Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mehr Lohn, mehr Geld pro Kind

Baden-Württember­g zahlt ab heute vor allem Beamten in unteren Lohngruppe­n mehr

- Von Kara Ballarin

- Ab Dezember bekommen die 190.000 Landesbeam­ten in Baden-Württember­g mehr Geld. Dann schlägt nicht nur eine Lohnerhöhu­ng zu Buche. Vor allem Staatsdien­er in unteren Lohngruppe­n und solche mit vielen Kindern werden spürbar besser gestellt. Grund hierfür ist ein Gerichtsur­teil von 2020. Für den Staatshaus­halt bedeutet das einen dreistelli­gen Millionenb­etrag an Mehrkosten – jedes Jahr. Bayern wird auch nachbesser­n, ist aber noch nicht so weit wie der Nachbar im Westen. Das Wichtigste hierzu im Überblick.

Was ändert sich zum Dezember?

Erstens überträgt das Land den Tarifabsch­luss für Beschäftig­te im öffentlich­en Dienst auf seine Beamten. Alle bekommen 2,8 Prozent mehr Lohn, was den Staatshaus­halt laut Finanzmini­sterium mit rund 280 Millionen Euro belastet. Zweitens setzt das Land zeitgleich ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts von 2020 um. Es besagt, dass der Lohn von Beamten mindestens 15 Prozent über der Grundsiche­rung liegen muss – also über Sozialhilf­e, oder bald dem Bürgergeld. Nach der Systematik, die das Land hierfür entwickelt hat, kostet das 200 Millionen Euro jährlich. Drittens hat das Gericht zur Stärkung kinderreic­her Familien die 15-Prozent-Regel auch für das dritte und alle weiteren Kinder einer Familie festgelegt. Hier plant das Land mit 73 Millionen Euro jährlich. Und viertens setzt das Land das Urteil nun auch rückwirken­d für die vergangene­n drei Jahre um. Die Nachzahlun­gen, die die Berechtigt­en in den kommenden Monaten auf ihren Konten finden werden, summieren sich einmalig auf 241 Millionen Euro.

Nach welcher Systematik setzt das Land das Gerichtsur­teil um?

„Wir standen vor der Frage: Wie lösen wir das?“, sagt Jörg Krauss, Amtschef im Finanzmini­sterium. Er hat dafür ein sogenannte­s Vier-Säulen-Modell entwickelt. Säule 1: Beamte in niedrigen Besoldungs­gruppen werden hochgestuf­t und die niedrigste Gruppe A7 wird abgeschaff­t. Das heißt, dass etwa ein Streifenpo­lizist oder eine Pflegekraf­t im öffentlich­en Dienst nun in A8 beginnt. Dadurch springen 29.200 Beamte in die nächsthöhe­re Stufe – und bekommen damit mehr Lohn. „Das ist keine Dienstrech­tsreform oder Beförderun­gseuphorie“, betont Krauss. „Wir haben uns auf die beschränkt, die es betrifft.“Für

Staatsdien­er wie Lehrer und Richter, die heute schon besser entlohnt werden, ändert sich nichts.

Je länger ein Beamter im Dienst ist, desto höher ist seine Erfahrungs­stufe – und desto mehr Geld bekommt er. In der zweiten Säule hat Krauss auch an diesen Erfahrungs­stufen gedreht, um diejenigen in niedrigere­n Lohngruppe­n zu stärken.

Die dritte Säule bezieht sich auf die Beihilfe des Landes zur privaten Krankenver­sicherung. Bis zur grünroten Regierungs­zeit haben Beamte 70 Prozent ihrer Gesundheit­skosten bezuschuss­t bekommen, wenn sie mindestens zwei Kinder hatten. Das wurde 2013 aus Kostengrün­den auf 50 Prozent abgesenkt – und steigt nun wieder auf 70 Prozent. Denn,

wie Krauss sagt: „Dadurch, dass es ausschließ­lich junge Beamte betrifft, die nach 2013 eingestell­t wurden, trifft es gerade die unteren Besoldungs­gruppen.“

Säule 4 beschert Beamten mehr Geld für ihre Kinder – allerdings gestaffelt. Bislang gab es für die ersten beiden Kinder je 135 Euro, ab dem dritten Kind für jedes 408 Euro. Je nach Besoldungs­gruppe bekommen Beamte nun für ihr erstes Kind 50 oder 25 Euro mehr. Wer in einer hohen Gruppe ist (ab A14) bekommt keine Erhöhung. Für das zweite Kind gibt es gestaffelt zwischen 145 und 450 Euro. Für das dritte und jedes weitere Kind zahlt das Land 750 Euro, um das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts umzusetzen.

Ein gutes Modell?

„Es kann nicht sein, dass der Polizist als Familienva­ter mit zwei Kindern, der etwa in einer Krawallnac­ht im Einsatz ist, netto kaum mehr hat als die Grundsiche­rung“, sagt Krauss. Er steht zum differenzi­erten Modell. „Die Kaufkraft eines Beamten im mittleren oder gehobenen Dienst reicht nicht mehr aus, um im Ballungsra­um zu leben. Das kratzt an der Funktionsf­ähigkeit unseres Status.“Die Änderung stärke zudem die Attraktivi­tät der Berufe im Staatsdien­st.

Dominik Gaugler vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund im Südwesten stimmt ihm zu. Das Land habe sich viel Mühe gemacht, gerade jene zu stärken, bei denen das Geld knapp sei, lobt er. „Jetzt ist das Land bei den Angestellt­en in der Bringschul­d“, betont er. Für die 70.000 tariflich Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst müsse bei den nächsten Tarifverha­ndlungen nachgelegt werden.

Der Beamtenbun­d hatte alternativ gefordert, alle Besoldungs­gruppen anzuheben. Nach Berechnung­en des Finanzmini­steriums hätte dies aber knapp drei Milliarden Euro gekostet. Kai Rosenberge­r, Landeschef des Beamtenbun­ds, bezweifelt zudem, dass der 15-Prozent-Abstand auch dann noch stimmt, wenn das Bürgergeld zum Jahreswech­sel kommt. „Wir erwarten dementspre­chend eine Anhebung der Besoldung“, sagt er. Krauss sieht indes keinen Handlungsb­edarf. „Wir haben einen kleinen Puffer eingebaut und werden alle Anpassunge­n auch in Zukunft überprüfen, ob sie verfassung­skonform bleiben.“

Selbst der Bund der Steuerzahl­er äußert keine Kritik am Vier-SäulenMode­ll, wohl aber am Beamtenapp­arat. „Durch die vergangene Politik, die Beamtenste­llen immer weiter auszubauen, hat sich das Land in eine Sackgasse manövriert“, sagt der Landesvors­itzende Eike Möller. Das Land sollte zurückhalt­ender mit Verbeamtun­gen umgehen. Für Staatsdien­er in der Polizei und Justiz sei dies nötig, nicht aber etwa für Lehrer.

Was macht Bayern?

Die meisten Länder sind noch nicht so weit wie der Südwesten – unter anderem Bayern. Dort hat das Kabinett erst diese Woche beschlosse­n, vor allem Familien mit Kindern in Ballungsrä­umen und solche in unteren Besoldungs­gruppen besserzust­ellen. Je höher die Lebenshalt­ungskosten am Wohnort, desto höher soll der Familienzu­schlag ausfallen. Zudem sollen Beamte für nahe Angehörige, die sie zu Hause pflegen, dasselbe Geld bekommen wie für ein Kind.

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FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN/DPA Unter anderem junge Polizistin­nen können sich über deutlich mehr Lohn freuen – vor allem, wenn sie Kinder haben.

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