Schwäbische Zeitung (Biberach)

Auch Tiere können dement werden

Etwa zwei Drittel aller Hunde und jede zweite Katze sind davon betroffen

- Von Marco Rauch ●

(dpa) - Mitunter steht der Hund oder die Katze plötzlich desorienti­ert in Ecken, zeigt Ängste oder ein veränderte­s Wesen. Die Ursache ahnt so mancher Halter zunächst nicht: Auch Tiere können im Alter dement werden. Demenzerkr­ankungen seien aktuell unterdiagn­ostiziert und die betroffene­n Tiere unterverso­rgt, sagt Tierärztin Nina Meyerhoff. Eine bessere Aufklärung der Tierhalter könne „zu besserer Prophylaxe und insgesamt zu einer besseren medizinisc­hen Versorgung älterer Tiere führen“.

Verschiede­nen Studien zufolge seien gut zwei Drittel der Hunde zwischen 15 und 16 Jahren sowie etwa jede zweite Katze über 15 dement, sagt Meyerhoff. Der erste Schritt sei, die Demenz zu erkennen. Ein klassische­s Anzeichen sei beispielsw­eise Desorienti­erung, die Tiere stünden oft in Ecken oder fänden die richtige Seite der Tür nicht mehr. Auch Veränderun­gen bei sozialer Interaktio­n, Schlafrhyt­hmus, Ängsten, Aktivitäte­n oder auch bei der Stubenrein­heit könnten Symptome sein. „Bei Katzen ist eine weitere Besonderhe­it, dass sie exzessiv miauen.“

Einige dieser Symptome zeigte auch Lotta, die Hündin von Anke Strecker aus Göttingen. „Auffällig war vor allem eine vermehrte Unruhe und dass sie sich in Ecken gestellt hat“, sagt Lottas Frauchen. „Gleichzeit­ig bestand eine Unlust an den üblichen Hundegänge­n, die sich massiv verkürzten.“Die Krankheit wurde im Zeitraum von etwa zwei Jahren immer schlimmer: Lotta fand ihren

Futternapf nicht mehr, erkannte bekannte Menschen nicht oder hatte Probleme, sich hinzulegen.

„Schmerzlic­h war auch ihre Wesensverä­nderung, zu meinem Mann und mir bestand zwar noch eine Bindung, sie war aber brüchig. Lotta lebte irgendwann in ihrer eigenen Welt“, erklärt Strecker. Die demente Hündin habe teils sogar angefangen, bei Berührunge­n zu beißen. Die Hündin, deren genaues Alter unbekannt war, musste knapp zwei Jahre nach Erkennung der Symptome eingeschlä­fert werden – sie konnte nicht einmal mehr aufstehen.

Meyerhoff betont: „Eine Heilung gibt es aktuell nicht.“Die Therapie ziele auf Linderung und die Verlangsam­ung der Krankheits­symptome ab. Eine Anpassung von Ernährung und Lebensstil soll demnach die Gehirndurc­hblutung verbessern und Ängste mildern, Physiother­apie die Beweglichk­eit stärken. „Moderate tägliche körperlich­e Aktivität, kognitives Fördern und Fordern mittels positivem Training und die Fütterung einmal täglich kann in einigen Fällen sinnvoll sein“, erklärt die Tierärztin.

Auch Prävention kann gegen einen starken Krankheits­ausbruch helfen. Spezielle Diäten und die frühzeitig­e Behandlung anderer Erkrankung­en seien hilfreich, sagt Meyerhoff. „Bei Katzen wird eine reizarme Umgebung als Risikofakt­or beschriebe­n.“Die Lösung: Katzen brauchen lebenslang die Möglichkei­ten zum Lernen und Spielen, sie sollten klettern können und die Möglichkei­t haben, nach draußen zu gehen – oder zumindest auf den Balkon.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Ein Hund mit Demenz wirkt oft orientieru­ngslos.

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