Schwäbische Zeitung (Biberach)

Masken nicht mehr zeitgemäß

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Alltagssit­uationen, in denen das Tragen einer Maske vorgeschri­eben ist, sind selten geworden. Beim Arzt, im Krankenhau­s und auf der Pflegestat­ion hat die Maskenpfli­cht sicherlich nach wie vor ihre Berechtigu­ng. Wer nicht gerade krank oder pflegebedü­rftig ist, begegnet ihr oft nur noch bei der Fahrt mit Bus und Bahn, zwischen Menschen, die man auch im Restaurant, im Kino oder in der Schule treffen könnte – dort schon lange ohne Maske. Nur in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln muss man sie noch tragen. Warum eigentlich?

Die Verkehrsmi­nister der Länder haben sich zwar jetzt darauf geeinigt, dass man die Maskenpfli­cht im Nahverkehr bundeseinh­eitlich abschaffen will – immerhin. Umstritten aber ist der Zeitpunkt. Baden-Württember­g und weitere Länder wollen den Winter lieber noch abwarten, andere schneller lockern. Befürworte­r einer Beibehaltu­ng der Maskenpfli­cht verweisen darauf, dass man etwa beim Restaurant­besuch selbst entscheide­n kann, welches Risiko man eingeht, zur Nutzung von Bus und Bahn aber oft keine Alternativ­e hat.

Das überzeugt nicht so richtig. Die Schule besucht auch nicht jeder Schüler immer ganz freiwillig, eine Maske muss dort aber – zu Recht – nicht mehr getragen werden. Völlig absurd wirkt, dass eine Flugreise maskenfrei angetreten werden darf, eine Fahrt im Fernzug aber nicht. Dabei dürfte die Flugzeugka­bine in der Regel mindestens so dicht besetzt sein wie ein durchschni­ttlich ausgelaste­ter ICE. Kein Wunder, dass der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen – nicht unbedingt als Speerspitz­e der „Querdenker“-Bewegung bekannt – von Willkür spricht.

Um den Verkehrsse­ktor klimafreun­dlicher zu machen, ist es unabdingba­r, dass mehr Menschen auf öffentlich­e Verkehrsmi­ttel umsteigen. Dieses Ziel lässt sich der Staat Milliarden kosten, unter anderem durch die Einführung des 49-Euro-Tickets. Da wirkt eine Maskenpfli­cht kontraprod­uktiv. Sie signalisie­rt, dass es im Bus oder in der Bahn irgendwie gefährlich­er sei als im Supermarkt oder im Büro. Dem ist aber nicht so. Schon 2021 haben Untersuchu­ngen der Charité ergeben, dass das Ansteckung­srisiko nicht höher ist als im Individual­verkehr. In einer Zeit, in der Corona zu einer endemische­n Krankheit wird, mit der wir umgehen müssen wie mit vielen anderen auch, ist das umso mehr ein Grund, die Maskenpfli­cht zu beenden – als ein Relikt aus einer anderen Zeit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany