Schwäbische Zeitung (Biberach)
Das Ende des Sofa-Moralismus
Kaum glaubte man, die Republik ertrinke in ihrem rigiden Sofa-Moralismus, der sich an Katar, der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und einer PseudoProtestbinde am Oberarm ihres Kapitäns abarbeitet, da tauchen wie aus dem Nichts zwei einigermaßen überraschende Nachrichten auf. Das ach so verabscheuungswürdige Emirat Katar liefert uns ab dem Jahr 2026 beträchtliche Mengen an Flüssiggas – und der Bundestag wird an diesem Donnerstag endlich Ceta, das lange ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Kanada, beschließen.
Zur Erinnerung: Auch hier hatte ein breites rechts-linkes Bündnis große Bedenken, dass der zusätzliche Handel mit den Nordamerikanern das Puppenstübchen der Republik schmutzig machen und seine Bewohner verseuchen könnte. Das galt zwar vor allem für das Abkommen mit den USA, doch die Vereinbarungen mit Kanada wurden großzügig in den gleichen TTIP-Sauertopf gekippt. Höchste Zeit, dass dieses Abkommen nun endlich auch von Deutschland ratifiziert wird – mehr als fünf Jahre, nachdem das Europaparlament im Februar 2017 zugestimmt hat.
Der brutale Feldzug Russlands gegen die Ukraine hat diese aufrechte Empörung offenbar in beiden Fällen ordentlich durchgerüttelt. Zwar stören die Ansichten und Praktiken der Katarer viele Mitglieder der Bundesregierung immer noch, aber es geht nun eben um Gas für Heizung sowie Wirtschaft und nicht um Fußball. Wirtschaftsminister Robert Habeck freute sich jedenfalls über die lange Laufzeit und sagte: „15 Jahre ist super.“Offenbar stehen die Zeichen wieder auf Entspannung, trotz des Auftritts von Innenministerin Nancy Faeser mit der „One Love“-Armbinde bei der deutschen WM-Auftaktpleite gegen Japan. Mittlerweile hat die Nationalmannschaft die Kurve gekriegt, auf der Binde von DFB-Kapitän Manuel Neuer stand zuletzt „No discrimination“(„Keine Diskriminierung“) und Deutschland steht doch wieder vor dem Einzug ins WM-Achtelfinale.
Und ja, Wladimir Putins Krieg hat der Ampel-Regierung und insbesondere den Grünen in puncto Ceta bei der Einsicht geholfen, dass Kanada dann wohl doch zu den besseren Ländern dieser Welt gehört. Mit denen darf man dann sogar wieder Handel treiben.