Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kürzung der Betreuungszeiten trifft viele Familien
Zu „Biberach kürzt bei der Ganztagsbetreuung“(24. November):
Die Kita ist ein Erfolgsmodell, das nun Opfer der eigenen Popularität wurde: Die Nachfrage ist so groß, dass nun zu wenig Erziehende vorhanden sind. Schon seit Sommer wurden Öffnungszeiten verkürzt. Nun folgte der Gemeinderat einem Vorschlag der Verwaltung, nach dem die lange Ganztagesbetreuung (Modul GT55) künftig gar nicht mehr angeboten wird. Die Begründung ist, dass durch Einsparung von Betreuung in Randzeiten Erziehende frei werden, die an anderer Stelle eingesetzt werden können. Da aber bislang z. B. in der städtischen Kita in Randzeiten drei Gruppen zusammengelegt wurden, könnten faktisch nur wenige Erziehende eingespart werden. Zudem ist nicht garantiert, dass diese frei werdenden Fachkräfte dann auch Lücken in Biberach füllen und nicht abwandern. Dieser vermeintliche Nutzen steht in einem Missverhältnis zur hohen Anzahl von betroffenen Familien.
Wie dieser Beschluss zustande gekommen ist, hat viele Eltern verärgert - das Resultat hat nicht wenige bestürzt. Eklatant ist, dass die Eltern im Vorfeld nicht nach ihrem Bedarf befragt wurden. Stattdessen wurde für Oktober 2021 eine Nutzerfrequenzanalyse erstellt. Diese wurde somit ausgerechnet im wenig repräsentativen Zeitraum der Pandemie durchgeführt. Zudem gibt die durchschnittliche Anwesenheit von Kindern nicht direkt den Bedarf von Familien wieder: Viele Eltern haben sich für die Ganztagesbetreuung entschieden, um für ihre Arbeit wertvolle Flexibilität zu haben. Diese Eltern werden nun hart getroffen. Nun haben sie pro Tag zwei Stunden weniger Betreuungskorridor. Zudem ist zu befürchten, dass auch Krippen- und Hort-Zeiten gekürzt werden. Dies trifft besonders Eltern, die keine großelterliche Unterstützung vor Ort haben. Viele gut ausgebildete Fachkräfte sind hierhergezogen und wirken mit am hohen wirtschaftlichen Erfolg von Biberach. Kinderbetreuung in hoher Qualität und mit langen Betreuungszeiträumen ist ein hoher Standortvorteil. Deshalb sollte die Stadt im Wettbewerb um Erziehende alle Register ziehen, etwa durch großzügige übertarifliche Zulagen. Und wo wäre ein besserer Platz dies umzusetzen als im kleinen, starken, oberschwäbischen Biberach?