Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Faulen an die Macht!
Der gute alte Sokrates – mit der Edelste unter den Philosophen – hat furchtbar kluge Dinge gesagt. Und zwar solche, die Tausende Jahre nach seinem per Schierlingsbecher erzwungenen Hinscheiden noch so taufrisch sind, als könnten sie in einem Werbeprospekt von heute stehen. Zum Beispiel: „Wer die Welt bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen.“Diese Aneinanderreihung überaus tiefgründiger Worte lässt jede Menge Spielraum zur Interpretation und passt in der Tat ausgezeichnet in die Gegenwart.
Man könnte den Satz im Sinne der Leibesertüchtigung lesen und als Variation des Reims „Sich regen bringt Segen.“auffassen. Andererseits dürfen sich Profi-Jammerlappen eine Scheibe von ihm abschneiden, während sie mäkelnd vom Sofa aus die Welt und alles, was darin ist, kritisieren. Ohne selbst auch nur das Geringste zur Veränderung beizutragen. Die Besserwisserei ohne das Besserwissen in der harten Realität auf die Probe stellen zu müssen, ist ebenso bequem wie dämlich.
Gut dazu passt allerdings noch ein weiteres Zitat von Sokrates, das da lautet: „Hast Du etwas Schwieriges zu erledigen, beauftrage damit einen Faulen. Er wird einen leichten Weg finden, es auszuführen.“Womöglich haben wir also einfach viel zu lange auf die fleißigen, ehrgeizigen und engagierten Leute gesetzt. Und jetzt haben wir den Salat. Und wie schön der Gedanke, mit Faulheit, also ohne sich selbst zu bewegen, die Welt zu bewegen. Sokrates hat übrigens noch viel mehr Weltbewegendes gesagt. Noch mehr zu zitieren, dazu sind wir aber zu faul. (nyf )