Schwäbische Zeitung (Biberach)
Eine rettende Idee
Im Jahr 1972 wurden im ganzen Land kommunale Grenzen neu gezogen, Ortschaften eingemeindet und zum Teil interkommunale Verbände gegründet. Auch Oberstadion und seine Nachbargemeinden waren von der Kreis- und Gemeindereform betroffen. Georg Steinle, langjähriger Oberstadioner Gemeinderat und Vize-Bürgermeister, interessiert sich für Heimatgeschichte und kennt die damaligen Vorgänge im Winkel und in der Region um Munderkingen.
OBERSTADION - Im Jahr 1972 wurde aus Teilen der Landkreise Ulm, Ehingen, Münsingen und Biberach ein neuer Landkreis gebildet. Und weil vor allem die Ehinger nicht zu einem „Landkreis Ulm“gehören wollten, hatte Ventur Schöttle, Staatssekretär im badenwürttembergischen Landwirtschaftsministerium, die „rettende Idee“: „Wir haben die Donau und haben die Alb. Und wenn wir die Alb als erstes nennen, stehen wir im Alphabet immer ganz vorne“, so Schöttles Vorschlag – der AlbDonau-Kreis war geboren und Ehingen bekam eine Außenstelle des Ulmer Landratsamts.
Auch in und für Oberstadion gab es ein langes Hin und Her. Mal sollte die Gemeinde zum Kreis Biberach, mal nach Ulm gehören. Bis schließlich die VG Munderkingen gegründet wurde, der Oberstadion gehörte und damit eine Gemeinde im neuen Alb-Donau-Kreis wurde.
Bis zur Kreis- und Gemeindereform 1972 waren neben Oberstadion auch Hundersingen, Moosbeuren und Mundeldingen-Mühlhausen, also die heutigen Oberstadioner
Teilorte, selbstständige Gemeinden. Allerdings war der damalige Oberstadioner Bürgermeister Hartmut Schneider auch Schultes in Moosbeuren und in MundeldingenMühlhausen. „Die Eingemeindung war deshalb, trotz heftiger Proteste in Moosbeuren, bei diesen Gemeinden einfacher“, sagt Steinle. Den Bürgermeistern sei versprochen worden, dass sie nach der Eingemeindung immerhin Ortsvorsteher in ihren Dörfern werden. „Das war in Moosbeuren und MundeldingenMühlhausen
aber gar nicht nötig, weil Hartmut Schneider ja Schultes in den Gemeinden war und in Oberstadion geblieben ist“. Trotz aller Moosbeurer Proteste kam es zur Eingemeindung und wegen der Bürgermeister-Konstellation bekamen weder Moosbeuren noch MundeldingenMühlhausen einen Ortschaftsrat und damit auch keinen Ortsvorsteher.
Von einer „Moosbeurer Besonderheit“spricht Georg Steinle und nennt „s’Täle“. Zur Gemeinde Moosbeuren gehörten s’Täle und die Gemeinden Ellighofen, Aigendorf und Hausen. Als es bei der Gemeindereform um die künftige Kreiszugehörigkeit dieser Gemeinden ging, wurde nach folgender sonderbarer Zuordnung verfahren: Jede Gemeinde sollte künftig dorthin gehören, wo sie ihre Toten beerdigt. „Weil Moosbeurer in Oberstadion, die Leute aus dem Täle jedoch in Oggelsbeuren beigesetzt wurden, kam Moosbeuren nach Oberstadion und damit in den späteren Alb-Donau-Kreis und s’Täle nach Attenweiler also in den Landkreis Biberach, zu dem auch viele Moosbeurer gerne gehört hätten“, weiß Steinle.
Josef Sauter, Bürgermeister in Hundersingen, und Bürgermeister Hess aus Grundsheim hatten sich 1972 erfolgreich gegen die Eingemeindung ihrer Gemeinden gewehrt. Um sie doch zur Eingemeindung zu bewegen, wurden sogenannte Teilverwaltungsräume gegründet. Daraus entstand die heutige VG Munderkingen, die es ihren 13 Mitgliedsgemeinden bis heute ermöglicht, selbstständig zu bleiben.
Bis 1975 blieb auch Hundersingen eine selbstständige Gemeinde, mit Sauter als hauptamtlichem Bürgermeister. „Der stand 1975 zur Wahl, konnte aber wegen seines Alters nicht mehr als Bürgermeister kandidieren“, erzählt Steinle. Diese Gelegenheit ergriff Oberstadions Schultes Schneider, bot dem Hundersinger an, dass er nach der Eingemeindung in Hundersingen einen Ortschaftsrat bekomme und Ortsvorsteher werden könne. Gemeinderat und Bürger Hundersingens waren einverstanden, Hundersingen wurde 1975 eingemeindet, aber Sauter wurde nicht in den neuen Ortschaftsrat gewählt und konnte deshalb auch nicht Ortsvorsteher werden.