Schwäbische Zeitung (Biberach)
Zu viele Länder mit zu wenigen Gemeinsamkeiten
Senkung klimaschädlicher Treibhausgase geht nur langsam voran – Klimaforscher fordern neues Konferenzformat
- Die UN-Klimakonferenz COP27 war im Wesentlichen ein Fehlschlag, sagen die Experten. Dabei hat sich nichts daran geändert, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erde steigt. Die zweiwöchigen Verhandlungen in Ägypten hatten lediglich bei den Finanzhilfen für ärmere Staaten einen echten Fortschritt gebracht. Bei der verbindlich geregelten Senkung klimaschädlicher Treibhausgase dagegen kamen die etwa 200 Staaten nicht voran. Nicht nur Wissenschaftler und Umweltorganisationen äußerten sich darüber enttäuscht, sondern auch die EU-Kommission und die Bundesregierung.
Gibt es denn wirklich gar kein gemeinsames Eintreten für das 1,5-Grad-Ziel?
Eine „Koalition der Willigen“regt Mojib Latif von der Universität Kiel an. Der Klimaforscher hält Konferenzen wie die COP27 für überholt. Die EU-Länder müssten sich mit Kanada und den USA zusammentun.
Ende Juni hatten die G7-Staaten beschlossen, einen Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufzugreifen. „Wir werden mit Partnern daran arbeiten, im Einklang mit internationalen Regeln bis Ende 2022 einen offenen und kooperativen internationalen Klimaclub ins Leben zu rufen“, hieß es in der Erklärung von Elmau. Noch gibt es den
Club nicht, aber geplant ist, dass sich alle Länder beteiligen können, die sich den Klimazielen von Paris verschreiben. 2015 wurde bei der damaligen Konferenz festgelegt, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erde nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius steigen soll, was erheblicher Anstrengungen bei der Senkung des CO2-Ausstoßes bedürfte. Deutlich mehr Anstrengungen, als die G7Länder gegenwärtig unternehmen.
Warum ist China auf einem eigenen Weg?
Darauf, dass China nicht „naturgemäß“
in diesen Club gehört, verweist die Analystin des Mercator Institutes for China Studies (MERICS), Barbara Pongratz. Peking wolle erst 2060 aus der Kohle aussteigen und befindet sich eher auf einem 3-GradPfad. In Scharm El-Scheich hat sich außerdem gezeigt, dass China nach wie vor nicht bereit ist, für Klimafolgeschäden aufzukommen. „Dominiert wurde die COP27 von vielfältigen Abwehrkämpfen. Vor allem von China, das weiter als Entwicklungsund Schwellenland anerkannt werden will, um nicht in internationale Töpfe einzahlen zu müssen“, sagt
Manfred Fischedick, Präsident des Wuppertaler Klimainstituts. „Und von den großen erdöl- und erdgasproduzierenden Ländern, die vermeiden wollten, dass es neben einer Ausstiegsempfehlung für die Verbrennung von Kohle auch eine gemeinsame Erklärung für die perspektivische Abkehr von Öl und Gas gibt und damit wichtige Investitionsund Innovationsimpulse für nicht-fossile Alternativen.“Nicht zuletzt habe sich auch Brasilien quergestellt, „das, noch bestimmt durch die Bolsonaro-Administration, fortschrittliche und dringend notwendige Vorgaben für den Landschaftsund Artenschutz blockiert hat.“
Welche Fortschritte sind zu verzeichnen?
Lukas Hermwille, ebenfalls vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie, sieht immerhin einige positive Entwicklungen. Als Beispiel nennt der Wissenschaftler die „neu gegründete Africa Green Hydrogen Alliance“zur Produktion von Wasserstoff. Nicht zuletzt ein Programm für den Kohleausstieg Indonesiens halten die Wuppertaler Klimaforscher für „enorm wichtig“. „Es bestehen durchaus Chancen, dass derartige Partnerschaften kurzfristig auch für andere Länder wie etwa Vietnam entwickelt werden“, sagt Manfred Fischedick. Bundeskanzler Olaf Scholz habe dazu in der vergangenen Woche Gespräche geführt.