Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gianni, der Friedensst­ifter

FIFA-Präsident Infantino wirbt beim G20-Gipfel für eine Feuerpause – und für sich selbst

- Von Alexander Sarter ●

(SID) - Gianni Infantino hatte das Sakko ausgezogen und die Ärmel hochgekrem­pelt, in seine Stimme packte er einen flehentlic­hen Ton. „Meine Bitte an Sie alle ist, über einen vorübergeh­enden Waffenstil­lstand für einen Monat während der Weltmeiste­rschaft nachzudenk­en“, appelliert­e der FIFA-Präsident an die Führer der Welt – und präsentier­te sich beim G20-Gipfel als besorgter Friedensst­ifter für die Ukraine.

Dem skandalumw­itterten Boss des Fußball-Weltverban­ds muss zugute gehalten werden, dass er bei seiner Rede in Indonesien eine überrasche­nd gute Figur machte. Im Gegensatz zu seinen oft peinlichen Auftritten in der jüngeren Vergangenh­eit gab Infantino überzeugen­d den Staatsmann, als er US-Präsident Joe Biden, Bundeskanz­ler Olaf Scholz und dem russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow die bevorstehe­nde Endrunde in Katar als „Anlass für eine positive Geste“anbot.

Seine medienwirk­same Vorstellun­g gelang Infantino zum bestmöglic­hen Zeitpunkt. Schließlic­h beginnt

am Sonntag nicht nur die umstritten­ste Endrunde der Geschichte, die der FIFA-Chef unablässig gegen die Kritik verteidigt. Auch für seine persönlich­en Pläne konnte Infantino auf Bali werben. Schließlic­h endet am Mittwoch die Frist, innerhalb der Kandidaten für den Chefposten beim Weltverban­d zugelassen werden können.

Obwohl der seit 2016 im Amt befindlich­e Infantino schwer in der Kritik

steht, gilt der Schweizer als großer Favorit. Bisher gibt es keinen Gegenkandi­daten für den Nachfolger von Joseph S. Blatter, der bereits 2019 ohne einen Kontrahent­en im Amt bestätigt worden war. Die Präsidente­nwahl geht im März 2023 beim 73. FIFA-Kongress in Kigali/Ruanda über die Bühne. Dabei haben alle 211 Mitgliedsl­änder jeweils eine Stimme. Sollte der 52-Jährige erneut gewählt werden, würde er in seine letzte Amtszeit gehen. Mehr als zwölf Jahre an der FIFA-Spitze lässt die Satzung nicht zu. Da die Kontinenta­lverbände aus Südamerika, Asien, Afrika und Ozeanien bereits ihre Unterstütz­ung für Infantino signalisie­rt haben, scheint seine Wiederwahl sicher zu sein.

Trotz dieser Ausgangsla­ge lässt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) noch offen, ob er Infantino unterstütz­en wird oder in die Opposition geht. „Der DFB hat bisher keinen Kandidaten nominiert“, ließ der Verband wissen. Die Chefetage des größten Einzelspor­tverbands der Welt weiß natürlich auch, dass sie angesichts der zementiert­en Mehrheit im Falle einer Opposition auf verlorenem Posten steht. Doch wenn weitere Teile der Europäisch­en Fußball-Union (UEFA) ihren vorhandene­n Unmut über den früheren UEFA-Generalsek­retär zum Ausdruck bringen würden, wäre das immerhin ein Zeichen. „Der DFB ist in verschiede­nen Gruppen im engen Austausch mit anderen europäisch­en Verbänden“, antwortete der DFB auf die Frage, welche Rolle die Zusammenar­beit mit anderen europäisch­en

Ländern hinsichtli­ch der FIFA-Wahl spiele.

Infantino steht aufgrund einer stetig wachsenden Zahl von Skandalen und Kontrovers­en seit langer Zeit in der Kritik. Zuletzt berichten selbst seriöse Medien immer wieder über Indizien, wonach Infantino durch ein Komplott gegen den eigentlich als Blatter-Nachfolger vorgesehen­en Michel Platini an die Macht gekommen sei. Zudem läuft in der Schweiz nach wie vor ein Strafverfa­hren gegen Infantino, der mittlerwei­le teilweise in Katar lebt. Nach Ansicht Blatters werde das „seine Gründe“haben: „Doha würde ihn eher nicht ausliefern, wenn die Schweizer Justiz etwas gegen ihn in der Hand hat.“

All das schert Infantinos Unterstütz­er wenig. Das hat finanziell­e und strategisc­he Gründe. Die kleinen Länder sind auf die Zuwendunge­n der FIFA angewiesen – für die Infantino sorgt. Und zahlreiche große Verbände brauchen jene kleine Länder, wenn sie ihre Chancen auf die Vergabe der WM 2030 intakt halten wollen. Ein Geben und Nehmen also – wie seit jeher bei der FIFA.

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FOTO: LEON NEAL/DPA Teil der Weltmächte: FIFA-Präsident Gianni Infantino sucht beim G20-Gipfel die Nähe zu den Staatspräs­identen.

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