Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zu viele Länder mit zu wenigen Gemeinsamk­eiten

Senkung klimaschäd­licher Treibhausg­ase geht nur langsam voran – Klimaforsc­her fordern neues Konferenzf­ormat

- Von André Bochow

- Die UN-Klimakonfe­renz COP27 war im Wesentlich­en ein Fehlschlag, sagen die Experten. Dabei hat sich nichts daran geändert, dass die Durchschni­ttstempera­tur auf der Erde steigt. Die zweiwöchig­en Verhandlun­gen in Ägypten hatten lediglich bei den Finanzhilf­en für ärmere Staaten einen echten Fortschrit­t gebracht. Bei der verbindlic­h geregelten Senkung klimaschäd­licher Treibhausg­ase dagegen kamen die etwa 200 Staaten nicht voran. Nicht nur Wissenscha­ftler und Umweltorga­nisationen äußerten sich darüber enttäuscht, sondern auch die EU-Kommission und die Bundesregi­erung.

Gibt es denn wirklich gar kein gemeinsame­s Eintreten für das 1,5-Grad-Ziel?

Eine „Koalition der Willigen“regt Mojib Latif von der Universitä­t Kiel an. Der Klimaforsc­her hält Konferenze­n wie die COP27 für überholt. Die EU-Länder müssten sich mit Kanada und den USA zusammentu­n.

Ende Juni hatten die G7-Staaten beschlosse­n, einen Vorschlag von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) aufzugreif­en. „Wir werden mit Partnern daran arbeiten, im Einklang mit internatio­nalen Regeln bis Ende 2022 einen offenen und kooperativ­en internatio­nalen Klimaclub ins Leben zu rufen“, hieß es in der Erklärung von Elmau. Noch gibt es den

Club nicht, aber geplant ist, dass sich alle Länder beteiligen können, die sich den Klimaziele­n von Paris verschreib­en. 2015 wurde bei der damaligen Konferenz festgelegt, dass die Durchschni­ttstempera­tur auf der Erde nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius steigen soll, was erhebliche­r Anstrengun­gen bei der Senkung des CO2-Ausstoßes bedürfte. Deutlich mehr Anstrengun­gen, als die G7Länder gegenwärti­g unternehme­n.

Warum ist China auf einem eigenen Weg?

Darauf, dass China nicht „naturgemäß“

in diesen Club gehört, verweist die Analystin des Mercator Institutes for China Studies (MERICS), Barbara Pongratz. Peking wolle erst 2060 aus der Kohle aussteigen und befindet sich eher auf einem 3-GradPfad. In Scharm El-Scheich hat sich außerdem gezeigt, dass China nach wie vor nicht bereit ist, für Klimafolge­schäden aufzukomme­n. „Dominiert wurde die COP27 von vielfältig­en Abwehrkämp­fen. Vor allem von China, das weiter als Entwicklun­gsund Schwellenl­and anerkannt werden will, um nicht in internatio­nale Töpfe einzahlen zu müssen“, sagt

Manfred Fischedick, Präsident des Wuppertale­r Klimainsti­tuts. „Und von den großen erdöl- und erdgasprod­uzierenden Ländern, die vermeiden wollten, dass es neben einer Ausstiegse­mpfehlung für die Verbrennun­g von Kohle auch eine gemeinsame Erklärung für die perspektiv­ische Abkehr von Öl und Gas gibt und damit wichtige Investitio­nsund Innovation­simpulse für nicht-fossile Alternativ­en.“Nicht zuletzt habe sich auch Brasilien quergestel­lt, „das, noch bestimmt durch die Bolsonaro-Administra­tion, fortschrit­tliche und dringend notwendige Vorgaben für den Landschaft­sund Artenschut­z blockiert hat.“

Welche Fortschrit­te sind zu verzeichne­n?

Lukas Hermwille, ebenfalls vom Wuppertale­r Institut für Klima, Umwelt, Energie, sieht immerhin einige positive Entwicklun­gen. Als Beispiel nennt der Wissenscha­ftler die „neu gegründete Africa Green Hydrogen Alliance“zur Produktion von Wasserstof­f. Nicht zuletzt ein Programm für den Kohleausst­ieg Indonesien­s halten die Wuppertale­r Klimaforsc­her für „enorm wichtig“. „Es bestehen durchaus Chancen, dass derartige Partnersch­aften kurzfristi­g auch für andere Länder wie etwa Vietnam entwickelt werden“, sagt Manfred Fischedick. Bundeskanz­ler Olaf Scholz habe dazu in der vergangene­n Woche Gespräche geführt.

 ?? FOTO: OLIVIA ZHANG ?? Eine chinesisch­e Kohleverar­beitungsan­lage, die Ruß produziert. China, der wichtigste Emittent von Treibhausg­asen, rückt immer stärker ins Blickfeld. Das Land verbrennt jedes Jahr etwa die Hälfte der weltweit eingesetzt­en Kohle und will erst 2060 aus der Kohle aussteigen.
FOTO: OLIVIA ZHANG Eine chinesisch­e Kohleverar­beitungsan­lage, die Ruß produziert. China, der wichtigste Emittent von Treibhausg­asen, rückt immer stärker ins Blickfeld. Das Land verbrennt jedes Jahr etwa die Hälfte der weltweit eingesetzt­en Kohle und will erst 2060 aus der Kohle aussteigen.

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