Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hygge und Glotzbebbl
Innenarchitekten behaupten stets Widersprüchliches: Einerseits proklamieren sie, dass es sich der Mensch zu Hause besonders gemütlich macht, wenn es draußen unschön wird. Etwa weil die Großwetterlage Missmut stiftet. Andererseits wird davon geredet, dass sich die Auswirkungen der üblen Weltkrisen im Einrichtungsstil widerspiegeln.
Freilich kann man sagen, dass jedes Wohnzimmer wie ein Krisengebiet aussieht, wenn doppel-linkshändige Hausherrinnen und -herren Möbel mit Namen wie Linäs, Eket, Rönninge oder Rakkestad wochenends zusammenzuschrauben versuchen. Weil schwedische Möbelhäuser keine Anleitungen in Worten mitliefern. Sondern bizarre Männlein, respektive geschlechtslose Figuren in Bildergeschichten erklären, wie man einen Schlafzimmerschrank rechtzeitig vor dem Zubettgehen zusammengelötet bekommt.
Die Dänen haben für einen kuscheligen Lebensstil den Namen „Hygge“erfunden. Man muss sich diesen in etwa so vorstellen, als häkle jemand ein schönes Mäander um den trostlosen Alltag. Statt nachts um die dunklen Häuser zu ziehen, begibt sich der Hyggeianer nach Möglichkeit gar nicht mehr nach draußen, sondern erfreut sich an einer Tasse Tee mit Elch-Motiv, backt Plätzchen und beschäftigt sich mit Handarbeit. Denn auch in Dänemark ist bald Weihnachten. Leider gibt es in Deutschland kein Wort, das eine genaue Entsprechung des Begriffs „Hygge“besitzt. In Schwaben haben wir wenigsten so lyrische Wort-Delikatessen wie Kehrwoche oder Glotzbebbl. Und wie es im Wohnzimmer ausschaut, geht keinen was an. (nyf)
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