Schwäbische Zeitung (Biberach)
Biosphärengebiet für Oberschwaben soll kommen
Was das neue Vorhaben für die Region bringen könnte und was Kritiker befürchten
- Bislang gibt es ein Biosphärengebiet auf der Schwäbischen Alb und eines im Schwarzwald: In einigen Jahren könnte ein solches aber auch im Raum Oberschwaben/Allgäu entstehen. Punkten möchte die Region mit ihrer außergewöhnlichen Moorlandschaft. Noch aber sind viele Fragen offen. Bei einem Dialogkreis in Bad Schussenried wurden erste konkrete Schritte beschlossen. Ein Überblick.
Mit der Idee von der Büffelmozzarella lässt sich das Biosphärengebiet vielleicht am besten erklären. Wenn Wasserbüffel im Federseeried grasen, könnte aus der Milch Büffelmozzarella hergestellt und vermarktet werden. Und der Käse das Label des neu geschaffenen Biosphärengebiets tragen. Der Dezernatsleiter für Bauen, Umwelt und Ländlicher Raum, Walter Holderried, möchte mit dieser Vision zeigen, was künftig möglich wäre.
Eine Ausweisung als Biosphärengebiet eröffne viele Chancen für den Naturschutz, die Bewirtschaftung, aber auch die Vermarktung neuer Produkte, betont Holderried. Im Mittelpunkt des Gebiets soll die bestehende Moorlandschaft Oberschwabens stehen. Mit im Boot sind die Landkreise Biberach, Ravensburg und Sigmaringen. Sie bieten mit dem Federseeried, dem Wurzacher Ried, dem Pfrunger Ried und vielen weiteren kleinen Mooren wie etwa dem Ummendorfer oder dem Wettenberger Ried die idealen Flächen, die künftig die Kernzonen des Biosphärengebiets bilden könnten.
Die Natur darin soll möglichst sich selbst überlassen werden. Ringsherum könnten so genannte Pflegezonen geschaffen werden, vorwiegend sind das Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Aber auch Wirtschaftswälder kommen dafür in Frage, die besonders ökologisch bewirtschaftet werden. In einer dritten Zone, der Entwicklungszone, könnten dann die Regionalvermarktung, touristische Angebote, aber auch Genussund Kultur im Mittelpunkt stehen.
Noch aber ist unklar, wo genau das Biosphärengebiet liegen wird. Walter Holderried hält dafür vor allem die
Städte und Gemeinden um die bestehenden Riede und Moore für geeignet. Am Ende aber entscheide jeder Gemeinderat, ob die Gemeinde Teil des Gebiets wird. Das Landratsamt will mit Rat zur Seite stehen. Bei einem Dialogkreis am vergangenen Wochenende wurde bereits erste Ideen diskutiert. Vorstellbar sei etwa, dass das Biosphärengebiet zu einer „Vorzeigeregion für regenerative Energien“werde. Die Randgebiete von Mooren könnten wieder in „funktionierende Systeme“umgewandelt werden, zum Beispiel durch Wiedervernässung, aber vor allem auch durch naturnahe Bewirtschaftung.
Ein entscheidender Vorteil: Mit der Auszeichnung als Biosphärengebiet gibt es oft „einen ganzen Strauß an Fördermöglichkeiten“, sagt Holderried. Die Biosphärengebiete wurden 1970 von der Unesco als Modellregionen für nachhaltige Entwicklung ins Leben gerufen. In Deutschland gibt es bislang 18 davon. Alleine das Gebiet Schwäbische Alb rund um Münsingen habe in den vergangenen Jahren einen zweistelligen Millionenbetrag für die Ausgestaltung und Projekte erhalten.
Doch es gibt auch Bedenken bei dem Vorhaben, neue Flächen als Biosphäre auszuweisen: Vor allem die
Landwirtschaft befürchtet, dass dies mit Restriktionen verbunden sein und der Flächendruck zunehmen könnte. Wenn zum Beispiel ein Gesetz den Einsatz von Pflanzenschutz in „sensiblen Gebieten“verbiete, könnte auch das Biosphärengebiet darunter fallen, erklärt Karl Endriß vom Bauernverband Biberach-Sigmaringen auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Landwirte seien nicht grundsätzlich gegen die Ausweisung. „Wir leben mit den Flächen, aber die Flächen für Bewirtschaftung werden zunehmend knapper.“Zurzeit würden die Landwirte mit ihren Bedenken
„ernst genommen“, lobt Endriß. „Das nützt uns aber wenig, wenn etwa die Europäische Union später härtere Restriktionen für diese Gebiete beschließt.“Chancen sieht Endriß vom Bauernverband indes vor allem für Betriebe, die zum Beispiel die Wiesen im Federseegebiet mähen und pflegen und dafür künftig besser entlohnt würden. Und für Betriebe, die künftig stärker auf regionale Direktvermarktung ihrer Produkte setzen.
Walter Holderried betont, dass es keine zusätzlichen Verbote oder Restriktionen geben soll. Das Ziel sei es, die notwendigen Flächen mit bereits bestehenden strengen Schutzgebieten abzudecken und diese geschickt zu einer Region zu verbinden. Rund 160 000 Hektar groß sei die Suchkulisse für das spätere Gebiet.
Im Mittelpunkt des gesamtes Prozesses aber – und darin sind sich offenbar alle Beteiligten einig – stehen die bisherigen Grundstückseigentümer. Ohne deren Einverständnis werde es kaum ein Biosphärengebiet geben, glaubt auch Peter Heffner vom Landschaftserhaltungsverband Biberach. „Spannend“werde es vor allem, wenn klarer wird, welche Zonen später Teil des Gebiets werden. Für Klima- und Artenschutz, aber auch das Flächenmanagement und die „regionalen Wertschöpfungskreisläufe“in der Region sieht er „große Chancen“im Biosphärengebiet.
Wie lange es dauern wird, bis dieses umgesetzt wird, ist indes noch offen. Auch ein Scheitern des Vorhabens sei möglich, wenn auch nicht gewollt, erklärt Dezernatsleiter Walter Holderried. Er rechnet mit zwei bis fünf Jahre bis zu einer möglichen Entscheidung. Im Dialogkreis „Regionalentwicklung“wurden zunächst die Bildung von Arbeitsgruppen und die Ausarbeitung eines Frage-AntwortKatalogs beschlossen. „Wir sind schon einen Schritt weitergekommen, weg von den blumigen Formulierungen hin zu konkreten Fragestellungen“, sagt Holderried.
Im nächsten Schritt sollen nun auch Bürgerinnen und Bürger sowie die Gemeinderäte aus den Regionen informiert werden. Im Frühjahr 2023 ist dazu ein Regionalforum geplant.