Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kompromiss unter Zeitdruck
Ein leises Triumphgeheul wird sich die Unionsfraktion gegönnt haben. Der Kompromiss zum Bürgergeld ist ein Sieg von CDU/ CSU auf ganzer Linie. Die größte Kröte für Grüne und SPD ist das Ende der sogenannten Vertrauenszeit. Die Ampel muss sich von der Idee, wenig kooperative Arbeitslose nur eingeschränkt mit Sanktionen zu belegen, verabschieden, um das Reformprojekt Bürgergeld als Ganzes zu retten. Denn auch die Erhöhung der Regelsätze zum 1. Januar würde scheitern, wenn die Einigung nicht durchgeht.
Die Union hatte also gute Argumente auf ihrer Seite: erstens den Zeitdruck, unter dem die Ampel-Koalition steht, zweitens die klare Ablehnung der Länder, in denen eine CPartei Teil der Regierung ist. Das dürfte auch den feurigsten Befürwortern des Bürgergeldes wie Arbeitsminister Hubertus Heil klargemacht haben, dass sie bei der „größten Sozialreform seit 20 Jahren“Abstriche machen müssen. Der FDP kam die Intervention der Union ohnehin gelegen, weil so etwas verhindert wird, das dem Liberalen-Klientel deutlich missfallen hat. Die Annahme, dass es CDU/CSU dabei nur um die Sache ging, wäre aber naiv. Der Streit um das Bürgergeld gab der Union nach gut zwölf Monaten in der Opposition die Gelegenheit zu demonstrieren, dass sie noch Zähne hat und auch zubeißen kann. Von den Ländern wiederum war es eine klare Ansage an die Bundesregierung, dass sie gegenhalten, wenn sie ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt sehen.
Den Bürgern, die mit ihren Steuergeldern das Bürgergeld finanzieren, kann es letztlich egal sein, welches Kalkül hinter dem Kompromiss steht. Unterm Strich zählt, dass kaum nachvollziehbare Regelungen wie die Vertrauenszeit und die geplanten hohen Schonvermögen korrigiert und sinnvolle Ansätze wie mehr Weiterbildung und höhere Hinzuverdienstgrenzen beibehalten wurden. Letztlich geht es bei der Reform ja darum, Menschen, die schon viel zu lange ohne Arbeit sind, so zu befähigen, dass sie wieder einen guten Job finden. Dieser Ansatz bleibt in der abgespeckten Fassung des Bürgergeldes erhalten.