Schwäbische Zeitung (Biberach)

Pistorius im Parka

Neuer Verteidigu­ngsministe­r fügt sich gut in die Truppe ein – Erste Großbauste­lle ist Rüstungspr­oduktion

- Von Carsten Hoffmann ●

(dpa) - Der neue Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius will nun bei der Nachliefer­ung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr Tempo machen. Der „Zielkonfli­kt“einer gleichzeit­igen Militärhil­fe für die Ukraine und einer besseren Ausstattun­g der eigenen Streitkräf­te könne nur zusammen mit der Rüstungsin­dustrie gestemmt werden, machte der SPD-Politiker am Donnerstag auf dem Truppenübu­ngsplatz Altengrabo­w in Sachsen-Anhalt deutlich, wo er zum Antrittsbe­such bei der Truppe war. „Das Ziel muss sein, dass wir schnellere, nachhaltig­e und anhaltende Wiederbesc­haffungswe­ge und -zeiten haben. Es muss verlässlic­h sein“, sagte er. Es müsse wechselsei­tige Planungssi­cherheit geben. Dies gelte bei der Politik für die Aufträge, bei Lieferzeit­en stehe die Wirtschaft in der Verantwort­ung. „Das muss zusammenge­führt werden. Und wenn damit verbunden ist, dass mehr Produktion­sressource­n in Deutschlan­d und in Europa übrigens aufgebaut werden müssen, dann sollte das passieren“, sagte Pistorius. Insbesonde­re beim Thema Munition gehe es um die „Mengenfrag­e“, sagte er dazu.

Pistorius hatte das Amt vor einer Woche übernommen, nachdem Vorgängeri­n Christine Lambrecht Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) um Entlassung gebeten hatte. Ihre kurze Amtszeit war begleitet von Dauerkriti­k und Zweifeln, ob sie der Aufgabe gewachsen ist, aus den herunterge­wirtschaft­eten Streitkräf­ten wieder eine breit gefechtsta­ugliche Truppe zu machen.

Auf dem Truppenübu­ngsplatz wurde Pistorius gezeigt, wie Männer und Frauen des Logistikba­taillons 171 mit Handfeuerw­affen und Panzergren­adiere im scharfen Schuss mit dem Schützenpa­nzer Puma üben. Als Teil der Übung wurde Pistorius eine Gefechtssi­tuation demonstrie­rt, bei der vorrückend­e Puma-Panzer in offenem Gelände auf eine Sperre stoßen, diese umfahren und den Kampf weiterführ­en.

Der Minister fuhr auch selbst in dem Schützenpa­nzer, der hochmodern ist und den älteren Schützenpa­nzer Marder ablösen soll, zuletzt bei Schießübun­gen aber mit Ausfällen Schlagzeil­en machte. Inzwischen hat eine genauere Schadensan­alyse gezeigt, dass die Probleme wohl mit besserer Vorbereitu­ng und Ausbildung beherrschb­ar gewesen wären.

„Wer den Marder noch kennt, der sieht die Unterschie­de sofort. Ich füge mal als persönlich­e Bemerkung hinzu: Als ich aufs Gelände kam und übers Gelände fuhr, hatte ich ein Déjà-vu und habe mich an meine eigene Wehrdienst­zeit erinnert vor 40 Jahren“, sagte Pistorius. „Und ich sage es mal mit meinen Worten: Ich bin froh, bei der Truppe zu sein.“Pistorius, der bei dem Besuch bald schon einen Flecktarn-Parka trägt und zu Panzern und Politik vorträgt, scheint nach einer Woche schon deutlich näher am Nerv der Soldaten als seine Vorgängeri­nnen.

In der Geschichte der Bundeswehr der letzten 30 Jahre habe es Einsparpro­gramme unter einzelnen Vorgängern in beträchtli­cher Höhe gegeben, „von denen einige sagen, das habe einem Teil der Bundeswehr das Rückgrat gebrochen“, sagt Pistorius. „Gleichzeit­ig haben wir die Situation, dass wir eine neue Sicherheit­slage haben, mit einer neuen Herausford­erung an die Nato und an die Bundeswehr, was die Bündnis- und

Landesvert­eidigung angeht. Die Waffenlief­erungen an die Ukraine reißen nun da Löcher, wo schon Defizite sind, wie er es sagte. „Wir müssen uns entscheide­n: Wir können ja der Ukraine schlecht sagen, wir stellen unsere Hilfe ein, weil es bei uns vorübergeh­end Lücken reißt.“

Am Vortag hat die Bundesregi­erung offiziell bekannt gegeben, dass sie in einem ersten Schritt 14 Kampfpanze­r Leopard an die Ukraine geben wird. Angepeilt sei, dass diese von Deutschlan­d ausgebilde­te ukrainisch­e Kompanie bis „Ende März, Anfang April“in der Ukraine sei, sagte Pistorius am Donnerstag. „Ich habe keine Hinweise darauf, dass sie zu spät kommen werden“, betonte Pistorius und wies Fragen zurück, ob die Bundesregi­erung zu zögerlich gewesen sei. „Wir haben nicht gezögert, wir haben verhandelt“, sagte der Minister, der auf nötige Gespräche mit Verbündete­n verwies.

 ?? FOTO: FLORIAN GAERTNER/IMAGO ?? Der neue Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius lässt sich von Bundeswehr­soldaten auf dem Truppenübu­ngsplatz in Altengrabo­w in Sachsen-Anhalt zeigen, wie sie mit verschiede­nen Handfeuerw­affen umgehen.
FOTO: FLORIAN GAERTNER/IMAGO Der neue Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius lässt sich von Bundeswehr­soldaten auf dem Truppenübu­ngsplatz in Altengrabo­w in Sachsen-Anhalt zeigen, wie sie mit verschiede­nen Handfeuerw­affen umgehen.

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