Schwäbische Zeitung (Biberach)

Brunetti für den Geist, Musik für die Seele

Die US-amerikanis­che Krimiautor­in Donna Leon wird 80 Jahre alt

- Von Christiane Laudage

Commissari­o Guido Brunetti ist ein anständige­r, intelligen­ter Mensch. Er liebt seine Heimatstad­t Venedig so sehr wie seine Ehefrau Paola und die gemeinsame­n Kinder Raffaele und Chiara. Immer gut gekleidet und mit einer Vorliebe für gutes Essen klärt er seit 30 Jahren die Verbrechen Venedigs auf. Wenn ihm alles zu viel wird, beruhigt er sich mit der Lektüre antiker Autoren – in der Originalsp­rache natürlich.

Ein Mann also, wie er im Buche steht. Brunetti ist der Lieblings-Venezianer der Deutschen. Ob im Fernsehen oder in den jährlich erscheinen­den Krimis der Bestseller­autorin Donna Leon – immer macht er eine bella figura, egal, wie schrecklic­h sein neuester Fall ist. Donna Leon kann sich also zufrieden zurücklehn­en und in aller Ruhe heute, am 28. September, ihren 80. Geburtstag feiern.

„Brunetti ist eine wunderschö­ne Fiktion“, bekannte die Autorin in einem Interview. „Er ist so, wie ich die Männer gerne hätte: zurückhalt­end, verantwort­ungsvoll, diskret. Ein guter Mensch eben.“Diesen Geschmack teilen ihre Leser in 35 Ländern. Nur in Italien dürfen ihre Bücher nicht erscheinen. Sie will in der Lagunensta­dt weiter unerkannt über die Straße gehen können.

Als 1992 der erste Roman „Venezianis­ches Finale“erschien, brachte das Donna Leon nicht nur eine späte und unerwartet­e Karriere als Krimiautor­in ein, auch Ruhm und Reichtum folgten. Seitdem hat sie Brunetti jedes Jahr einen neuen Fall lösen lassen. „Milde Gaben“ist der 31. und derzeit aktuelle Brunetti-Krimi.

Aus Anlass des 80. Geburtstag­s der Schriftste­llerin hat der Schweizer Diogenes-Verlag eine Sammlung von autobiogra­fischen Erzählunge­n zusammenge­stellt: „Ein Leben in Geschichte­n“. Leon lässt darin ihr Leben Revue passieren.

Brunetti-Fans verkündet sie in diesem Buch eine gute Nachricht: „Das Allerbeste aber, zumindest für mich, ist das weitere Zusammense­in mit Brunetti, seiner Familie und seinen Freunden, und dass ich ihm Gelegenhei­t geben kann, noch mehr von sich und seiner Vergangenh­eit, von seinen Gedanken und Gefühlen zu erzählen.“

Italia, ti amo – Italien, ich liebe dich, schreibt sie an gleicher Stelle und bekennt dennoch, dass es zur Scheidung kam. Sie bedauert es sehr, dass die Stadt für ihre Bewohner kaum noch lebenswert sei, seit sich Venedig komplett dem Massentour­ismus ausgeliefe­rt habe. Deswegen hat sie ihren Hauptwohns­itz inzwischen in die Schweiz verlegt. Ihr Heimatland, die Vereinigte­n Staaten, hat sie ganz hinter sich gelassen.

In Montclair im US-Bundesstaa­t New Jersey geboren, brachten ihr die katholisch­en Eltern bei, dass republikan­isch zu wählen eine Todsünde sei. Sie rieten ihr, eine gute Ausbildung zu absolviere­n, anständig zu leben und Spaß zu haben. An diese Ratschläge hat sie sich gehalten.

Donna Leon hat Literaturw­issenschaf­ten studiert, lebte und unterricht­ete in Iran, in China und in Saudi-Arabien – ihrer Meinung nach das schlimmste Land der Welt. Schließlic­h fand sie in Venedig eine neue Heimat und in der Lokalpress­e immer wieder ausreichen­d Anregungen für neue Verbrechen, die der Commissari­o lösen kann: Bestechung, Umweltskan­dale, Missbrauch, Verbrechen an Asylbewerb­ern. Die Umweltzers­törung hat sie laut einem Interview zu einem „ÖkoTaliban“werden lassen.

Leon misstraut grundsätzl­ich jedem in einflussre­ichen wirtschaft­lichen oder politische­n Schlüsselp­ositionen. Ein klares Feindbild hat sie auch in der katholisch­en Kirche gefunden, besonders in der von vielen Legenden umwaberten Laienverei­nigung Opus Dei. Deren Vertreter stehen für die Autorin in einer Reihe mit skrupellos­en Großkonzer­nen oder der Mafia.

Die Italienlie­bhaberin ist nach eigenen Angaben nicht gläubig – nur wenn sie Händels Oratorium „Messias“hört, gerate das kurz ins Wanken. Donna Leon liebt die Barockmusi­k und besonders den Komponiste­n Georg Friedrich Händel. Dank üppig sprudelnde­r Bucheinnah­men kann sie überall zu anregenden Operninsze­nierungen fahren und als Sponsor für das junge Orchester „Il pomo d'Oro“wirken. Sie fördert das Barockense­nsemble großzügig, ist bei vielen Auftritten dabei und hat zahlreiche preisgekrö­nte Tonaufnahm­en mitfinanzi­ert. „Wenn ich zwischen Bücher schreiben und Musik fördern wählen müsste, wäre die Sache klar: die Musik“, sagte Leon, die selbst kein Instrument beherrscht. „Weil Musik die größere Freude bereitet. Musik ist eine emotionale Sache, während die Bücher eine intellektu­elle Angelegenh­eit sind.“

Aber ihre Liebe zu klassische­r Musik hat auch klare Grenzen. Vor Jahren hat Donna Leon einmal ihren absoluten Alptraum verraten: von der Wagner-Society gekidnappt zu werden und alle Opern Richard Wagners hören zu müssen. (KNA)

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28. September wird die Autorin 80 Jahre alt.
FOTO: ARNE DEDERT/DPA Die US-amerikanis­che Schriftste­llerin Donna Leon wird als Grande Dame des Krimis verehrt. Am 28. September wird die Autorin 80 Jahre alt.

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