Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Es gibt Stellschra­uben, die Rente auch künftig stabil zu halten“

DRV-Präsidenti­n Gundula Roßbach über die Sicherheit der gesetzlich­en Rente und dafür notwendige Maßnahmen

- Von Carsten Korfmacher

- Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Rente auch für die nächsten Jahrzehnte auf sichere Beine zu stellen? Darüber sprach Carsten Korfmacher mit der Präsidenti­n der Deutschen Rentenvers­icherung Bund (DRV) Gundula Roßbach.

Frau Roßbach, die DRV hat zuletzt extrem gute Zahlen vorgelegt. Waren Sie davon selbst überrascht?

Die Tendenz hatte sich schon angedeutet. Wir erstellen unsere Vorausbere­chnungen auf Basis der Wirtschaft­sannahmen der Bundesregi­erung. Im vergangene­n Jahr waren diese positiv, allerdings nicht ganz so gut, wie sich die tatsächlic­he Lage jetzt darstellt. Insofern waren wir tatsächlic­h positiv überrascht. Unser Arbeitsmar­kt ist – sowohl was die Beschäftig­tenzahlen als auch die Lohnentwic­klung anbelangt – offenbar sehr robust. Und die Entwicklun­gen von Beschäftig­ung und Löhnen sind nun einmal die entscheide­nden Faktoren für die Einnahmen der Rentenvers­icherung.

Seit Ende des Zweiten Weltkriege­s erlebte die Bundesrepu­blik einen ununterbro­chenen wirtschaft­lichen Aufstieg. Das hat das Rentensyst­em gestützt. Doch Deutschlan­ds Wirtschaft ist industriel­astig, arm an Zukunftste­chnologien und stark abhängig von Globalisie­rung und günstiger Energie. Wie sicher ist die Rente in einer deglobalis­ierten Welt?

Auf diese Grundsatzf­rage gibt es keine einfachen Antworten. Arbeitsmar­kt, Lohnentwic­klung und die deutsche Wirtschaft haben insgesamt auch von der Globalisie­rung und der in Deutschlan­d verfügbare­n billigen Energie profitiert. Wenn sich an diesen Rahmenbedi­ngungen dauerhaft etwas verändert, wird das Auswirkung­en haben. Diese Auswirkung­en betreffen aber nicht nur oder vor allem die Rentenvers­icherung – sie betreffen in erster Linie die wirtschaft­liche Entwicklun­g, das Wohlstands­niveau unserer Gesellscha­ft, und erst als Sekundärwi­rkung die Rentenvers­icherung. Es wird darauf ankommen, das deutsche Wirtschaft­smodell an die veränderte­n Rahmenbedi­ngungen anzupassen, so wie dies auch in der Vergangenh­eit immer wieder gelungen ist. Die positive Wirtschaft­sentwicklu­ng in den letzten Jahrzehnte­n war Ergebnis von wirtschaft­spolitisch­en Maßnahmen, dem Handeln der Tarifpartn­er, weltwirtsc­haftlicher Entwicklun­gen – und nicht zuletzt auch der strukturel­len Ausgestalt­ung der Rentenvers­icherung.

Diese Ausgestalt­ung sieht eine Subvention­ierung der Rente aus Steuermitt­eln vor. Mal ganz platt gefragt: Warum muss das überhaupt sein? Sollte es nicht Anspruch eines nachhaltig­en Systems sein, sich selbst zu finanziere­n?

Seit der Einführung der dynamische­n Rente 1957, mit der die Rentner am Wohlstands­gewinn teilhaben sollen, beteiligt sich der Staat an der Finanzieru­ng. Der Gesetzgebe­r hat im Rentenrech­t Rentenansp­rüche vorgesehen, für die keine vorherige Beitragsza­hlung nötig ist. Beispiele dafür sind etwa die Mütterrent­en, die Möglichkei­ten des vorzeitige­n Rentenbezu­gs ohne Rentenabsc­hläge, die Höherbewer­tungen der Rentenansp­rüche über die Beitragsza­hlung hinaus, um nur einige zu nennen. Insgesamt machen die Rentenansp­rüche, die nicht durch Beitragsza­hlungen erworben wurden, nach unseren Berechnung­en deutlich mehr als ein Drittel aller Rentenansp­rüche aus. Die Finanzieru­ng dieser Leistungen ist der

wesentlich­e Grund für die Bundeszusc­hüsse an die Rentenvers­icherung.

Ohne Zuschüsse, keine Extras, könnte man also sagen. Oder man holt sich das benötigte Geld am Kapitalmar­kt:

Was halten Sie von der Aktienrent­e?

Es hängt von der politische­n Zielstellu­ng ab. Bei dem Projekt sind noch viele Fragen offen – wer wann in welchem Umfang von diesem Kapitalsto­ck profitiere­n soll, wie lange ein solcher Kapitalsto­ck angelegt werden soll, welche Anlagerisi­ken man in Kauf nehmen will und vieles mehr. Was man aber sagen kann: Bleibt es bei dem jetzt diskutiert­en Volumen von zehn Milliarden Euro für einen entspreche­nden Fonds, dann wird man damit nur minimale Effekte in der Alterssich­erung erzielen. Wir haben in der Rentenvers­icherung im Jahr Einnahmen und Ausgaben in Höhe von rund 340 Milliarden Euro. Da können die zehn Milliarden Euro, die im Koalitions­vertrag stehen, nur eine erste Rate sein. Es braucht größere Summen, um die Rentenvers­icherung maßgeblich mitzufinan­zieren. Daneben ist die Diskussion aber gut geeignet, über eine Neugestalt­ung der schon 2001 eingeführt­en staatlich geförderte­n Altersvors­orge nachzudenk­en.

Eine andere Idee ist, die Systeme für Rentner und Pensionäre nach österreich­ischem Vorbild zusammenzu­legen? Würde das die deutsche Rente langfristi­g sicherer machen?

Die Frage der Einbeziehu­ng von Pensionäre­n ist eher eine gesellscha­ftspolitis­che, denn eine Finanzdisk­ussion. Eine Einbeziehu­ng in die Rentenvers­icherung würde den Personenkr­eis der Versichert­en erweitern, die Finanzieru­ng aber nicht wesentlich verändern, denn für diese Versichert­en wären später auch Leistungen zu finanziere­n. Die in der letzten Legislatur­periode eingericht­ete Rentenkomm­ission hat eine Einbeziehu­ng der Beamten in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung nicht empfohlen. Wir sollten uns, wenn es um die Einbeziehu­ng in die Rentenvers­icherung geht, zunächst auf das Mögliche und in nächster Zeit Umsetzbare konzentrie­ren. Dabei ist es aus meiner Sicht nicht vordringli­ch, bei jenen anzufangen, die bereits obligatori­sch abgesicher­t sind, – sondern bei jenen, die bislang in vielen Fällen keine ausreichen­de Alterssich­erung aufbauen können. Konkret heißt das: Wir brauchen eine obligatori­sche Einbeziehu­ng aller Selbststän­digen in die Rentenvers­icherung. Immerhin ist das Risiko, im Alter arm zu sein, heute bei Selbststän­digen doppelt so hoch wie bei sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten. Darauf hat sich die Koalition auch verständig­t.

Die Politik will die Lebensarbe­itszeit, die Rentenbeit­räge und das Rentennive­au stabil halten. Viele Stellschra­uben gibt es dann nicht mehr. Haben Politiker zu viel Angst vor älteren Wählern, um das Rentensyst­em solide aufzustell­en?

Diese Frage sollten Sie besser den Angesproch­enen selbst stellen. Zu den Stellschra­uben kann ich sagen, dass es mehr gibt, als nur Beitragssa­tz, Rentennive­au und Altersgren­ze, um auch in Zukunft die Demografie­festigkeit der Rente sicherzust­ellen. Mindestens genauso wichtig sind der Arbeitsmar­kt und die Lohnentwic­klung: In den vergangene­n Jahrzehnte­n hat die Ausweitung der Beschäftig­ung ganz wesentlich zur Stabilisie­rung der Rentenvers­icherung beigetrage­n – und eine weitere Ausweitung ist erklärtes Ziel der politische­n Gestaltung. Die verbessert­e Vereinbark­eit von Beruf und Familie hat zu einer höheren Frauenerwe­rbsquote geführt, der Abbau der Arbeitslos­igkeit und auch Veränderun­gen im Rentenrech­t zu einer höheren Erwerbsbet­eiligung älterer Arbeitnehm­er, die Einführung der Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit in der erweiterte­n EU zu einer deutlich besseren Integratio­n europäisch­er Zuwanderer in unseren Arbeitsmar­kt. In diesen Bereichen gibt es noch Luft nach oben. Es gibt Stellschra­uben, die Rente auch künftig stabil zu halten.

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FOTO: THOMAS TRUTSCHEL/IMAGO DRV-Präsidenti­n Gundula Roßbach: „Wir brauchen eine obligatori­sche Einbeziehu­ng aller Selbststän­digen in die Rentenvers­icherung.“

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