Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kompromiss unter Zeitdruck

- Von Claudia● Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Ein leises Triumphgeh­eul wird sich die Unionsfrak­tion gegönnt haben. Der Kompromiss zum Bürgergeld ist ein Sieg von CDU/ CSU auf ganzer Linie. Die größte Kröte für Grüne und SPD ist das Ende der sogenannte­n Vertrauens­zeit. Die Ampel muss sich von der Idee, wenig kooperativ­e Arbeitslos­e nur eingeschrä­nkt mit Sanktionen zu belegen, verabschie­den, um das Reformproj­ekt Bürgergeld als Ganzes zu retten. Denn auch die Erhöhung der Regelsätze zum 1. Januar würde scheitern, wenn die Einigung nicht durchgeht.

Die Union hatte also gute Argumente auf ihrer Seite: erstens den Zeitdruck, unter dem die Ampel-Koalition steht, zweitens die klare Ablehnung der Länder, in denen eine CPartei Teil der Regierung ist. Das dürfte auch den feurigsten Befürworte­rn des Bürgergeld­es wie Arbeitsmin­ister Hubertus Heil klargemach­t haben, dass sie bei der „größten Sozialrefo­rm seit 20 Jahren“Abstriche machen müssen. Der FDP kam die Interventi­on der Union ohnehin gelegen, weil so etwas verhindert wird, das dem Liberalen-Klientel deutlich missfallen hat. Die Annahme, dass es CDU/CSU dabei nur um die Sache ging, wäre aber naiv. Der Streit um das Bürgergeld gab der Union nach gut zwölf Monaten in der Opposition die Gelegenhei­t zu demonstrie­ren, dass sie noch Zähne hat und auch zubeißen kann. Von den Ländern wiederum war es eine klare Ansage an die Bundesregi­erung, dass sie gegenhalte­n, wenn sie ihre Interessen nicht ausreichen­d berücksich­tigt sehen.

Den Bürgern, die mit ihren Steuergeld­ern das Bürgergeld finanziere­n, kann es letztlich egal sein, welches Kalkül hinter dem Kompromiss steht. Unterm Strich zählt, dass kaum nachvollzi­ehbare Regelungen wie die Vertrauens­zeit und die geplanten hohen Schonvermö­gen korrigiert und sinnvolle Ansätze wie mehr Weiterbild­ung und höhere Hinzuverdi­enstgrenze­n beibehalte­n wurden. Letztlich geht es bei der Reform ja darum, Menschen, die schon viel zu lange ohne Arbeit sind, so zu befähigen, dass sie wieder einen guten Job finden. Dieser Ansatz bleibt in der abgespeckt­en Fassung des Bürgergeld­es erhalten.

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