Schwäbische Zeitung (Biberach)

Entsetzen, Trauer und ganz viele Fragen

Nach Messerangr­iff in Regionalzu­g in Schleswig-Holstein ist das Motiv weiter unklar

- Von André Klohn, Wolfgang Schmidt und Sönke Möhl ●

(dpa) - Auch einen Tag nach der tödlichen Messeratta­cke in einem Regionalzu­g von Kiel nach Hamburg steht Schleswig-Holstein unter Schock. „Ich bin tieftrauri­g“, sagte Innenminis­terin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) am Donnerstag in Kiel. Schrecklic­hes habe sich am Mittwochna­chmittag in dem Zug bei Brokstedt ereignet. Einiges wird zu der Gewalttat mittlerwei­le klarer. Anderes ist noch unklar – etwa zum Motiv des Verdächtig­en oder auch, was die Zusammenar­beit der Behörden betrifft.

Bei dem Angriff am Mittwoch wurden eine 17-Jährige und ein 19Jähriger tödlich verletzt. Die beiden kannten sich und besuchten eine Schule in Neumünster, die Bildungsmi­nisterin Karin Prien (CDU) am Freitag besuchen will. Dort will sie mit Schulleitu­ng, Lehrkräfte­n und Mitschüler­n sprechen.

Der mutmaßlich­e Täter galt nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft nicht als Intensivtä­ter. Der 33-Jährige habe drei Vorstrafen gehabt, sagte Itzehoes Leitender Oberstaats­anwalt Carsten Ohlrogge am Donnerstag. Auffällig geworden war er aber in Nordrhein-Westfalen und Hamburg, in Schleswig-Holstein gab es den Ermittlern zufolge keine Verfahren gegen den Verdächtig­en. In Hamburg saß er ein Jahr wegen einer anderen Messertat in Untersuchu­ngshaft. Er sei im August 2022 zu einem Jahr und einer Woche wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und Diebstahls verurteilt worden, teilte Gerichtssp­recher Kai Wantzen am Donnerstag mit. Das Urteil ist aber nicht rechtskräf­tig, der 33-Jährige hatte Berufung eingelegt.

Bei dem Angriff im Zug wurden nach neuen Erkenntnis­sen fünf Menschen und der Täter selbst verletzt. Zunächst war von sieben Verletzten die Rede gewesen. Drei Menschen seien noch im Krankenhau­s, zwei davon seien operiert worden, sagte Sütterlin-Waack. Zwei weitere Verletzte seien bereits wieder aus dem Krankenhau­s entlassen worden. Der Täter selbst wurde leicht verletzt. Er sollte noch am Donnerstag einem Haftrichte­r in Itzehoe vorgeführt werden. Sütterlin-Waack warnte vor vorschnell­en politische­n Forderunge­n. „Aufgrund des sehr dynamische­n Tatverlauf­s ist vieles unklar.“Ergebnisse einer Vernehmung des mutmaßlich­en Täters gebe es noch nicht, so dass die Hintergrün­de noch unklar seien und man nichts zum Motiv sagen könne. „Auch ich habe viele Fragen.“

Laut Polizei machte der Mann bei seiner Festnahme einen ruhigen Eindruck. Widerstand leistete er laut Sütterlin-Waack nicht.

Der Mann ist nach Angaben der Ministerin Ende 2014 erstmals nach Deutschlan­d eingereist. Ihm sei 2017 subsidiäre­r Schutz gewährt worden – jener Schutz also, der greift, wenn weder der Flüchtling­sschutz noch die Asylberech­tigung gewährt werden können und dem Menschen im Herkunftsl­and ernsthafte­r Schaden droht. 2021 sei ein Verfahren auf Rücknahme des subsidiäre­n Schutzes eingeleite­t worden. Wie dieses ausging, blieb zunächst unklar. Der Innen- und Rechtsauss­chuss habe vom Bundesamt für Migration und Flüchtling­e einen Bericht zu dem Fall angeforder­t. Der 33-Jährige war noch kurz vor der Tat am Mittwoch in der Kieler Ausländerb­ehörde. Laut Sütterlin-Waack

beantragte er dort eine Aufenthalt­skarte, wurde aber ans Einwohnerm­eldeamt verwiesen. Dort tauchte er aber nicht auf, wie Kiels Stadtrat Christian Zierau sagte. „Wir haben keinen auffällige­n Eindruck vor Ort wahrgenomm­en.“Aus welchem Land der Mann 2014 einreiste, konnten die Ermittler auch am Donnerstag nicht sagen.

Der Mann habe 2015 in Nordrhein-Westfalen einen Asylantrag gestellt, den das Bundesamt aber 2016 abgelehnt und dem Mann subsidiäre­n Schutz gewährt habe, sagte Zierau. Erst im Sommer 2021 kam er von Nordrhein-Westfalen nach Kiel, wurde in einer Gemeinscha­ftsunterku­nft untergebra­cht. Dort erhielt er aber noch in dem Jahr Hausverbot. „Er ist ab diesem Punkt in unserem Melderegis­ter als unbekannt verzogen festgestel­lt“, sagte Zierau.

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FOTO: GREGOR FISCHER/DPA Sicherheit­sleute der Deutschen Bahn stehen auf dem Bahnsteig im Bahnhof von Brokstedt. Bei einer Messeratta­cke in einem Regionalzu­g von Kiel nach Hamburg sind zwei Menschen getötet und sieben verletzt worden.

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