Schwäbische Zeitung (Biberach)

Grüne halten am Atomaussti­eg fest

Kaum Kritik am von Habeck beschlosse­nen befristete­n AKW-Weiterbetr­ieb

- Von Dorothee Torebko ●

- Wenn es um Atomkraft geht, bemühen die Grünen dieser Tage sehr viele Schachtels­ätze. Mit komplizier­ten Erklärunge­n versuchen die Spitzen aus Fraktion und Partei zu erklären, was ihr Wirtschaft­sminister Robert Habeck für unausweich­lich hält: Die zwei Atomkraftw­erke Isar 2 und Neckarwest­heim werden über das Jahresende hinaus weiter betrieben. Die Zeichen stehen auf Streckbetr­ieb der Atomkraftw­erke. Doch die Grünen weigern sich, dies so zu benennen.

Das Herumlavie­ren hängt mit der komplizier­ten Situation zusammen, in der sich die Partei befindet. Einerseits müssen die Grünen dem viel beschworen­en Gründungsm­ythos der Anti-AKW-Bewegung, die bis heute in der Parteibasi­s verwurzelt ist, Rechnung tragen. Anderersei­ts wächst der Druck, die eigenen Überzeugun­gen hintanzust­ellen. SuperPragm­atiker Habeck hätte diesen Konflikt am liebsten bereits im Sommer aufgelöst und den Streckbetr­ieb der Meiler angeschobe­n. Er wurde jedoch von den Fraktionsc­hefinnen und seiner Kabinettsk­ollegin Annalena Baerbock ausgebrems­t.

Doch nun sieht es so aus, als ob Habeck recht behält. Die Schuld schiebt der Vizekanzle­r auf den desolaten Zustand der französisc­hen Atommeiler, um die es noch schlechter bestellt ist als angenommen. Mit dieser Argumentat­ion ist man auch in der Fraktion und Partei einverstan­den. Wohl auch deshalb hat es bisher keinen Widerstand gegeben. Sowohl die Parteichef­s als auch die Fraktionsc­hefinnen unterstütz­ten am Mittwoch Habecks Kurs. Es sei gut, „dass die Vorbereitu­ngen für die Einsatzres­erve nun einen großen Schritt vorangekom­men sind. Das unterstütz­en wir“, twitterte ParteiCo-Vorsitzend­e Ricarda Lang.

In der Fraktion konzentrie­rte man sich darauf, dass der Streckbetr­ieb nicht einer Laufzeitve­rlängerung Tür und Tor öffnet. „Am Atomaussti­eg wird nicht gerüttelt. Die Atomkraft hat keine Zukunft in Deutschlan­d“, sagte die Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen-Bundestags­fraktion, Irene Mihalic. Und: „Wir kaufen keine neuen Brennstäbe.“An anderer Stelle hieß es aus der Fraktion: Nun sei zwar die Wahrschein­lichkeit gestiegen, dass die Notfallres­erve gebraucht werde. Das sei aber mitnichten eine Rückkehr zur Atomkraft.

Was geschieht aber, wenn sich die Situation der französisc­hen Meiler im Winter nicht entspannt? Bereits jetzt machen die europäisch­en Partner Druck auf Deutschlan­d. Polen und Frankreich fordern angesichts der angespannt­en Energielag­e den Weiterbetr­ieb der deutschen Akw und werfen der Bundesregi­erung fehlende Solidaritä­t vor.

Auch der Koalitions­partner FDP macht sich für eine Beschaffun­g neuer Brennstäbe stark. Mihalic rechnet damit, dass sich die „Situation weiter verschärfe­n könnte“.

Eine Antwort auf die Frage, was dann passiert, hat sie nicht. Am Mittwoch sagte sie nur so viel: „Es ist wichtig, die Szenarien fortlaufen­d zu beobachten.“

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Voraussich­tlich bis April 2023 in Betrieb: das Atomkraftw­erks Isar 2 im bayerische­n Essenbach.

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