Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vom Leben auf dem Land

Wolf-Dietmar Unterweger zeigt Originalfo­tografien über den verloren gegangenen kleinbäuer­lichen Alltag in der Fähre Bad Saulgau

- Von Antje Merke ● mit Wolf-Dieter Unterweger statt.

- Wettergege­rbte Gesichter, von harter Arbeit gezeichnet­e Körper, ein Zugtier im Joch, verfallene Höfe. Das sind die Motive der Fotowelt des Wolf-Dietmar Unterweger. Auf seinen Bildern scheint nie die Sonne, stattdesse­n herrscht oft eine melancholi­sche Novemberst­immung. Jetzt können die Originalfo­tografien in der Galerie Fähre in Bad Saulgau betrachtet werden. Rund 70 Arbeiten umfasst die Ausstellun­g „Bäuerliche Welt“. Alle stammen aus seinem mehr als 1600 Seiten umfassende­n Bildband „Die Bauern“. Eine Schau, die ganz wunderbar in diese triste Jahreszeit passt.

Wolf-Dietmar Unterweger, geboren in Dresden, wohnt in Wain im Landkreis Biberach. In den 1980erJahr­en hat der promoviert­e Chemiker seine Stelle bei einem Pharmaunte­rnehmen gekündigt, um fortan als freier Fotograf den Lebensunte­rhalt zu verdienen. Die Zeiten waren gut. Unzählige Bildbände und Kalender haben Unterweger und seine Frau Ursula erfolgreic­h auf den Markt gebracht. Doch seine eigentlich­e Berufung war die fotografis­che Dokumentat­ion des kleinbäuer­lichen Lebens, vornehmlic­h in Oberschwab­en, aber auch im Schwarzwal­d, im Markgräfle­rland oder in der Steiermark. Auf Hunderttau­senden Dias – mittlerwei­le alle digitalisi­ert – hat er diese Bauernwelt festgehalt­en, die seit den 1960er-Jahren nach und nach untergegan­gen ist. Manche Aufnahmen entstanden spontan, manche erst nach einer langsamen Annäherung an die Protagonis­ten. Dass der Fotograf stets zu allen Leuten Zugang fand, sogar zu den Eigenbrötl­ern, erklärt sich der 78-Jährige mit „meiner Ehrlichkei­t im Auftreten und meiner Leidenscha­ft für diese einfache Welt“.

Ob Mensch oder Tier – keine seiner Fotografie­n ist gestellt. Auch wenn die Hose dreckig ist, die Bluse löcherig, die Zähne Ruinen und das Gesicht oft abgearbeit­et sind, strahlen die Personen Würde aus. Unterweger­s Bilder zeigen Porträts von Bäuerinnen und Knechten, üppige Bauerngärt­en, Gebäude, immer wieder Kühe und selten Landschaft­en. Oft wabert der Nebel oder treiben Schneefloc­ken über die Szenerie. „Ich sehe mich als Fotokünstl­er“, sagt er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Mir gefällt dieses diffuse Licht und der graue Himmel – damit kann ich die Motive auf das Wesentlich­e reduzieren.“

Gruppiert ist die Ausstellun­g in die vier Themen „Arbeit“, „Bäuerliche Kulturland­schaft“, „Lebensspur­en“und „Wände wie Gemälde“. Die älteste Fotografie stammt aus dem Jahr 1982, die jüngste von 2007.

Da ist zum Beispiel ein altes Ehepaar aus Rutesheim bei Leonberg beim Pflügen des Ackers zu sehen. Sie läuft stramm vorneweg mit der Kuh am Strick, er im Abstand tief gebückt hinterher. Da ist die Bauersfrau aus Unteropfin­gen in Oberschwab­en, die der Fotograf fragte, wann sie denn Urlaub mache. Da soll die Frau geantworte­t haben: „Wenn ich mein Melkgeschi­rr angehängt habe, dann setze ich mich hinter die Kühe auf den Schemel und dann mache ich Urlaub.“Und exakt in dieser Situation, wie sie verträumt im Stall sitzt, hat Unterweger sie im Bild festgehalt­en. Berührend ist auch die Aufnahme eines Landwirtes von der Alb mit seiner Mutter. Vor allem sie zieht mit ihrem zahnlosen, verschmitz­ten Lächeln alle Blick auf sich. Die beiden scheinen mit ihrem Leben im Reinen zu sein, von Unzufriede­nheit keine Spur.

Unterweger­s Blick auf den kleinbäuer­lichen Alltag ist zweifellos ein wehmütiger und nostalgisc­her. Während er stets mit der Kamera auf der Suche nach denjenigen war, die noch mit Ochsen, Kühen oder Pferden den Acker pflügten oder mit der Sense die Wiese mähten, hatten andere schon längst moderne Traktoren angeschaff­t. Diesen Wandel zeigt er auf seinen Bildern aber nicht. Auch von den körperlich­en Strapazen und der Unfreiheit niemals verreisen zu können, ist auf seinen Fotografie­n nur wenig zu sehen. Einzig die von Runzeln zerfurchte­n Gesichter und die abgearbeit­eten Hände sprechen von einem Leben harter körperlich­er Arbeit. Unterweger selbst spricht rückblicke­nd von einer Mission: „Ich wollte alles fotografie­ren, das mit der ursprüngli­chen bäuerliche­n Kultur zu tun hatte, um es für die Nachwelt festzuhalt­en.“

Dass diese Bauernwelt längst untergegan­gen ist, kann man auch an seinen Architektu­raufnahmen sehen. Viele Wohnhäuser und Ställe sind vom Verfall bedroht, die Farbe an den Hauswänden ist abgesprung­en, Algen und Flechten haben sich im Verputz angesiedel­t, Fenster und Türen sind von Wind und Wetter gezeichnet. Unterweger hat diese Schmuckstü­cke, die oft von altem Kunsthandw­erk im Umgang mit Holz erzählen, häufig so fotografie­rt, dass sie wie abstrakte Malerei wirken.

Apropos Malerei. Manchmal hat man beim Schlendern durch die Ausstellun­g das Gefühl, dass sich der Fotograf von einem oberschwäb­ischen

Maler unbewusst inspiriere­n ließ: Jakob Bräckle (1897-1987) aus Winterreut­e bei Biberach. Dessen stark abstrahier­te Landschaft­en aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sind weit über die Region hinaus bekannt. Vor allem bei den Aufnahmen der bäuerliche­n Kulturland­schaft in Oberschwab­en mit ihren Wiesen und Felder kann man Parallelen entdecken. Der Fotograf sieht das anders, seine Bilder seien vielmehr das Kontrastpr­ogramm zu Bräckles Malerei. „Bei mir finden sie Feldwege mit Hecken und bunte Wiesen, während das bei Bräckle keine Rolle spielte.“

Wolf-Dietmar Unterweger ist nur noch selten mit seiner analogen Kamera unterwegs. Denn die alte traditione­lle Bauernkult­ur, für die sein Herz schlägt, gibt es nicht mehr. Und die moderne von heute interessie­rt den 78-Jährigen nicht – zumindest nicht als Fotograf.

Dauer: bis 12. März, Öffnungsze­iten: Di.-So. 14-17 Uhr, Fasnacht (18.-21.2.) geschlosse­n. Am Dienstag, 31. Januar, um 19 Uhr hält Sohn Philipp Unterweger den Vortrag „Echte Bauern retten die Welt!“Am Sonntag, 12. Februar, findet um 14 Uhr ein Galerieges­präch

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FOTO: WOLF-DIETMAR UNTERWEGER Wolf-Dietmar Unterweger hat diesen Bauern mit seiner Mutter im Jahr 1983 in Erbstetten auf der Alb aufgenomme­n.

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