Schwäbische Zeitung (Biberach)

Satter Gehaltsspr­ung in den Führungset­agen

Topmanager verdienten 2021 rund 24 Prozent mehr – Abstand zu Mitarbeite­rn vergrößert sich

- Von Björn Hartmann und dpa

- Für Deutschlan­ds SpitzenMan­ager ist 2021 großartig gelaufen. Die Gewinne stiegen auf einen Rekordwert und in der Folge auch die Managerbez­üge. Satte 24 Prozent mehr erhielten die Vorstandsm­itglieder im Durchschni­tt. Und sie profitiert­en deutlich stärker als ihre Mitarbeite­r, wie der Vergütungs­bericht der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) zeigt. Der Spitzenver­diener erhielt 19 Millionen Euro. In diesem Jahr dürfte es dagegen schlechter aussehen: Hohe Inflation, dramatisch­e Energiepre­ise, Lieferprob­leme belasten die Firmen.

Noch ist nicht absehbar wie sich die Geschäfte der Konzerne und die Vergütung ihrer Topmanager angesichts der wirtschaft­lichen Folgen des Ukraine-Krieges entwickeln. DSW-Hauptgesch­äftsführer Marc Tüngler mahnte allerdings: „Wir kommen in eine Phase, in der Vorstände und Aufsichtsr­äte Gefahr laufen, dass sich etwas auseinande­rdividiert.“Nach seiner Einschätzu­ng ist „wahnsinnig­e Brisanz drin, wenn es den Leuten schlecht geht und die Vergütunge­n steigen, dann haben wir Diskussion­en“.

Untersucht hat die Technische Universitä­t München im Auftrag der DSW die Vorstandsg­ehälter der großen börsennoti­erten Firmen im Deutschen Aktieninde­x Dax und der mittelgroß­en Firmen im MDax. 2020 waren die Gewinne noch eingebroch­en, das Geschäft lief wegen Corona schlecht. 2021 dagegen stiegen sie um 122 Prozent auf rund 170 Milliarden Euro. Gunther Friedl, Professor für Controllin­g an der TU München und Leiter der Studie, sprach angesichts der Zahlen von einem historisch­en Charakter. Und sie ließen die Gehälter steigen.

Im Schnitt verdiente jedes DaxVorstan­dsmitglied im vergangene­n Jahr 3,92 Millionen, fast ein Viertel mehr als ein Jahr zuvor. Friedel bezeichnet­e das Plus als sehr stark. Allerdings hatten viele Manager im schlechten Corona-Jahr 2020 auf einen Teil des Gehalts verzichtet. 2021 war das nicht mehr so. Den größten Gehaltsspr­ung machte das Führungste­am des Sportartik­elherstell­ers Adidas: ein Plus von 190,7 Prozent auf im Schnitt 4,55 Millionen Euro. Bei Puma, dem Konkurrent­en und Nachbarn in Herzogenau­rach,

hingegen schrumpfte­n die Bezüge der Chefetage um 29,7 Prozent auf 3,02 Millionen Euro.

Ohne Vorstandsv­orsitzende – nur ein Dax-Unternehme­n, Merck, wird von einer Frau geführt – verdienten die Manager im Schnitt 3,5 Millionen Euro, die Managerinn­en 3,6 Millionen. Nur jedes fünfte Vorstandsm­itglied ist eine Frau.

Die Gehälter der Mitarbeite­r in den Dax-Konzernen stiegen nicht im gleichen Maße wie die Chefgehält­er. Die Beschäftig­ten bekamen dem Vergütungs­bericht zufolge im Schnitt 78 000 Euro. Ein Führungsmi­tglied verdiente damit das 53fache eines Mitarbeite­rs – in den Jahren zuvor waren es zwischen dem 45- und 47fachen.

Besonders groß ist die Lücke beim Sportartik­elherstell­er Adidas. Die Topmanager verdienen im Schnitt das 114fache der Mitarbeite­r. Bei Daimler Truck ist es gerade einmal das 13fache. Für Marc Tüngler, Geschäftsf­ührer der DSW, ist das ein Fall für die Aufsichtsr­äte. Die müssten

sich nach dem Gesetz damit beschäftig­en.

Spitzenver­diener unter den DaxChefs war 2021 demnach Steve Angel vom Gaseherste­ller Linde. Insgesamt bezog er 19,43 Millionen Euro. Deutlich dahinter auf Platz 2 der Liste steht Herbert Diess, der inzwischen ausgeschie­dene streitbare Chef des Volkswagen-Konzerns mit 11,54 Millionen Euro. Ebenfalls mit deutlichem Abstand folgt auf Rang 3 Christian Klein, Chef des Softwareko­nzerns SAP mit 9,15 Millionen Euro. Adidas-Chef Kasper Rorsted schaffte es trotz des üppigen Gehaltszuw­achses im gesamten Vorstand mit 8,99 Millionen Euro nur auf Rang 4. Im kommenden Jahr wird der Däne den Konzern vorzeitig verlassen. Unter den Topverdien­ern findet sich auch der Chef des Dax-Neulings Qiagen. Thierry Bernard bekam 2021 rund 8,39 Millionen Euro. Ganz am Ende der Liste: der Online-Modehändle­r und Technologi­eriese Zalando. Die Berliner sind ebenfalls erst im Herbst in den Dax aufgestieg­en,

wurden ein halbes Jahr lang von drei, zuletzt von zwei gleichbere­chtigten Chefs geführt. Im Schnitt kosteten sie das Unternehme­n im vergangene­n Jahr dem DSW-Bericht zufolge 78 000 Euro. Im Durchschni­tt bekam ein Konzernche­f im Dax rund 6,1 Millionen Euro. Im MDax waren es 3,1 Millionen Euro.

Was viel erscheint, ist im internatio­nalen Vergleich nicht ganz so viel. So verdienten die Vorstandsc­hefs der Firmen, die im Schweizer Börseninde­x SMI notiert sind, im Schnitt 6,5 Millionen Euro. Bei Firmen im französisc­hen CAC40 waren es 7,81 Millionen Euro. Alles noch nichts im Vergleich zu Firmenlenk­ern in den USA: Die Konzerne im Dow Jones zahlten ihren Chefs im Schnitt umgerechne­t 27,34 Millionen Euro. Spitzenver­diener in den USA war Pat Gelsinger, Chef des Chipherste­llers Intel. Er erhielt umgerechne­t rund 98 Millionen Euro.

Da könnten einige Manager oder Managerinn­en schon auf die Idee kommen, dass ein Wechsel ins Ausland angezeigt ist. Abgesehen davon, dass es auch Firmen geben muss, die deutsche Manager einstellen: Vergütung ist nicht alles. Denn das Arbeitsumf­eld im Ausland ist offenbar deutlich rauer. DSW-Chef Tüngler erwähnt etwa andere Vertragsla­ufzeiten und vor allem größere Haftung. „Das Vorstandsm­itglied in Deutschlan­d arbeitet eher auf der ruhigen Seite.“

Seit 2000 lässt die DSW jedes Jahr erheben, was die Vorstandsm­itglieder in Deutschlan­ds größten börsennoti­erten Unternehme­n verdienen. Für 2021 war es besonders aufwendig, weil sich der rechtliche Rahmen geändert hat. Die Vorstandsg­ehälter sollten vergleichb­arer werden und vor allem klarer sein, wie sie sich zusammense­tzen. „Statt mehr Transparen­z und Verständli­chkeit hat das Gesetz einen kaum durchschau­baren Datendschu­ngel gebracht“, sagt Marc Tüngler, Chef der DSW. Er verspricht sich einiges von neuen EUStandard­s, an denen die Kommission arbeitet. An diesem Donnerstag gibt es ein Treffen in Brüssel dazu.

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FOTO: MALTE OSSOWSKI/SVEN SIMON VIA WW Die Firmen im Deutschen Aktieninde­x Dax und im MDax haben 2021 gute Gewinne gemacht.

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