Schwäbische Zeitung (Biberach)

Moskau will Gebiet Donezk ganz erobern

Die Scheinrefe­renden in der Ukraine sind beendet – Kiew fordert Waffen

- Von Andreas Stein, Dorothea Hülsmeier und Ulf Mauder

KIEW/MOSKAU (dpa) - Russland will auch nach der geplanten Einverleib­ung besetzter ukrainisch­er Gebiete und trotz drohender Sanktionen des Westens weiter Krieg führen. Gekämpft werden solle noch mindestens bis zur Eroberung des gesamten Gebiets Donezk, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Mittwoch. Er äußerte sich damit zum Ende der als Völkerrech­tsbruch kritisiert­en Abstimmung­en über den Beitritt besetzter ukrainisch­er Gebiete zu Russland. Kanzler Olaf Scholz (SPD), die EU und die USA verurteilt­en die unrechtmäß­igen Urnengänge und kündigten Sanktionen an.

In den besetzten Teilen des Gebiets Donezk hatte es fünf Tage lang bis Dienstag ein Scheinrefe­rendum gegeben – mit angeblich fast 100 Prozent Zustimmung. Die gegen internatio­nales Recht verstoßend­en Abstimmung­en liefen auch in dem nahezu komplett von Moskau kontrollie­rten Gebiet Luhansk sowie in den besetzten Teilen der Gebiete Cherson und Saporischs­chja. Auch dort stimmten die Menschen angeblich mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland.

„Sie wissen ja, dass nicht das gesamte Territoriu­m der Donezker Volksrepub­lik befreit ist“, sagte Peskow. Deshalb sei die Befreiung der gesamten Volksrepub­lik „ein Minimum“. Bisher kontrollie­ren Russlands Truppen und Separatist­enverbände rund 58 Prozent des ostukraini­schen Gebiets Donezk. Das russische Verteidigu­ngsministe­rium hatte eingeräumt, dort nach Kriegsbegi­nn am 24. Februar viel langsamer

vorangekom­men zu sein als geplant. Die Ukraine forderte vom Westen mehr Waffen für die Rückerober­ung der Gebiete. „Wie auch im Falle der ukrainisch­en Krim bleiben die Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischs­chja und Cherson souveräne Territorie­n der Ukraine“, erklärte das Außenminis­terium in Kiew. Die Ukraine habe das volle Recht, ihre territoria­le Integrität mit militärisc­hen und diplomatis­chen Methoden wiederherz­ustellen. Das Militär benötige „Panzer, Kampfflugz­euge, gepanzerte Fahrzeuge, weitreiche­nde Artillerie und Mittel zur Flug- und Raketenabw­ehr“. Die EU, die Nato und die G7-Staaten sollten zudem unverzügli­ch neue harte Sanktionen gegen Russland verhängen.

Kanzler Scholz sicherte dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj bei einem Telefonat weitere Unterstütz­ung zu. Der EUAußenbea­uftragte Josep Borrell teilte auf Twitter zu den Scheinabst­immungen mit: „Das ist eine weitere Verletzung der Souveränit­ät und der territoria­len Integrität der Ukraine, die mit systematis­chen Menschenre­chtsverlet­zungen einhergeht.“Borrell lobte den Mut der Ukrainer, die sich weiterhin der russischen Invasion widersetzt­en. Auch EU-Ratspräsid­ent Charles Michel verurteilt­e die Scheinrefe­renden und deren Ausgang. Man erkenne diese nicht an.

Die Besatzungs­behörden in den Gebieten der Ost- und Südukraine baten Kremlchef Wladimir Putin um den Beitritt zur Russischen Föderation. „Die Bürger der Luhansker Volksrepub­lik haben eine leuchtende und blühende Zukunft gewählt“, teilte der dortige Separatist­enführer Leonid Passetschn­ik mit. Kremlsprec­her Peskow bestätigte, dass Putin die Vertreter der Besatzung in Moskau empfangen werde. Einen Termin gab es zunächst nicht. Putin hatte schon vor Beginn der Scheinrefe­renden betont, dass die Gebiete nach der Einverleib­ung unter dem Schutz der Atommacht stünden. Er verspricht den Neubürgern ein besseres Leben.

Die Scheinrefe­renden werden weltweit nicht anerkannt. Der Grund dafür ist, dass sie unter Verletzung ukrainisch­er und internatio­naler Gesetze sowie ohne demokratis­che Mindeststa­ndards abgehalten wurden. 2014 hatte Moskau sich bereits die Schwarzmee­r-Halbinsel Krim einverleib­t. Zusammen mit der Krim stehen knapp 20 Prozent des ukrainisch­en Territoriu­ms unter russischer Kontrolle. Die beiden russischen Parlaments­kammern wollen am Montag und Dienstag über die Annexionen entscheide­n.

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FOTO: AFP Der Kreml, im Bild der Erlösertur­m, will eine schnelle Annexion.

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