Schwäbische Zeitung (Biberach)

So geht es mit dem Blautalcen­ter weiter

Was Besucher jetzt wissen müssen – Und welche Geschäfte demnächst schließen

- Von Andreas Spengler ●

- Ein Laden nach dem anderen macht dicht: Im Blautalcen­ter in Ulm steht bereits rund die Hälfte der Geschäfte leer. Wie es weitergehe­n soll und was Besucher jetzt wissen müssen.

Yong Qiu steht in seinem Restaurant und bangt. In wenigen Tagen will er über die Zukunft des „Asia Garden“entscheide­n. Zuvor aber stehen noch Verhandlun­gen mit dem Eigentümer des Blautalcen­ters aus. „Es könnte sein, dass wir noch ein oder zwei Jahre hier drin bleiben“, sagt Qui. Aber wer weiß das schon. Vor 20 Jahren hat Yong Qiu sein Restaurant hier eröffnet. Das Erfolgskon­zept war das Running-Sushi, bei dem das Essen auf einem Vorderband um die Tische fährt. All die Jahre lief es rund. Bis die Entscheidu­ng über das Ende des Blautalcen­ters bekannt wurde.

Manchen Mitarbeite­rn seien die Tränen gekommen. „Radikal“sei das gewesen, sagt Yong Qiu. Inzwischen komme nur noch ein Bruchteil der Kunden. Mit jedem Laden, der schließt, verliert das Einkaufsze­ntrum an Attraktivi­tät. Und geschlosse­n haben viele: Als die Immobilien­gesellscha­ft HLG das Center im Februar 2022 kaufte, lag der Leerstand bereits bei 40 Prozent. Inzwischen bei mindestens 50 Prozent, teilt HLG-Sprecher Jürgen Herres mit. Besucher berichten auf Google inzwischen von einer „Geisterpas­sage“, „gespenstis­cher“Stimmung und Charme, der „verloren gegangen“sei.

Manche Firmen halten sich noch bedeckt, was die genauen Auszugsplä­ne angeht, anderen haben ihren Zeitplan bereits verkündet. „Mit allen Mietern wird gesprochen, um auf Basis von individuel­len Vereinbaru­ngen einen möglichst reibungslo­sen Übergang zu erreichen“, sagt Herres.

Buchhändle­r Thalia hat bekannt gegeben, voraussich­tlich im September den Laden zu schließen und dann im Oktober in der Ulmer Hirschstra­ße

neu zu eröffnen. „Die anstehende Schließung des Blautalcen­ters hat uns keine andere Wahl gelassen“, erklärt Thalia-Vertriebsd­irektor Michael Wetzel. Für die Kunden sei dies aber kein Rückschrit­t, schließlic­h werde das Angebot künftig sogar erweitert.

Bereits Ende Januar schließt „Ernsting’s Family“seine Filiale. Im vergangene­n Jahr hatte die Textilfirm­a einen neuen Laden in den Ulmer Sedelhöfen eröffnet. Alle Mitarbeite­rinnen aus dem Blautalcen­ter seien dort oder in den umliegende­n Filialen Arbeitsplä­tze angeboten worden. „Es gab keine Kündigunge­n“, heißt es aus dem Unternehme­n.

Der Textilhänd­ler Takko ist indes noch auf der Suche nach einer neuen Immobilie. „Wir werden voraussich­tlich Ende des Jahres aus der Filiale ausziehen müssen. Sehr gerne möchten wir in Ulm bleiben“, teilt Unternehme­nssprecher­in Christina Scholz mit. Den Angestellt­en und Aushilfen könne die Firma einen Arbeitspla­tz in einer anderen Filiale im Umkreis anbieten. Der Wunsch sei aber, „mit dem gesamten Team innerhalb von Ulm an einen neuen Standort umziehen zu können“.

Keine Auskünfte über die Zukunft im Blautalcen­ter erteilt die Optikerket­te Apollo, ähnlich sieht es beim Textilhänd­ler Olymp aus: „Darüber, wie es an diesem Vertriebss­tandort nach der geplanten Schließung des Einkaufsze­ntrums weitergeht, können wir gegenwärti­g noch keine Auskunft geben“, teilt das Unternehme­n auf Anfrage mit.

Die Schließung­en öffentlich bekannt gegeben haben unter anderem auch bereits der Drogeriema­rkt Müller, der Ende Januar im Blautalcen­ter dicht macht. Beim Sportgesch­äft Intersport läuft der Räumungsve­rkauf, der Laden schließt voraussich­tlich ebenfalls Ende Januar. New Yorker teilt mit, dass eine Schließung der Filiale im Blautalcen­ter „bis auf Weiteres nicht geplant“sei. Auch C&A-Sprecherin Claudia Junge erklärt: „Eine Schließung unserer Filialen in Ulm und Neu-Ulm ist nicht geplant, es besteht nach wie vor der Mietvertra­g.“Ähnliches kommt von H&M: Der Laden bleibe „bestehen“. „Zu Spekulatio­nen äußern wir uns grundsätzl­ich nicht“, teilt ein Sprecher mit. Zuletzt hatte die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi den Umgang mit den Angestellt­en kritisiert. „H&M lässt die Mitarbeite­r in der Luft hängen, das finde ich eine Sauerei“, sagte der zuständige Gewerkscha­ftssekretä­r Rainer Dacke von Verdi UlmObersch­waben. Viele arbeiteten „mit dem Mut der Verzweiflu­ng weiter“. Dabei gebe es in vielen Fällen entspreche­nd lange Kündigungs­fristen.

Auch andere Firmen halten sich mit Plänen noch bedeckt. Ulm sei „mit Blick auf die Stadtgröße und das Einzugsgeb­iet ein attraktive­r Standort“heißt es etwa von dem Schuhhändl­er Deichmann. „Wir befinden uns im Blautal-Center nach wie vor in einem laufenden Mietverhäl­tnis. Mit dem Vermieter sind wir weiterhin im Gespräch“, teilt Unternehme­nssprecher Christian Hinkel mit.

Klar ist nur, das Ende des Einkaufsze­ntrums kommt: Ab 2024 sollen die Bauarbeite­n beginnen. Bereits 2026 könnte der erste Bauabschni­tt fertiggest­ellt werden. Das Einkaufsze­ntrum soll bis zu 1000 Wohnungen weichen (SZ berichtete). Vom Blautalcen­ter bleibt dann nur rund ein Fünftel der Fläche erhalten, mit einem kleineren Einkaufsze­ntrum im Ostteil. Bislang stehe dafür aber nur ein Mieter gesichert fest, erklärt HLG-Sprecher Jürgen

Herres: der Sportartik­elhändler Decathlon. „Der Standort Ulm ist für uns von großer Bedeutung“, heißt es in einer Pressemitt­eilung von Decathlon Deutschlan­d.

„Es ist ungewöhnli­ch, bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem es noch nicht mal einen Plan gibt, ein grundsätzl­iches Übereinkom­men mit einem potenziell­en Nutzer erreicht zu haben“, heißt es von der HLG. Die Gesellscha­ft entwickelt seit mehr als 25 Jahren Immobilien­projekte. Unklar sei, ob das neue Blau-Quartier künftig auch im Besitz der HLG bleibe. „Die Entwicklun­gszeit ist auf zehn Jahre prognostiz­iert. Vor diesem Hintergrun­d ist es noch sehr früh, darüber zu spekuliere­n, was nach Fertigstel­lung geschieht“, heißt es von der Immobilien-Gesellscha­ft. Ein Verkauf sei aber „nicht ausgeschlo­ssen“.

An anderer Stelle blickt man optimistis­ch auf die aktuellen Entwicklun­gen. Bei aller „Tragik“wirke sich die geplante Schließung des Blautalcen­ters „eher positiv“auf die Ulmer Innenstadt aus, betont die Citymanage­rin Sandra Walter. „Wir haben generell eine ordentlich­e Nachfrage nach Gewerbeimm­obilien in Ulm. Natürlich sind da aktuell auch Firmen aus dem Blautalcen­ter dabei.“Noch seien Immobilien in Ulm frei, aber natürlich passe das Angebot nicht immer zu den Vorstellun­gen der Firmen.

Auch in der Neu-Ulmer GlacisGale­rie merkt man die Folgen des Exodus aus dem Blautalcen­ter. Ohnehin seien in den vergangene­n Wochen und Monaten wieder deutlich mehr Menschen ins das Einkaufsze­ntrum gekommen, berichtet CenterMana­ger Serge Micarelli. „Sicher“seien darunter „auch ein Teil der Kunden aus dem Blautal-Center“. Und: Auch einige Mieter aus dem Blautalcen­ter hätten bereits „ihr Interesse an der Glacis-Galerie kundgetan“. Micarelli betont: Mit allen werde gesprochen, die genaue Zahl oder konkrete Namen könne er aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten.

„Es könnte sein, dass wir noch ein oder zwei Jahre hier drin bleiben“,

Yong Qiu vom Restaurant „Asia Garden“

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FOTO: ANDREAS SPENGLER Immer mehr Geschäfte machen dicht: Das Blautalcen­ter soll schon bald einer Wohnsiedlu­ng weichen.

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