Schwäbische Zeitung (Biberach)

Konsumstim­mung in Deutschlan­d stürzt weiter ab

Ökonomen sehen die Kaufzurück­haltung als Haupttreib­er einer bevorstehe­nden Rezession

- Von Mischa Ehrhardt und dpa

- Das Konsumklim­a ist weiter gesunken. Ökonomen sehen die Kaufzurück­haltung mittlerwei­le als Haupttreib­er einer wahrschein­lich bevorstehe­nden Rezession.

Energiekri­se, hohe Inflation und eine wahrschein­lich bevorstehe­nde Rezession: Das alles sind ausgewachs­ene Gründe, warum sich Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r aktuell mit Ausgaben stark zurückhalt­en. Vor allem befürchten sie in dieser Gemengelag­e sinkende Einkommen. „Mit Blick auf die Konjunktur erwarten die Konsumente­n nicht mehr, dass sich ihre Einkommen entspreche­nd der Inflation nach oben bewegen", sagt Stefan Kipar, Volkswirt bei Union Investment, der Fondsgesel­lschaft der Volksbanke­n und Raiffeisen­banken. „Das bedeutet, sie erwarten reale Einkommens- beziehungs­weise Kaufkraftv­erluste, was das Konsumklim­a belastet.“

So sind die Erwartunge­n für künftige Einkommen auf den tiefsten Stand seit Erhebung der Daten seitens der Konsumfors­cher der GfK in Nürnberg gefallen. Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r halten sich zunehmend bei Anschaffun­gen zurück, weil sie das Geld etwa für steigende Energiekos­ten zusammenha­lten müssen.

Tatsächlic­h rechnen die meisten Ökonominne­n und Volkswirte mittlerwei­le mit einer bevorstehe­nden Rezession. Und dabei spielt der ausfallend­e Konsum eine maßgeblich­e Rolle. Zum einen Sparen die Verbrauche­r, indem sie, wo es geht, etwa nach günstigen Lebensmitt­eln greifen oder auf das ein oder andere bei ihren Einkäufen verzichten. Volkswirts­chaftlich stärker zu Buche aber schlägt vor allem der zunehmende Verzicht auf größere Anschaffun­gen. Stefan Kipar: „Auch hier ist der Indikator stark gesunken. Konsumente­n schieben Anschaffun­gen, die sie nicht zwangsläuf­ig brauchen, auf die lange Bank. Darunter fallen große Güter, wie beispielsw­eise Kühlschrän­ke oder Autos, die eine längere Lebensdaue­r haben.“

Erholen werde sich nach Einschätzu­ng der GfK das Konsumklim­a

spürbar erst, wenn die Inflation wieder sinke. Wann das allerdings geschieht, ist ungewiss. Volkswirts­chaftlich verstärkt die Konsumzurü­ckhaltung die ohnehin vorhandene­n rezessiven Tendenzen. Viele Volkswirte wie Sebastian Dullien, der wissenscha­ftliche Direktor des Institutes für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung, sehen im Konsum das konjunktur­elle Hauptprobl­em: „Das wird eine in erster Linie konsumgetr­iebene Rezession", so Dullien.

Deutschlan­d wird im kommenden Jahr nach einer Schätzung von Konjunktur­forschern der HansBöckle­r-Stiftung in eine Rezession

rutschen. Die Wirtschaft­sleistung (BIP) werde 2023 voraussich­tlich um ein Prozent schrumpfen, heißt es in einer am Mittwoch publiziert­en Analyse des Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der arbeitnehm­ernahen Stiftung. Bei einer Prognose im Juni waren die Forscher noch von einem Wirtschaft­swachstum von 2,6 Prozent im kommenden Jahr ausgegange­n. Der massive Anstieg der Energiepre­ise und die sinkende Kaufkraft in Zeiten hoher Inflation wirken sich aus Expertensi­cht nun aber stark negativ auf die Wirtschaft­sentwicklu­ng aus. Schon in diesem Jahr wird Deutschlan­ds Wirtschaft­sleistung

nach Berechnung­en der IMK-Forscher schrumpfen, und zwar um 0,3 Prozent im vierten Quartal im Vergleich zum Jahresendq­uartal 2021. Im nächsten Jahr verstärkt sich diese Entwicklun­g dann der Prognose zufolge. Grund für den Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­es sei vor allem, dass die Privathaus­halte weniger Geld für den Konsum ausgeben.

Für das Jahr 2022 rechnet das IMK insgesamt noch mit einem Wirtschaft­swachstum von 1,6 Prozent im Schnitt des Gesamtjahr­es. Das sind 0,3 Prozentpun­kte weniger als im Juni prognostiz­iert.

Der Gaspreis, der Anfang 2021 bei weniger als sieben Cent pro Kilowattst­unde

gelegen habe, könnte bis Ende 2023 für private Verbrauche­r auf mehr als 28 Cent steigen, sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien – und zwar dann, wenn der Preis nicht durch einen staatliche­n Eingriff gedeckelt wird. Um diese Extrakoste­n bewältigen zu können, müssten die Verbrauche­r etwa ein Netto-Monatseink­ommen aufwenden. „Das ist nach unserer Einschätzu­ng für viele dieser Haushalte zu viel, als dass sie das einfach nur aus der Korrektur der Sparquote leisten können.“Dullien und seine Kolleginne­n fordern daher vom Staat Energiepre­isdeckelun­gen, um Haushalte vor finanziell­en Schieflage­n zu bewahren.

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FOTO: SASCHA STEINACH/IMAGO Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Der fehlende Konsum treibt den Abwärtstre­nd an.

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