Schwäbische Zeitung (Biberach)
Stühlerücken in der Landesregierung
Theresia Bauer gibt nach elf Jahren als Wissenschaftsministerin an Petra Olschowski ab
- Theresia wer? Nicht mal jeder fünfte Baden-Württemberger kennt Theresia Bauer. Dabei hat die Grünen-Politikerin als Wissenschaftsministerin elf Jahre die Hochschullandschaft im Südwesten geprägt – und den Forschungsstandort weiterentwickelt. Am Mittwoch hat ihre bisherige Staatssekretärin Petra Olschowski die Amtsgeschäfte übernommen, denn Bauer hat andere Ambitionen: Sie will in Heidelberg Oberbürgermeisterin werden.
Ein letztes Mal saß Bauer am Dienstag als geschäftsführende Ministerin vor der versammelten Landespresse. Bei Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sie bereits um Entlassung gebeten. Der Regierungschef, als dessen Nachfolgerin sie vor wenigen Jahren noch gehandelt wurde, sitzt neben ihr und wirkt betrübt. „Ich verliere eine der besten Ministerinnen, die ich ja auch während meiner ganzen Legislaturperiode hatte“, sagt Kretschmann, dem Veränderungen bekanntlich missfallen. „Sie hat das Land wirklich in jeder Hinsicht vorangebracht.“
Bauers Wirken mag der breiten Öffentlichkeit verborgen geblieben sein – gerade im Hochschulbereich hat sie indes Leuchtzeichen gesetzt. Beim Exzellenzwettbewerb des Bundes kamen so viele Universitäten aus Baden-Württemberg zum Zug wie aus keinem anderen Bundesland. Bauer hat Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit pariert und die Einrichtungen zu mehr Vernetzung gedrängt. Es entstanden Leuchttürme wie das Cyber Valley entlang der Achse Tübingen-Stuttgart, dessen Dimension als Forschungsverbund für Künstliche Intelligenz europaweit einzigartig ist. Selbst bei größten Kritikern in der Hochschulgemeinde hat sie sich dank massiver Investitionen in den Bereich beliebt gemacht. Zuletzt hat sie das Promotionsrecht an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, den ehemaligen Fachhochschulen, geschaffen. Dass sie viermal zur Wissenschaftsministerin des Jahres gewählt wurde, zeigt Bauers Ansehen im Deutschen Hochschulverband.
Mit den Studierenden verbindet sie eine zwiespältigere Beziehung. Hoch gelobt wurde Bauer dafür, dass sie 2012 die Verfasste Studierendenschaft an den Hochschulen wieder etabliert und die allgemeinen Studiengebühren abgeschafft hat. Entsprechend groß war der Ärger, als sie die Gebühren für Studierende aus Ländern
jenseits der EU 2017 wieder einführte und nach Lesart einiger den Einfluss der Studierendenschaft beschränkte. Größter Dämpfer in ihrer Karriere war indes wohl ein Untersuchungsausschuss, der von 2017 bis 2019 tagte. Es ging um unrechtmäßige Zulagen für Professoren, um eine ExRektorin der Verwaltungshochschule in Ludwigsburg, die sich von Bauer als Dienstherrin nicht in ihrem Aufklärungswillen unterstützt sah. Weder hier noch beim juristischen Aufarbeiten der Vorgänge blieb zwar etwas an ihr kleben – kräftezehrend war die Zeit für Bauer allemal.
Trotzdem überwiegt für die bis dato dienstälteste Wissenschaftsministerin Deutschlands das Positive. „Der Schritt fiel mir schwer“, sagt die Frau mit dem vieldeutigen Lächeln
am Rande des Grünen-Landesparteitags am Wochenende in Donaueschingen. „Ich war keineswegs amtsmüde.“Kurz zuvor, auf der Bühne, ein Moment der Reflexion. Sie habe es ihrer Partei nicht immer leicht gemacht, und habe sich doch von ihr getragen gefühlt, sagt Bauer. „Wir haben gezeigt, dass Wissenschaft und Grüne zusammenpasst.“Ihre klare Haltung etwa pro neuer Gentechnik und Tierversuchen als unvermeidliche Stütze in der Forschung schmeckt vielen Parteifreunden ganz und gar nicht. Dass sie sehr schlau, aber wenig hemdsärmelig ist, hat zudem viele mit ihr fremdeln lassen.
Mit 57 Jahren will Bauer noch mal ein neues Leben starten – in ihrer Heimatstadt, wie die gebürtige Zweibrückerin sagt. Parteifreunde stellen in ihrem Wahlkampf erfreut fest, dass es die sonst etwas distanziert wirkende Bauer schafft, den Menschen nahezukommen – für ein Stadtoberhaupt unverzichtbar. Dass sie den Ministerinnenposten aufgibt ohne Garantie, Oberbürgermeisterin zu werden, will sie als Bekenntnis verstanden wissen. Voller Einsatz ohne Auffangnetz. Manche sprechen auch von einer Flucht nach vorne. Zur Landtagswahl 2026 tritt Kretschmann nicht mehr an. Ob Bauer Ministerin bleiben dürfte, selbst wenn die Grünen den Regierungssitz verteidigen sollten, gilt als fraglich.
Doch ob sich Bauer gegen den parteilosen Eckart Würzner am 6., oder beim zweiten Wahlgang am 27. November durchsetzen wird, ist aktuell offen. Trotz etlicher anderer Kandidaten sehen Beobachter ein Kopf-anKopf-Rennen zwischen Bauer und Würzner, der dort seit 2006 regiert, zwar parteilos ist, aber unter anderem von CDU und FDP unterstützt wird. Falls es nicht klappt, bleibt Bauer weiterhin ihr Landtagsmandat.
Auf Wunsch von Kretschmann hat der Landtag am Mittwoch nun Petra Olschowski als Wissenschaftsministerin bestätigt. Überraschend war ihre Berufung nicht, seit sechs Jahren stand sie der gleichaltrigen Bauer als Staatssekretärin zur Seite. Nur ihr Themenfeld ändert sich, denn bislang hat die Grünen-Politikerin, die zur Landtagswahl das Direktmandat im Stuttgarter Osten errang, den Bereich Kunst und Kultur im Ministerium bearbeitet. Die studierte Kunsthistorikerin, Journalistin und ehemalige Rektorin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart hat ihr Tätigkeitsfeld schon vor Wochen auch auf den Wissenschaftsbereich ausgeweitet.
Als Staatssekretär steht ihr nun Arne Braun zur Seite, der seit der Landtagswahl im vergangenen Jahr vom Stellvertreter zum Regierungssprecher Kretschmanns aufgestiegen war. Braun, wie Bauer und Olschowski 57 Jahre alt, war einst Chefredakteur des Stuttgarter Stadtmagazins „Lift“. Dass sein Herz für die Kultur schlägt, hat er unter anderem durch Veranstaltungen bewiesen, die er am Regierungssitz Villa Reitzenstein aufgebaut hat. Nun müsse sein Interesse noch an der Szene jenseits der Stuttgarter Stadtgrenzen wachsen, sagen Beobachter. Warum die Wahl auf ihn fiel, erklärt ein Kenner auch mit Absagen anderer Kandidaten. „Wer will schon einen Vertrag für drei Jahre ohne Pensionsansprüche unterschreiben“, sagt dieser.