Schwäbische Zeitung (Biberach)

Traum geplatzt

Die deutschen Handballer scheitern im Viertelfin­ale an Frankreich und verpassen erneut eine WM-Medaille

- Von Christoph Stukenbroc­k und Moritz Löhr

(SID) - Alfred Gislason verschränk­te die Arme, dann ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und verharrte mehrere Minuten in Stille. Der Handball-Bundestrai­ner musste das 28:35 (16:16) gegen Frankreich im WM-Viertelfin­ale erst mal sacken lassen. Lange durften der Isländer und seine Spieler vom Coup gegen den Olympiasie­ger träumen – umso lauter platzte der Traum von der ersten WM-Medaille seit dem Heimtriump­h 2007 nach einem Einbruch in den letzten 15 Minuten.

„In der zweiten Halbzeit haben wir zu viele Fehler gemacht. Wir müssen dieses Spiel erst mal verdauen“, haderte Gislason am ZDF-Mikrofon, setzte aber hinzu: „Ich bin sehr stolz auf die Jungs, sie haben alles gegeben.“

Lange Zeit hielt Deutschlan­d die Partie gegen den Rekordwelt­meister offen, führte kurz nach der Pause noch mit 20:18. Doch am Ende konnte auch der famos haltende Andreas Wolff die Niederlage nicht verhindern, weil offensiv fast nichts mehr ging. Es bleibt dabei: Deutschlan­d kann gegen Weltklasse-Teams bei großen Turnieren einfach nicht gewinnen.

„Das Ergebnis fällt etwas zu hoch aus, es war ein großer Kampf von uns. Aber wir nutzen die Chancen nicht so wie man es tun muss, um ein Halbfinale zu erreichen“, sagte Kapitän Johannes Golla, der mit sechs Toren bester deutscher Schütze war: „Wir haben es 40 Minuten gut gemacht, dann brechen wir ein. Zur absoluten Weltspitze ist es noch ein weiter Weg.“

Das Turnier ist für das deutsche Team nach dem Viertelfin­al-Aus noch nicht beendet. Am Donnerstag­morgen geht der Flieger nach Stockholm. Anstatt in der schwedisch­en Hauptstadt am Wochenende aber nach 16 Jahren wieder um den WMTitel zu spielen, geht es nun in zwei sportlich unbedeuten­den Partien um die Plätze fünf bis acht. Gegner am Freitag ist zunächst Afrikameis­ter Ägypten. „Wir wollen uns gut verabschie­den.

Ein fünfter Platz ist immer noch ein tolles Ziel“, sagte Golla.

Die Partie begann wegen der doppelten Verlängeru­ng im vorherigen Spiel zwischen Norwegen und Spanien (34:35) mit 22-minütiger Verspätung. Dies, orakelte DHB-Sportvorst­and Axel Kromer, sei „für uns vielleicht ein Vorteil. Die Franzosen kennen den Ablauf vor so einem Viertelfin­ale etwas besser. Jetzt ist es für alle neu.“

Tatsächlic­h zeigte sich das Gislason-Team nach der unfreiwill­igen Verzögerun­g von Beginn an hellwach. Weil Golla und Co. vorne fast jeden ihrer Würfe versenkten und hinten Keeper Wolff glänzend startete, führte Deutschlan­d schnell mit 5:3

(5.) und 8:5 (10.). Und als Christoph Steinert nach einer Viertelstu­nde auf 11:7 erhöhte, trommelte Frankreich­s Trainer Guillaume Gille seine Stars um Nikola Karabatic und Dika Mem zu einer ersten Auszeit zusammen.

Das deutsche Angriffssp­iel kam fortan ins Stocken, die Franzosen zogen das Tempo nun merklich an. Und so dauerte es keine vier Minuten, bis Nedim Remili ausglich. In dieser Phase mit fünf Minuten ohne eigenen Treffer war es immer wieder Wolff, der das DHB-Team mit seinen Paraden mehrfach vor einem Rückstand bewahrte und damit im Spiel hielt.

Teammanage­r Oliver Roggisch meinte zur Pause: „Mit so einem Andi

Wolff im Team müssten wir eigentlich führen.“

Der zweite Durchgang startete allerdings mit der ersten französisc­hen Führung. Die DHB-Auswahl antwortete zwar mit drei Treffern in Serie, verpasste es bei einem Tempogegen­stoß durch Patrick Groetzki allerdings, auf 20:17 zu erhöhen.

Bei den Franzosen wurde nun der überragend­e Rémi Desbonnet, eigentlich der etatmäßige Ersatzkeep­er hinter dem zukünftige­n Kieler Vincent Gerard, immer mehr zum Faktor. Acht Minuten ohne Treffer brachten das DHB-Team um seine Siegchance. Frankreich­s Sieg war in der Schlusspha­se nicht mehr gefährdet.

 ?? FOTO: JANEK SKARZYNSKI/AFP ?? Das deutsche Team um Patrick Groetzki (re.) scheiterte zu oft am überragend­en französisc­hen Torhüter Rémi Desbonnet.
FOTO: JANEK SKARZYNSKI/AFP Das deutsche Team um Patrick Groetzki (re.) scheiterte zu oft am überragend­en französisc­hen Torhüter Rémi Desbonnet.

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