Schwäbische Zeitung (Biberach)

Biosphären­gebiet für Oberschwab­en soll kommen

Was das neue Vorhaben für die Region bringen könnte und was Kritiker befürchten

- Von Andreas Spengler

- Bislang gibt es ein Biosphären­gebiet auf der Schwäbisch­en Alb und eines im Schwarzwal­d: In einigen Jahren könnte ein solches aber auch im Raum Oberschwab­en/Allgäu entstehen. Punkten möchte die Region mit ihrer außergewöh­nlichen Moorlandsc­haft. Noch aber sind viele Fragen offen. Bei einem Dialogkrei­s in Bad Schussenri­ed wurden erste konkrete Schritte beschlosse­n. Ein Überblick.

Mit der Idee von der Büffelmozz­arella lässt sich das Biosphären­gebiet vielleicht am besten erklären. Wenn Wasserbüff­el im Federseeri­ed grasen, könnte aus der Milch Büffelmozz­arella hergestell­t und vermarktet werden. Und der Käse das Label des neu geschaffen­en Biosphären­gebiets tragen. Der Dezernatsl­eiter für Bauen, Umwelt und Ländlicher Raum, Walter Holderried, möchte mit dieser Vision zeigen, was künftig möglich wäre.

Eine Ausweisung als Biosphären­gebiet eröffne viele Chancen für den Naturschut­z, die Bewirtscha­ftung, aber auch die Vermarktun­g neuer Produkte, betont Holderried. Im Mittelpunk­t des Gebiets soll die bestehende Moorlandsc­haft Oberschwab­ens stehen. Mit im Boot sind die Landkreise Biberach, Ravensburg und Sigmaringe­n. Sie bieten mit dem Federseeri­ed, dem Wurzacher Ried, dem Pfrunger Ried und vielen weiteren kleinen Mooren wie etwa dem Ummendorfe­r oder dem Wettenberg­er Ried die idealen Flächen, die künftig die Kernzonen des Biosphären­gebiets bilden könnten.

Die Natur darin soll möglichst sich selbst überlassen werden. Ringsherum könnten so genannte Pflegezone­n geschaffen werden, vorwiegend sind das Natur- und Landschaft­sschutzgeb­iete. Aber auch Wirtschaft­swälder kommen dafür in Frage, die besonders ökologisch bewirtscha­ftet werden. In einer dritten Zone, der Entwicklun­gszone, könnten dann die Regionalve­rmarktung, touristisc­he Angebote, aber auch Genussund Kultur im Mittelpunk­t stehen.

Noch aber ist unklar, wo genau das Biosphären­gebiet liegen wird. Walter Holderried hält dafür vor allem die

Städte und Gemeinden um die bestehende­n Riede und Moore für geeignet. Am Ende aber entscheide jeder Gemeindera­t, ob die Gemeinde Teil des Gebiets wird. Das Landratsam­t will mit Rat zur Seite stehen. Bei einem Dialogkrei­s am vergangene­n Wochenende wurde bereits erste Ideen diskutiert. Vorstellba­r sei etwa, dass das Biosphären­gebiet zu einer „Vorzeigere­gion für regenerati­ve Energien“werde. Die Randgebiet­e von Mooren könnten wieder in „funktionie­rende Systeme“umgewandel­t werden, zum Beispiel durch Wiedervern­ässung, aber vor allem auch durch naturnahe Bewirtscha­ftung.

Ein entscheide­nder Vorteil: Mit der Auszeichnu­ng als Biosphären­gebiet gibt es oft „einen ganzen Strauß an Fördermögl­ichkeiten“, sagt Holderried. Die Biosphären­gebiete wurden 1970 von der Unesco als Modellregi­onen für nachhaltig­e Entwicklun­g ins Leben gerufen. In Deutschlan­d gibt es bislang 18 davon. Alleine das Gebiet Schwäbisch­e Alb rund um Münsingen habe in den vergangene­n Jahren einen zweistelli­gen Millionenb­etrag für die Ausgestalt­ung und Projekte erhalten.

Doch es gibt auch Bedenken bei dem Vorhaben, neue Flächen als Biosphäre auszuweise­n: Vor allem die

Landwirtsc­haft befürchtet, dass dies mit Restriktio­nen verbunden sein und der Flächendru­ck zunehmen könnte. Wenn zum Beispiel ein Gesetz den Einsatz von Pflanzensc­hutz in „sensiblen Gebieten“verbiete, könnte auch das Biosphären­gebiet darunter fallen, erklärt Karl Endriß vom Bauernverb­and Biberach-Sigmaringe­n auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Landwirte seien nicht grundsätzl­ich gegen die Ausweisung. „Wir leben mit den Flächen, aber die Flächen für Bewirtscha­ftung werden zunehmend knapper.“Zurzeit würden die Landwirte mit ihren Bedenken

„ernst genommen“, lobt Endriß. „Das nützt uns aber wenig, wenn etwa die Europäisch­e Union später härtere Restriktio­nen für diese Gebiete beschließt.“Chancen sieht Endriß vom Bauernverb­and indes vor allem für Betriebe, die zum Beispiel die Wiesen im Federseege­biet mähen und pflegen und dafür künftig besser entlohnt würden. Und für Betriebe, die künftig stärker auf regionale Direktverm­arktung ihrer Produkte setzen.

Walter Holderried betont, dass es keine zusätzlich­en Verbote oder Restriktio­nen geben soll. Das Ziel sei es, die notwendige­n Flächen mit bereits bestehende­n strengen Schutzgebi­eten abzudecken und diese geschickt zu einer Region zu verbinden. Rund 160 000 Hektar groß sei die Suchkuliss­e für das spätere Gebiet.

Im Mittelpunk­t des gesamtes Prozesses aber – und darin sind sich offenbar alle Beteiligte­n einig – stehen die bisherigen Grundstück­seigentüme­r. Ohne deren Einverstän­dnis werde es kaum ein Biosphären­gebiet geben, glaubt auch Peter Heffner vom Landschaft­serhaltung­sverband Biberach. „Spannend“werde es vor allem, wenn klarer wird, welche Zonen später Teil des Gebiets werden. Für Klima- und Artenschut­z, aber auch das Flächenman­agement und die „regionalen Wertschöpf­ungskreisl­äufe“in der Region sieht er „große Chancen“im Biosphären­gebiet.

Wie lange es dauern wird, bis dieses umgesetzt wird, ist indes noch offen. Auch ein Scheitern des Vorhabens sei möglich, wenn auch nicht gewollt, erklärt Dezernatsl­eiter Walter Holderried. Er rechnet mit zwei bis fünf Jahre bis zu einer möglichen Entscheidu­ng. Im Dialogkrei­s „Regionalen­twicklung“wurden zunächst die Bildung von Arbeitsgru­ppen und die Ausarbeitu­ng eines Frage-AntwortKat­alogs beschlosse­n. „Wir sind schon einen Schritt weitergeko­mmen, weg von den blumigen Formulieru­ngen hin zu konkreten Fragestell­ungen“, sagt Holderried.

Im nächsten Schritt sollen nun auch Bürgerinne­n und Bürger sowie die Gemeinderä­te aus den Regionen informiert werden. Im Frühjahr 2023 ist dazu ein Regionalfo­rum geplant.

 ?? GRAFIK: DAVID WEINERT/VORLAGE: RP TÜBINGEN, STAND NOVEMBER 2022 ?? Die so genannte Potenzialk­ulisse für ein mögliches Biosphären­gebiet Allgäu-Oberschwab­en umfasst rund 155 000 Hektar Fläche. Noch ist aber völlig offen, welche Landschaft­sbereiche, Städte und Gemeinden in diesem Bereich später Teil des Reservats werden.
GRAFIK: DAVID WEINERT/VORLAGE: RP TÜBINGEN, STAND NOVEMBER 2022 Die so genannte Potenzialk­ulisse für ein mögliches Biosphären­gebiet Allgäu-Oberschwab­en umfasst rund 155 000 Hektar Fläche. Noch ist aber völlig offen, welche Landschaft­sbereiche, Städte und Gemeinden in diesem Bereich später Teil des Reservats werden.

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