Schwäbische Zeitung (Biberach)
Viel zu erzählen
Ein Band mit autobiografischen Geschichten von Donna Leon? Ist sie etwa ins ernste Fach gewechselt? Nein, nein, keine Angst: Sie werde auch in Zukunft Krimis über Commissario Brunetti schreiben, stellt die Bestsellerautorin gleich zu Beginn ihres aktuellen Buches klar, das gerade erschienen ist. Sorgen sind also unbegründet.
Die Idee zu dem
Band, der, wie der
Titel verspricht,
„Ein Leben in Geschichten“erzählt, sei ihr bei einem
Dinner in Venedig gekommen, als sie mit einem ehemaligen Kollegen aus ihrer Zeit in Iran ins Plaudern geraten und ihr bewusst geworden sei, dass sie über die Jahre so allerlei Ungewöhnliches erlebt habe.
Und ja, diese Frau hat wirklich etwas zu erzählen. Wer die Vita von Donna Leon kennt, wird sich immer schon gewundert haben, warum sie so selten über ihr eigenes Leben geschrieben hat. In Montclair/New Jersey kam sie 1942 auf die Welt und verbrachte die schönste Zeit ihrer Kindheit auf der Farm ihres aus Old Germany eingewanderten Großvaters.
Eine der besten Episoden ist die, wie die Mutter an Weihnachten von der ganzen Familie mit Punsch abgefüllt wird, damit sie ja nicht in die Küche eilt und merkt, dass der Backofen bereits aus ist. Pflegte sie den doch immer auf eine Temperatur einzustellen, die zum „Stahlschmieden“gereicht und aus dem Truthahn trockenes „Dörrfleisch“gemacht hätte. Die Mutter war es auch, die Donna mit acht, als sie mal wieder über Langeweile klagte, in die Bibliothek schleppte, wo sich ihr eine neue Welt eröffnete.
Nahe an sich heran lässt Donna Leon ihre Leser zwar nicht. Aber es gibt auch so genug wunderbare Entdeckungen zu machen. Wie Donna Leon als Studentin etwa in den Semesterferien das Gehalt ihres Graduiertenstudiums aufbesserte, indem sie morgens auf der Plantage Tomaten pflückte und diese listig vor dem Gartenzaun ihrer Mutter als eigene Ernte verkaufte. An einem Wochenende verdiente sie so viel wie die University Of Massachusetts ihr für einen ganzen Monat zahlte. (grom)
Donna Leon: Ein Leben in Geschichten, Diogenes, 191 Seiten,
22 Euro.