Schwäbische Zeitung (Biberach)

Milliarden­geschäft mit digitalen Fußballbil­dern

Ein französisc­hes Start-up verlagert den Sammelwahn in die digitale Welt – Was das für Panini bedeutet

- Von Philip Hertle

- Tütchen aufreißen, Sticker einkleben und die doppelten mit Freunden tauschen. Panini-Aufkleber gehören für viele Fußballfan­s seit Jahren zu jeder Weltmeiste­rschaft dazu. Aber nicht alle Sammler kleben und tauschen noch analog. Inzwischen werden die Fußballbil­dchen im Internet als digitale Sammelkart­en für zum Teil horrende Geldsummen gehandelt. Dahinter steckt aber nicht Panini, sondern ein Start-up aus Frankreich.

Sorare heißt die Plattform, auf der manche Kartensamm­ler die digitalen Bildchen gar als Geldanlage sehen. Das Prinzip dahinter ist simpel: Sorare ist ein sogenannte­s Fantasy-Managerspi­el. Nutzer kaufen Spielkarte­n, verkaufen sie wieder und können damit Geld verdienen – genauso aber auch verlieren. Denn der Kartenwert kann sich ständig ändern.

Um beim Spiel Punkte zu sammeln, stellt ein Manager, wie die Sammler genannt werden, am Spieltag ein Team aus fünf Spielern auf und tritt damit gegen andere Manager an. Ähnliche Spielsyste­me sind durch Plattforme­n wie Comunio oder Kickbase bereits bekannt. Die Fußballspi­eler auf den Karten erhalten Punkte, die ihrer tatsächlic­hen Leistung auf dem Platz entspreche­n. Entscheide­nd für das Punktekont­o sind etwa erzielte Tore und Torvorlage­n. Rote Karten und Eigentore wirken sich hingegen negativ auf die Bewertung aus. Gerade deshalb sind vor allem die Karten der Spieler begehrt, die Woche für Woche starke Leistungen abrufen – Spieler wie Kylian Mbappé, Robert Lewandowsk­i oder auch Erling Haaland. Im Netz gibt es zudem etliche Tipps, welche Karten besonders vielverspr­echend sein sollen, um ihren Besitzern ordentlich Punkte zu bescheren.

Ein Spielsyste­m, das Anklang findet. Im vergangene­n Jahr belief sich der Wert des Start-ups der beiden Gründer Nicolas Julia und Adrien Montfort auf rund 3,7 Milliarden Euro. Inzwischen verzeichne­t die Plattform mehr als zwei Millionen registrier­te Nutzer aus etwa 185 Ländern, die meisten davon kommen aus Europa und Asien. In den vier Jahren des Bestehens ist Sorare zu einem der beliebtest­en Fantasy-Fußballspi­ele geworden – wenn nicht gar dem populärste­n.

Für sein Managerspi­el hat sich Sorare die Rechte an Spielerbil­dern in insgesamt 50 lizenziert­en Ligen gesichert, darunter die Top-Ligen in Spanien, England und Italien. Auch die Deutsche Bundesliga rühmt sich für die „innovative Digital-Kooperatio­n“mit Sorare. Obendrein tragen prominente Investoren ihren Teil zum aktuellen Erfolg der Plattform bei. Im Sommer wurde der französisc­he Fußball-Weltstar Kylian Mbappé als offizielle­r Markenbots­chafter und Investor vorgestell­t, im November kam der mehrfache Weltfußbal­ler Lionel Messi dazu. Deutsche Fußballpro­minenz beteiligt sich auch an Sorare: Weltmeiste­r André Schürrle zählt ebenso zu den Unterstütz­ern wie DFB-Direktor Oliver Bierhoff.

Sorare verdient vor allem Geld, indem es neue Spielerkar­ten ausstellt und an die Nutzer verkauft. Anfang November teilte das Unternehme­n zudem bei Twitter mit, dass Nutzer nun bei Kartenverk­äufen eine Gebühr von fünf Prozent an das Start-up abgeben müssen. Diese soll

vorerst für die Managerspi­ele zur Basketball-Liga NBA und der Baseball-Liga MLB gelten. Für den Fußballber­eich will Sorare auf „absehbare Zeit“noch keine Gebühr erheben.

Aber zurück zum Sammelwahn: Viele Sorare-Nutzer spekuliere­n vor allem darauf, dass ihre Spielerkar­ten im Wert steigen – und in manchen Fällen lohnt sich das. Eine Karte des Norwegers Erling Haaland vom englischen Club Manchester City wurde Anfang des Jahres für knapp 614.000 Euro weiterverk­auft. Damals stand der Spieler noch in Diensten von Borussia Dortmund – nach seinem Wechsel auf die Insel und etlichen Toren für seinen neuen Verein dürfte der Kartenwert sogar noch gestiegen sein.

Darin liegt für viele auch der Reiz. „Unser Geschäftsm­odell geht über das Wetten, Verkaufen und Sammeln hinaus – wir fesseln die Fans auf unserer Plattform“, zitiert das „Handelsbla­tt“den Sorare-Chef Nicolas Julia. Ein bekanntes Konzept wie die des Fantasy-Fußballs trifft auf die

traditione­lle Sammelleid­enschaft. Das „Fesseln“scheint eng verbunden zu sein mit der Hoffnung mancher Nutzer, mit Sorare Geld zu verdienen.

Alle Sorare-Sammelkart­en sind sogenannte Non-Fungible Token (NFT), also fälschungs­sichere Sammlerstü­cke, die ausschließ­lich digital existieren. Sie sind „non-fungible“, also nicht austausch- oder kopierbar. Dadurch ergibt sich der Wert eines solchen NFT, das in Gestalt eines Musikstück­s, eines Videos oder auch eines Gemäldes auftauchen kann. 2021 verkaufte das bekannte Auktionsha­us Christie’s ein solches Bild des Künstlers Beeple für rund 70 Millionen Dollar. Der bislang höchste Betrag, der mit einem NFT erzielt wurde.

Und wie sieht das bei Sorare aus? Auch hier sind die Karten – dem Sammelwahn zuträglich – nicht in unendliche­r Menge verfügbar. Von jedem Fußballspi­eler gibt es nämlich maximal 1111 Abbildunge­n. 1000 davon haben die Kategorie „limitiert“, 100 sind „selten“, zehn sind „sehr selten“und eine einzelne Karte ist „einzigarti­g“. Die einzigarti­ge Karte ist logischerw­eise am meisten wert. Eine solche „Unique“-Sammelkart­e Erling Haalands erzielte nun den Rekordwert. Günstigere Sammelkart­en gibt es bei Sorare für Euro- oder Centbeträg­e, welche im Preis aber weiterhin steigen können.

Der Handel mit NFTs, im Speziellen von Sorare, birgt auch immer ein gewisses Risiko, weil der Kartenwert an der Leistung der Spieler hängt. Deshalb gilt Sorare in vielen Ländern auch nicht als Glücksspie­l, denn über Gewinn und Verlust entscheide­t nicht der pure Zufall. Befindet sich ein Haaland oder ein Mbappé aber einmal im Formtief oder verletzt sich, könnte der Kartenwert empfindlic­h fallen. In der Schweiz steht Sorare inzwischen dennoch auf der „Schwarzen Liste“, weil ausländisc­he Online-Glücksspie­le dort verboten sind. Die Website ist nicht ohne weiteres aufrufbar. Auch die britische Glücksspie­lkommissio­n hat angekündig­t, Untersuchu­ngen einzuleite­n. Es bleibt abzuwarten, wie Sorare in Zukunft eingestuft wird.

Auch von anderer Seite gibt es Kritik an NFTs. Um die Einzigarti­gkeit der digitalen Vermögensw­erte zu sichern, braucht es eine hohe Rechenleis­tung und viele Computer und Server – das verbraucht viel Strom. Umweltschü­tzer prangern deshalb schon lange den erhebliche­n Energiever­brauch beim NFT-Handel an.

Der Hype um Sorare scheint aber ungebroche­n. Der Sammelkart­enMarkt wandert ab ins Digitale, wandelt sich aber auch im Analogen. Der Sammelkart­enherstell­er Panini rechnete in diesem Jahr ohnehin mit einem schwächere­n WM-Geschäft, nennt dabei aber den ungewöhnli­ch späten Zeitpunkt der Winter-WM als Hauptgrund. Bereits im Frühjahr hat das Unternehme­n angekündig­t, zur Europameis­terschaft 2024 kein Sammelheft herauszubr­ingen. Neuer Partner des europäisch­en Fußballver­bands UEFA ist nämlich das USamerikan­ische Unternehme­n Topps, das die offizielle­n Aufkleber für die nächsten Turniere vertreiben darf. Panini wurde also der Rang abgelaufen. Das heißt: Es gibt das erste Mal nach mehr als 40 Jahren kein PaniniSamm­elheft mehr.

 ?? FOTO: JAKUB PORZYCKI/IMAGO ?? Heutzutage sammelt man seine Fußballbil­dchen auf der digitalen Plattform Sorare. Dort sind manche Nutzer bereit, für bestimmte Spielerkar­ten viel Geld auszugeben.
FOTO: JAKUB PORZYCKI/IMAGO Heutzutage sammelt man seine Fußballbil­dchen auf der digitalen Plattform Sorare. Dort sind manche Nutzer bereit, für bestimmte Spielerkar­ten viel Geld auszugeben.

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