Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kompromisssuche unter Zeitdruck
Neuer Bürgergeld-Entwurf soll kommende Woche stehen – FPD auf Kuschelkurs
BERLIN (dpa) - Vor dem Vermittlungsverfahren zum geplanten Bürgergeld sendet die FDP Kompromisssignale an die Union. „Es bringt ja nichts, wenn alle auf dem Baum bleiben“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vor den Gesprächen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Am Montag hatte die geplante Sozialreform der Ampelkoalition, mit der Hartz IV in seiner heutigen Form abgelöst werden soll, im Bundesrat keine Mehrheit gefunden.
Dürr sagte, die Union verbreite „Märchen, wenn sie die ersten sechs Monate als sanktionsfreie Zeit darstellt“. Es sollten nur bestimmte Sanktionsmöglichkeiten wegfallen, die am Anfang des Bezugs ohnehin keine Relevanz hätten. Ziel dabei sei, Bürokratie abzubauen. „Aber wenn die Union dieses Symbol braucht, bin ich dafür offen, Sanktionsmöglichkeiten beizubehalten.“
Die Union hatte sich gegen die geplante „Vertrauenszeit“von einem halben Jahr gewandt, in der Bürgergeld-Bezieher kaum Leistungskürzungen bei Fehlverhalten droht. Dürr schloss aber aus, nur die Beträge der heutigen Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, wie dies die Unionsspitzen gefordert hatten. „Wenn wir nur die Regelsätze
erhöhen, wie die Union das will, verringern wir den Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen“, sagte der FDP-Politiker. FDP-Generalsekretär Bijan DjirSarai sagte: „Wenn die Union der Meinung ist, hier gibt es Wege, Sanktionen zu schärfen, dieses System des Bürgergeldes effizienter zu gestalten, dann sind wir sehr gerne dabei, mit der Union über diese Frage zu reden.“Mit der Union gebe es „große Schnittmengen“.
Heil hatte alle Seiten zur Offenheit für einen Kompromiss aufgerufen. So eine Verständigung soll nach seinem Willen bereits am 25. November in der Länderkammer verabschiedet werden, sodass das neue Regelwerk wie geplant am 1. Januar in Kraft treten kann. Es zeichnete sich ab, dass der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag voraussichtlich am 23. November über einen Kompromiss entscheiden soll.
Bayern zog am Dienstag klare rote Linien. Bayerns Sozial- und Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU) nannte nach einer Sitzung des Kabinetts in München drei Punkte, die das Bürgergeld „für uns nicht zustimmungsfähig machen“. „Dass es so gut wie keine Sanktionen gibt, ist nicht akzeptabel“, betonte Scharf etwa. CDU-Generalsekretär Mario Czaja betonte auf Twitter: „Unsere Hand bleibt ausgestreckt.“Die CDU wolle die Regelsätze erhöhen und Menschen so schnell es geht in Arbeit bringen.
Der Kinderschutzbund kritisierte die unionsgeführten Länder für ihre Blockade des Bürgergelds. „Die Verweigerungshaltung der Union beim Bürgergeld ist unanständig“, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. 54 Prozent der Bundesbürger glauben laut RTL/ ntv Trendbarometer, dass durch das künftige Bürgergeld Arbeitslose bessergestellt werden als Erwerbstätige mit geringem Einkommen. 38 Prozent glauben das nicht.