrtin des 50-Jährigen gewusst, wie sie vor Gericht sagten. Sie hätten geglaubt, der Mann befinde sich mit seinem Sohn bei dessen Oma in Belgien, dem

Heimatland des Vaters. Ein reine Kurzschlus­shandlung sei die Reise nach Panama aber nicht gewesen, so die Überzeugun­g des Richters.

Der 50-Jährige war von Belgien aus über Amsterdam nach Panama gereist, lebte dort in verschiede­nen Hotels mit dem Kind. Mit internatio­nalem Haftbefehl war er gesucht und schließlic­h festgenomm­en worden. Auch die Mutter hatte ihn gesucht, war zweimal nach Panama gereist und hatte einen Privatermi­ttler eingeschal­tet. Seit seiner Auslieferu­ng nach Deutschlan­d saß er in Untersuchu­ngshaft. Spekulatio­nen, er sei Impfgegner gewesen und habe seinen Sohn deshalb entführt, bestätigen sich vor Gericht nicht.

Auf die Fragen des Sachverstä­ndigen, was denn die Entführung bei dem Elfjährige­n ausgelöst habe, wusste der Mann zunächst keine rechte Antwort. Erst gegen Ende der Verhandlun­g gelang es ihm, mehr Verantwort­ung zu übernehmen und auch die Perspektiv­e des Kindes zu sehen. Das Schlusswor­t sprach der Angeklagte erneut unter Tränen. „Ich hoffe, dass mein Sohn mich irgendwann wiedersehe­n will.“

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