Schwäbische Zeitung (Biberach)
Musikalisches Glanzlicht in der Stadthalle
Württembergische Philharmonie Reutlingen und der Solist Saar Berger überzeugen
- Das war ein Highlight im prallvollen Biberacher Kulturkalender: Die Württembergische Philharmonie Reutlingen hat unter der Leitung von Musikdirektor Andreas Winter in der Stadthalle ein bejubeltes Konzert gegeben, dessen Motto „Aus der neuen Welt“verschiedene Facetten hatte.
Wie aus einer „Neuen Welt 1“schien schon die Zusammensetzung des Publikums: Im gut besetzten Parkett sah man neben den vertrauten ungewöhnlich viele junge Gesichter, besonders aus dem Musikzug des Pestalozzi-Gymnasiums, und im Rang „thronten“die Mitglieder des Musikschulorchesters und des Jugendsinfonieorchesters. Die zuständigen Lehrkräfte hatten diesen Konzertbesuch initiiert und das Kulturamt fördert diese musikalische Breitenbildung durch „Supersparpreise“.
Wie ein Weckruf eröffnete Antonin Dvoráks Slawischer Tanz op. 46 Nr. 8, mit böhmischem Temperament und wirklich „Presto“gespielt, das Konzert. Er und das folgende melancholische Gegenstück e-Moll op. 72 Nr. 2 gehören sicher zu den besonders populären „Ohrwürmern“der beiden Sammlungen aus insgesamt 16 Slawischen Tänzen. Schöne dynamische Schattierungen, gefühlvolle Übergänge, warmer Streicherklang und blitzsaubere Bläser ließen gleich zu Beginn des Abends die nicht leicht zu bespielende Akustik des Saals vergessen.
Dann „Neue Welt 2“– das ungewöhnliche Konzert für Horn und Orchester „Hawk-Eye“(2014) aus der Feder des 1979 in Maribor geborenen und vielfach preisgekrönten Komponisten Vito Zuraj. Dirigent Andreas Winter und Solist Saar Berger (im türkisen Hemd – „Neue Welt 3“) führten ebenso gut gelaunt wie informativ in das Werk ein, gaben Klangbeispiele und warfen sich launig gegenseitig die Bälle zu. Atemlosigkeit und Humor seien die Kennzeichen des einsätzigen, etwa 15 Minuten dauernden Werks. Wohl wahr. Die vielfach geteilten Streicher eröffnen das Stück mit Pizzicato-Glissandi. Ein Duett mit Horn und Perkussion wird von Harfe, einem BläserKlangteppich
und Streicherimpulsen col legno, auch Bartok-Pizzicato, begleitet. Es folgt ein comicartiger, aber hochvirtuoser Soloabschnitt mit schnellen Staccato-Läufen, fast im Donald-Duck-Sound, immer wieder unterbrochen von Perkussionsaktionen und den auf der Decke ihrer Instrumente trommelnden Streichern.
Dann ändert sich der Hornklang mit der Art des Dämpfers. Der Solist spielt lyrische Passagen, das Orchester reagiert empört mit wilden Pizzicati und Bläserclustern. Am Schluss beruhigt sich das Geschehen, das Konzert schließt mit einem immer leiser geflüsterten Duett zwischen dem Solisten und einem Perkussionisten mit seiner Kalimba vorne an der Bühnenrampe. Saar Berger, Jahrgang 1980, Mitglied im Ensemble Modern in Frankfurt und seit 2019 Professor für Horn an der Musikhochschule Trossingen, war der ideale Interpret für dieses mitreißende Werk. Mit seiner Virtuosität, aber auch mit seinem Humor und seiner lockeren Art, riss er das Publikum zu Beifallsstürmen hin. Als Zugabe improvisierte Berger eine dolce-Kantilene. Hat man je einen Hornisten so leise blasen hören?
Nach der Pause dann „Neue Welt 4“: Antonin Dvoráks schon bei der Uraufführung 1893 frenetisch gefeierte Sinfonie e-Moll ist bis heute ungebrochen populär. Der Württembergischen Philharmonie Reutlingen gelang unter der temperamentvollen und doch klaren Leitung von Musikdirektor Andreas Winter eine rundum überzeugende Interpretation. Winter und das Ensemble schienen sich bestens zu verstehen. Man hörte sichere Übergänge, differenzierte Stimmungen und gute Klangbalance. Die großen Steigerungen an den Schlüssen der beiden Ecksätze waren gut disponiert. Höhepunkte waren wunderbare Soli der ersten Bläser, besonders das Englischhornsolo im langsamen Satz. Und das Scherzo fegte so wild durch die Stadthalle, dass ein Teil des Publikums seinen Applaus nicht mehr zurückhalten konnte. Am Ende gab es Bravos und minutenlangen Beifall – für die Zugabe wurden die Zuhörer aber vertröstet auf den nächsten Besuch der Philharmonie im März.