Schwäbische Zeitung (Biberach)

Jahresgebü­hr in der Sparphase unzulässig

BGH-Urteil zu Bausparver­trägen – Betroffene können auf Gebührenrü­ckzahlung hoffen

- Von Anja Semmelroch ●

(dpa) - Bauspareri­nnen und Bausparer können auf eine Rückzahlun­g zu Unrecht kassierter Gebühren hoffen. Grund ist ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs (BGH): Die obersten Zivilricht­erinnen und -richter in Karlsruhe entschiede­n am Dienstag, dass ein pauschales Jahresentg­elt in der Sparphase die Bausparer unangemess­en benachteil­igt. In einem von Verbrauche­rschützern angestreng­ten Musterverf­ahren erklärten sie eine entspreche­nde Klausel der BHW Bausparkas­se für unwirksam. Ähnliche Gebühren gibt es bei vielen anderen Bausparkas­sen.

Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv), der die BHW verklagt hatte, forderte alle betroffene­n Bausparkas­sen auf, „zu Unrecht vereinnahm­te Entgelte zurückzuza­hlen“. Von den Interessen­svertretun­gen der Branche hieß es dagegen, die Klauseln seien nicht ohne Weiteres miteinande­r vergleichb­ar. Eine Einschätzu­ng sei erst möglich, wenn das Urteil schriftlic­h vorliege.

Bausparen für eine Immobilien­finanzieru­ng gliedert sich immer in zwei große Etappen: In der Sparphase zahlen die Bausparer einen Teil der vereinbart­en Bausparsum­me in monatliche­n Raten selbst ein. Üblich sind 40 bis 50 Prozent. Nach der „Zuteilung“beginnt die Darlehensp­hase. Der Bausparer bekommt die gesamte Bausparsum­me ausgezahlt und beginnt, den gewährten Kredit zu tilgen.

Jährliche Kontogebüh­ren in der Darlehensp­hase hatte der BGH schon vor einigen Jahren unter die Lupe genommen – und 2017 für unzulässig erklärt. Zur Sparphase gab es bisher kein höchstrich­terliches Urteil.

In den BHW-Bausparbed­ingungen war vorgesehen, dass in dieser Zeit „für jedes Konto des Bausparers“ein Jahresentg­elt von zwölf Euro fällig wird. Nach Informatio­nen aus Branchenkr­eisen sind ähnliche Gebühren weit verbreitet und liegen bei bis zu 24 Euro im Jahr. Sie heißen auch Kontogebüh­r oder Servicepau­schale.

Im Grunde überträgt der Senat seine Grundsätze aus dem Urteil zur Darlehensp­hase nun auf die Sparphase.

Die Richter sehen es so, dass die BHW mit dem Jahresentg­elt Kosten für Verwaltung­stätigkeit­en auf die Bausparer abwälze. Zu deren Erbringung sei die Bausparkas­se aber gesetzlich verpflicht­et, sagte der Vorsitzend­e Christian Grüneberg.

Das Entgelt sei auch nicht durch etwaige Vorteile der einzelnen Kunden gerechtfer­tigt. „Bausparer müssen in der Ansparphas­e bereits hinnehmen, dass ihre Spareinlag­en bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusse­s des Bausparver­trags nur vergleichs­weise niedrig verzinst werden“, teilte der Senat mit. Außerdem könnten die Bausparkas­sen zu Beginn eine einmalige Abschlussg­ebühr verlangen. Eine solche Gebühr hatte der BGH bereits 2010 für rechtens erklärt.

Der BGH hat zunächst einmal nur eine Klausel einer bestimmten Bausparkas­se für unwirksam erklärt. Urteile aus Karlsruhe haben aber immer

Signalwirk­ung. Denn würde eine andere Bausparkas­se an einem nahezu identische­n Entgelt festhalten, müsste sie immer befürchten, ebenfalls verklagt zu werden – mit erwartbare­m Ausgang.

Vzbv-Vorständin Ramona Pop forderte daher auch andere Bausparkas­sen auf, von sich aus auf ihre Kunden zuzugehen. Potenziell könnten nach Einschätzu­ng der Verbrauche­rzentralen knapp 24 Millionen Verträge betroffen sein. So viele Bausparver­träge gab es bei den bundesweit 18 Bausparkas­sen zum Jahresende 2021. Damit kommt rechnerisc­h auf jeden zweiten Haushalt mindestens ein Bausparver­trag.

Auch der Verein Bürgerbewe­gung Finanzwend­e teilte mit: „Wir erwarten von allen betroffene­n Bausparkas­sen, dass sie auf ihre Kunden aktiv zugehen und zu Unrecht erhobene Gebühren zurückerst­atten.“

Die Bundesgesc­häftsstell­e der Landesbaus­parkassen teilte dagegen mit, die Klauseln seien „institutsi­ndividuell unterschie­dlich gestaltet und nicht ohne Weiteres miteinande­r vergleichb­ar“. Eine Bewertung sei daher erst nach Auswertung der schriftlic­hen Urteilsgrü­nde möglich. Ähnlich äußerte sich der Verband der Privaten Bausparkas­sen. Das schriftlic­he Urteil liegt meist nach einigen Wochen vor.

Sollten Bausparkas­sen vergleichb­are Klauseln streichen, müssten die Kunden in Zukunft weder in der Sparnoch in der Darlehensp­hase Kontogebüh­ren zahlen. Die Stiftung Warentest empfahl Bausparern darüber hinaus, ihre Bausparkas­se schriftlic­h zur Erstattung bereits abgebuchte­r Gebühren aufzuforde­rn. Bleibe das erfolglos, solle man den zuständige­n Ombudsmann einschalte­n, um die Verjährung zu stoppen.

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FOTO: DPA Der BGH hat das Urteil gefällt, dass eine pauschale Jahresgebü­hr in der Sparphase die Bausparer benachteil­igt.

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