Schwäbische Zeitung (Biberach)
Weniger Aufträge für Bau von Einfamilienhäusern
Was der Innungsobermeister zur Lage am Bau und zu den Aussichten sagt
- Hohe Materialpreise, hohe Bauzinsen und Fachkräftemangel: die Rahmenbedingungen für die Hochbaubranche sind schwierig. „Die Erwartungen für das kommende halbe Jahr sind von Sorgen dominiert“, meldet das ifo-Institut zur Situation in Deutschland. Wie sieht es im Landkreis Biberach aus? Die Auftragsbücher sind nach Angaben der Bauinnung Ulm-Biberach noch gefüllt, aber im Einfamilienhausbereich läuft es spürbar schlechter. Innungsobermeister Artur Braun schildert die Entwicklung und seine Erwartungen, wie es 2023 weitergeht.
Die Umfrage des Münchener ifoInstituts unter Hochbauunternehmen zeigt ein trübes Bild. Zwar sei die Zahl der Auftragsstornierungen im Oktober ein wenig zurückgegangen, aber für die ersten Unternehmen werde die Situation bereits bedrohlich, heißt es der aktuellen ifo-Pressemitteilung. 6,6 Prozent der Hochbaufirmen berichteten in der Umfrage von Finanzierungsschwierigkeiten. Im Oktober des Vorjahres habe der Anteil bei 0,6 Prozent gelegen. Die Erwartungen für das kommende halbe Jahr seien auf den tiefsten Stand seit 1991 gefallen, so die Münchner Forscher.
„Der Raum Biberach-Laupheim ist wirtschaftsstark, wir haben hier noch viele Aufträge, aber man merkt, dass es beim Einfamilienhaus stark zurückgeht“, sagt Artur Braun, Obermeister der Bauinnung Ulm-Biberach. So erlebt er es auch in seinem eigenen Betrieb, einem mittelständischen Familienunternehmen mit Sitz in Mietingen. Die Auftragslage beschreibt er als relativ stabil, „aber in erster Linie aufgrund langfristiger
Aufträge im Geschossbau“. „Zurzeit arbeiten wir an den Aufträgen vom Sommer und sind bis ins Frühjahr 2023 hinein ausgelastet“, sagt Braun. Beim Einfamilienhaus verzeichnet er hingegen seit Monaten eine rückläufige Entwicklung.
Der Paukenschlag sei Ende Januar erfolgt, als das Bundeswirtschaftsministerium plötzlich die Förderung für energieeffiziente Gebäude aussetzte, berichtet er. „Die Folgen haben wir schon im Februar und März gespürt. Da kam gleich von manchen Kunden der Hinweis, sie könnten es nicht mehr finanzieren“, erzählt Braun, dessen Unternehmen auch schlüsselfertiges Bauen anbietet. Bei der Einfamilienhaus-Kundschaft sei es ruhiger geworden.
Die Unsicherheit bei der staatlichen Förderung stellt seines Erachtens einen Faktor dar. Ein weiterer seien die Preissteigerungen. „Beinahe
täglich erhielten wir neue Preisforderungen von Lieferanten“, erzählt er. Das Ziegelwerk habe zum Beispiel früher einmal im Jahr eine Erhöhung von drei bis vier Prozent angekündigt. In diesem Jahr seien es sechs in Höhe von fünf bis sieben Prozent gewesen. „Für uns Unternehmen wurden die Baupreise fast unkalkulierbar“, schildert er die Probleme. Bis der Kunde sich für ein Angebot entschieden habe, dauere es ein bis zwei Monate, dann sei die nächste Materialpreiserhöhung bei ihm schon eingegangen.
Der entscheidende Punkt für die Zurückhaltung der Kunden ist seines Erachtens aber die Zinssteigerung. Vor einem Jahr habe man mit KfwDarlehen 0,8 bis 0,9 Prozent Zins gezahlt, jetzt liege man bei vier Prozent. „Das ist eine wahnsinnige Verteuerung.“
Braun beobachtet, dass Kunden teilweise ihre Bauvorhaben abspecken. „Wünsche werden reduziert“, erzählt er. Für Unternehmen bedeuteten solche schrittweisen Anpassungen einen hohen Zeitaufwand, es müssten immer wieder neue Angebote für das nochmals verschlankte Bauvorhaben erstellt werden.
Von Obermeisterkollegen aus dem Raum Stuttgart höre er, dass dort die Nachfrage nach Einfamilienhäusern noch stärker zurückgegangen sei als im Raum Ulm-Biberach, sagt Braun.
Der Geschäftsführer der Bauinnung Alexander Rother weiß von Auftrags-Stornierungen in der Branche. „Aber ich habe noch von keinem Unternehmen gehört, das dadurch in existenzbedrohende Schwierigkeiten geraten wäre“, sagt er.
Dass im nächsten Jahr die Kehrtwende kommt und die Nachfrage nach Einfamilienhäusern wieder anzieht, glaubt der Innungsobermeister nicht. Sie werde aufgrund der Unsicherheit
bei der Förderung weiter stocken und sich auf relativ verhaltenem Niveau bewegen, lautet seine Einschätzung. „Ich hoffe, dass die Politik im nächsten Jahr etwas unternimmt, um Bauanreize zu schaffen“, sagt er. Eine verlässliche Förderung und Abschreibungsmöglichkeiten würde er sich wünschen. Bauen sollte attraktiver gemacht werden, schließlich sei der Erwerb von Wohneigentum auch eine Altersvorsorge, sagt Braun.
Was den Geschossbau angeht, schaut er optimistischer ins nächste Jahr: „Da bin ich positiver gestimmt.“Er geht davon aus, dass nicht jeder, der den Traum vom Einfamilienhaus aufgibt, sich gleich vom Wunsch nach Wohneigentum verabschiedet. „Wenn das Einfamilienhaus nicht realisierbar ist, versucht man eventuell auf eine Eigentumswohnung zu wechseln. In welchem Maß dies der Fall sein wird, kann ich nicht sagen, aber in der Stadt wird man eher wechseln“, sagt der Obermeister. In Sanierungen, in Um- oder Rückbau von alten Häusern in Ortskernen sieht er zudem Potenzial. Solche Aufträge würden künftig zunehmen. „Ich denke, der Geschossbau wird länger stabil laufen, ich bin da noch guter Dinge.“
In seinem Betrieb jedenfalls muss er derzeit sogar manche Geschossbauaufträge ablehnen – wegen des Fachkräftemangels.
Dass die Personalsuche 2023 einfacher wird, erwartet Braun nicht. Ein wenig Entspannung sieht er hingegen bei den Materialpreisen. „Energiestarke Produkte werden ein bisschen günstiger werden. Aber das alte Niveau werden wir nicht erreichen, von der Erwartung haben meine Kollegen und ich uns verabschiedet.“