Schwäbische Zeitung (Biberach)
Grüne halten am Atomausstieg fest
Kaum Kritik am von Habeck beschlossenen befristeten AKW-Weiterbetrieb
- Wenn es um Atomkraft geht, bemühen die Grünen dieser Tage sehr viele Schachtelsätze. Mit komplizierten Erklärungen versuchen die Spitzen aus Fraktion und Partei zu erklären, was ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck für unausweichlich hält: Die zwei Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim werden über das Jahresende hinaus weiter betrieben. Die Zeichen stehen auf Streckbetrieb der Atomkraftwerke. Doch die Grünen weigern sich, dies so zu benennen.
Das Herumlavieren hängt mit der komplizierten Situation zusammen, in der sich die Partei befindet. Einerseits müssen die Grünen dem viel beschworenen Gründungsmythos der Anti-AKW-Bewegung, die bis heute in der Parteibasis verwurzelt ist, Rechnung tragen. Andererseits wächst der Druck, die eigenen Überzeugungen hintanzustellen. SuperPragmatiker Habeck hätte diesen Konflikt am liebsten bereits im Sommer aufgelöst und den Streckbetrieb der Meiler angeschoben. Er wurde jedoch von den Fraktionschefinnen und seiner Kabinettskollegin Annalena Baerbock ausgebremst.
Doch nun sieht es so aus, als ob Habeck recht behält. Die Schuld schiebt der Vizekanzler auf den desolaten Zustand der französischen Atommeiler, um die es noch schlechter bestellt ist als angenommen. Mit dieser Argumentation ist man auch in der Fraktion und Partei einverstanden. Wohl auch deshalb hat es bisher keinen Widerstand gegeben. Sowohl die Parteichefs als auch die Fraktionschefinnen unterstützten am Mittwoch Habecks Kurs. Es sei gut, „dass die Vorbereitungen für die Einsatzreserve nun einen großen Schritt vorangekommen sind. Das unterstützen wir“, twitterte ParteiCo-Vorsitzende Ricarda Lang.
In der Fraktion konzentrierte man sich darauf, dass der Streckbetrieb nicht einer Laufzeitverlängerung Tür und Tor öffnet. „Am Atomausstieg wird nicht gerüttelt. Die Atomkraft hat keine Zukunft in Deutschland“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic. Und: „Wir kaufen keine neuen Brennstäbe.“An anderer Stelle hieß es aus der Fraktion: Nun sei zwar die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Notfallreserve gebraucht werde. Das sei aber mitnichten eine Rückkehr zur Atomkraft.
Was geschieht aber, wenn sich die Situation der französischen Meiler im Winter nicht entspannt? Bereits jetzt machen die europäischen Partner Druck auf Deutschland. Polen und Frankreich fordern angesichts der angespannten Energielage den Weiterbetrieb der deutschen Akw und werfen der Bundesregierung fehlende Solidarität vor.
Auch der Koalitionspartner FDP macht sich für eine Beschaffung neuer Brennstäbe stark. Mihalic rechnet damit, dass sich die „Situation weiter verschärfen könnte“.
Eine Antwort auf die Frage, was dann passiert, hat sie nicht. Am Mittwoch sagte sie nur so viel: „Es ist wichtig, die Szenarien fortlaufend zu beobachten.“