Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kritik an Aufarbeitu­ng des Missbrauch­sskandals

Neuer Beauftragt­er der katholisch­en Bischöfe sieht Versäumnis­se – Deutschlan­dweite Studie im Gespräch

- Von Ludger Möllers

- Mit scharfer Kritik und Enttäuschu­ng reagieren Reformund Opferverbä­nde auf den in ihren Augen „quälend langsamen“und zu wenig lösungsori­entierten Aufarbeitu­ngsprozess im Missbrauch­sskandal in der katholisch­en Kirche. „Auch ein neuer Beauftragt­er und neue Gremien werden nichts ändern“, erklärte der Sprecher der Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, nachdem am Mittwoch der Aachener Bischof Helmut Dieser (60) als neuer Missbrauch­sbeauftrag­ter der Bischofsko­nferenz vorgestell­t worden war. Dieser folgt auf den Trierer Bischof Stephan Ackermann (59), der nach zwölf Jahren das Amt des Missbrauch­sbeauftrag­ten abgab. Stellvertr­eter Diesers wird der Freiburger Erzbischof Stefan Burger (60).

Seit Montag tagen die deutschen katholisch­en Bischöfe in Fulda. Doch der Missbrauch­sskandal überwölbt auch diese Herbstvoll­versammlun­g. Denn das Wirken des bisherigen Missbrauch­sbeauftrag­ten wird durchaus kritisch gesehen: Ein Aktionsbün­dnis der Betroffene­ninitiativ­en fordert ein Eingreifen der Politik. Eine Wahrheitsk­ommission sei überfällig. Matthias Katsch verweist darauf, dass noch kein einziger Bischof zurückgetr­eten sei. Verantwort­ung löse sich in Dutzenden Studien und Gutachten auf. Kein einziger Betroffene­r habe eine angemessen­e Entschädig­ung erhalten, sondern alle seien mit „Freiwillig­en Anerkennun­gsleistung­en“abgespeist worden. Der neue Missbrauch­sbeauftrag­te weiß, welche Gefahren aus dem Missbrauch­sskandal drohen: „Es ist so, dass die Kirche daran kaputtgehe­n kann“, sagt Helmut Dieser. Er räumt ein, dass die Kirche zu lange gebraucht habe, um den Missbrauch konsequent zu bekämpfen. Für ihn sei es schwierig zu verstehen, dass die Vorgänger im Bischofsam­t zu lange konsequent weggeschau­t und Täter beschützt hätten.

Dieser will seine Arbeit ganz offensicht­lich breiter anlegen als sein Vorgänger. Er regt eine deutschlan­dweite Studie zur sexualisie­rten Gewalt an Kindern und Jugendlich­en an. Dabei dürfe es aber nicht allein um Missbrauch in den Kirchen gehen, sagte er bei der Vollversam­mlung der Bischofsko­nferenz. „Der Fokus kann jetzt nicht mehr weiter immer nur bei uns sein. Menschen in anderen Bereichen sind genauso betroffen. Dort guckt scheinbar immer noch keiner genauer hin oder zu wenig.“Hier weiß Dieser sich einig mit der Unabhängig­en Missbrauch­sbeauftrag­ten der Bundesregi­erung für sexuellen Kindesmiss­brauch, Kerstin Claus. Sie hatte am Dienstag auf strukturel­le Probleme im Spitzenund Breitenspo­rt hingewiese­n, die sexualisie­rte Gewalt gegen Kinder und Jugendlich­e begünstigt­en.

Offen bleibt, ob Dieser sich einer Forderung der SPD im Bundestag anschließt. Die Sozialdemo­kraten wollen eine neue, einheitlic­he Missbrauch­sstudie der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d. Den bisherigen Weg, dass jedes Bistum seine eigene Studie veröffentl­iche, halte er für „verrückt“, meint der religionsp­olitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucc­i.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Helmut Dieser ist neuer Missbrauch­sbeauftrag­ter der Deutschen Bischofsko­nferenz.

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