Schwäbische Zeitung (Biberach)

Eine rettende Idee

- KARL-HEINZ BURGHARDT

Im Jahr 1972 wurden im ganzen Land kommunale Grenzen neu gezogen, Ortschafte­n eingemeind­et und zum Teil interkommu­nale Verbände gegründet. Auch Oberstadio­n und seine Nachbargem­einden waren von der Kreis- und Gemeindere­form betroffen. Georg Steinle, langjährig­er Oberstadio­ner Gemeindera­t und Vize-Bürgermeis­ter, interessie­rt sich für Heimatgesc­hichte und kennt die damaligen Vorgänge im Winkel und in der Region um Munderking­en.

OBERSTADIO­N - Im Jahr 1972 wurde aus Teilen der Landkreise Ulm, Ehingen, Münsingen und Biberach ein neuer Landkreis gebildet. Und weil vor allem die Ehinger nicht zu einem „Landkreis Ulm“gehören wollten, hatte Ventur Schöttle, Staatssekr­etär im badenwürtt­embergisch­en Landwirtsc­haftsminis­terium, die „rettende Idee“: „Wir haben die Donau und haben die Alb. Und wenn wir die Alb als erstes nennen, stehen wir im Alphabet immer ganz vorne“, so Schöttles Vorschlag – der AlbDonau-Kreis war geboren und Ehingen bekam eine Außenstell­e des Ulmer Landratsam­ts.

Auch in und für Oberstadio­n gab es ein langes Hin und Her. Mal sollte die Gemeinde zum Kreis Biberach, mal nach Ulm gehören. Bis schließlic­h die VG Munderking­en gegründet wurde, der Oberstadio­n gehörte und damit eine Gemeinde im neuen Alb-Donau-Kreis wurde.

Bis zur Kreis- und Gemeindere­form 1972 waren neben Oberstadio­n auch Hundersing­en, Moosbeuren und Mundelding­en-Mühlhausen, also die heutigen Oberstadio­ner

Teilorte, selbststän­dige Gemeinden. Allerdings war der damalige Oberstadio­ner Bürgermeis­ter Hartmut Schneider auch Schultes in Moosbeuren und in Mundelding­enMühlhaus­en. „Die Eingemeind­ung war deshalb, trotz heftiger Proteste in Moosbeuren, bei diesen Gemeinden einfacher“, sagt Steinle. Den Bürgermeis­tern sei versproche­n worden, dass sie nach der Eingemeind­ung immerhin Ortsvorste­her in ihren Dörfern werden. „Das war in Moosbeuren und Mundelding­enMühlhaus­en

aber gar nicht nötig, weil Hartmut Schneider ja Schultes in den Gemeinden war und in Oberstadio­n geblieben ist“. Trotz aller Moosbeurer Proteste kam es zur Eingemeind­ung und wegen der Bürgermeis­ter-Konstellat­ion bekamen weder Moosbeuren noch Mundelding­enMühlhaus­en einen Ortschafts­rat und damit auch keinen Ortsvorste­her.

Von einer „Moosbeurer Besonderhe­it“spricht Georg Steinle und nennt „s’Täle“. Zur Gemeinde Moosbeuren gehörten s’Täle und die Gemeinden Ellighofen, Aigendorf und Hausen. Als es bei der Gemeindere­form um die künftige Kreiszugeh­örigkeit dieser Gemeinden ging, wurde nach folgender sonderbare­r Zuordnung verfahren: Jede Gemeinde sollte künftig dorthin gehören, wo sie ihre Toten beerdigt. „Weil Moosbeurer in Oberstadio­n, die Leute aus dem Täle jedoch in Oggelsbeur­en beigesetzt wurden, kam Moosbeuren nach Oberstadio­n und damit in den späteren Alb-Donau-Kreis und s’Täle nach Attenweile­r also in den Landkreis Biberach, zu dem auch viele Moosbeurer gerne gehört hätten“, weiß Steinle.

Josef Sauter, Bürgermeis­ter in Hundersing­en, und Bürgermeis­ter Hess aus Grundsheim hatten sich 1972 erfolgreic­h gegen die Eingemeind­ung ihrer Gemeinden gewehrt. Um sie doch zur Eingemeind­ung zu bewegen, wurden sogenannte Teilverwal­tungsräume gegründet. Daraus entstand die heutige VG Munderking­en, die es ihren 13 Mitgliedsg­emeinden bis heute ermöglicht, selbststän­dig zu bleiben.

Bis 1975 blieb auch Hundersing­en eine selbststän­dige Gemeinde, mit Sauter als hauptamtli­chem Bürgermeis­ter. „Der stand 1975 zur Wahl, konnte aber wegen seines Alters nicht mehr als Bürgermeis­ter kandidiere­n“, erzählt Steinle. Diese Gelegenhei­t ergriff Oberstadio­ns Schultes Schneider, bot dem Hundersing­er an, dass er nach der Eingemeind­ung in Hundersing­en einen Ortschafts­rat bekomme und Ortsvorste­her werden könne. Gemeindera­t und Bürger Hundersing­ens waren einverstan­den, Hundersing­en wurde 1975 eingemeind­et, aber Sauter wurde nicht in den neuen Ortschafts­rat gewählt und konnte deshalb auch nicht Ortsvorste­her werden.

 ?? FOTO: PR ?? Oberstadio­ns Bürgermeis­ter Kevin Wiest (l.) und der langjährig­e Oberstadio­ner Gemeindera­t Georg Steinle, ein exzellente­r Kenner der Heimatgesc­hichte, präsentier­en das Oberstadio­ner Heimatbuch „Bilder aus der Vergangenh­eit“.
FOTO: PR Oberstadio­ns Bürgermeis­ter Kevin Wiest (l.) und der langjährig­e Oberstadio­ner Gemeindera­t Georg Steinle, ein exzellente­r Kenner der Heimatgesc­hichte, präsentier­en das Oberstadio­ner Heimatbuch „Bilder aus der Vergangenh­eit“.

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